Schauplatz Treviso:Prosecco als Ansichtssache

In Treviso, 30 Kilometer nördlich von Venedig, ist eine Schau über das bekannteste Kulturgut der Region zu sehen: Prosecco. Der Schaumwein aus Valdobbiadene passt übrigens gut zu Meeresfrüchten und Fisch - und zu Andy Warhol.

Von Thomas Steinfeld

Dreißig Kilometer nördlich von Venedig liegt die Stadt Treviso. Sie besitzt einen mittelalterlichen Kern, der von zwei Flüssen und mehreren Kanälen durchzogen ist, einen Dom mit einem gewaltigen Portikus aus der Renaissance und eine noch an vielen Stellen erhaltene Stadtmauer. Behaglich scheint das Leben in dieser Stadt seinen Gang zu gehen, was umso leichter sein dürfte, als etliche namhafte Firmen in Treviso ihren Sitz haben: Benetton, DeLonghi, Geox und der Rennradexperte Pinarello. Zudem ist Treviso das Zentrum einer Region, deren wichtigstes Produkt Weltruhm besitzt: Es ist der Prosecco, der auf den Hügeln um Valdobbiadene und Conegliano herum angebaut wird.

So stolz sind die Kulturpolitiker der Stadt auf dieses Produkt, dass sie dem Prosecco nun eine Ausstellung gewidmet haben. In der Casa dei Carraresi, einem mittelalterlichen Palazzo im Herzen der Stadt, sind gegenwärtig auf drei Etagen sehr viele Flaschen zu sehen. Das hat etwas Absurdes, weil sich der Gegenstand nur durch das Trinken erschließt, weshalb das Anschauen von Flaschen ja auch nicht betrunken macht. Um diesen Mangel zu beheben, treiben die Kuratoren einen hohen Aufwand mit Bildern, Karten und Tafeln, auf denen die Anbaugebiete und die Rebsorten, der Boden und die Geschmacksvarianten erklärt werden. Dazwischen treten Experten auf Videoschirmen auf und legen Zeugnis für den Prosecco ab, den es angeblich seit dem Jahr 1870 gibt. Vielleicht muss ein solcher Aufwand betrieben werden: Denn das, was der Prosecco heute ist, nämlich eine geschützte Herkunftsbezeichnung, zu der eine bestimmte Region, bestimmte Abfüllorte sowie bestimmte Abfülltechniken gehören, ist er erst seit wenigen Jahren - seit er zum Gegenstand eines systematischen Marketings wurde. Bis zum Jahr 2010 war der Prosecco eine Rebsorte - sie heißt heute "Glera" -, und mit dem daraus gewonnenen Wein durfte alles Mögliche gemacht werden: Man konnte ihn in Tankwagen nach Deutschland bringen und dort abfüllen, zum Beispiel, oder ihn in Dosen aus Aluminium vertreiben.

Und was hat eigentlich Andy Warhol mit den Flaschen zu tun? Einfach alles

Weil es sich beim Prosecco also um eine Maßnahme der fortgeschrittenen Warenwirtschaft handelt, war es vielleicht ein kluger, vielleicht aber zugleich ein ironischer Einfall der Kuratoren, der Prosecco-Schau eine zweite Ausstellung an die Seite zu stellen: "Andy Warhol - Superstar!" lautet der Titel der Veranstaltung, in der zu sehen ist, was man von Andy Warhol an kolorierten Siebdrucken, Serienbildern mit Suppendosen und Interview-Titelseiten so kennt. Ob es eine besondere Verbindung zwischen Treviso und Andy Warhol gibt? Gleichgültig! Der intellektuelle Reiz der Kombination zwischen Warhol und Prosecco liegt darin, dass sich bei diesem Künstler Waren in Kunstwerke verwandeln und auf dem Weg dorthin allen Gebrauchswert verlieren. Andy Warhol ergreift die Ware auf dem Höhepunkt ihrer öffentlichen Geltung, im Augenblick ihrer maximalen Verkäuflichkeit - und stellt sie so, als Spiegelung ihrer selbst und Wunder an kommerzieller Attraktivität, seinem Publikum vor. Im nächsten Moment, in dem die Campbell-Tomatensuppen-Dose geöffnet, der Ruhm des Stars befleckt, der Brillo-Scheuerschwamm benutzt würde, wäre dieser Glanz vergangen und dem Konsum anheimgegeben. Vielleicht war es deshalb ein besonders durchtriebener Kurator, der auf den Gedanken kam, die Ausstellung zum Prosecco mit der Installation einer festlichen Tafel zu krönen, auf der die Teller und Gläser leer bleiben. Dahinter ist wiederum ein Videoschirm aufgebaut, auf dem ein ziemlich feierlich gekleideter Herr erklärt, nun sei der Augenblick gekommen, die Flasche zu öffnen. Was nicht geschieht.

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