Schauplatz Rom:Wie nachts im Museum

Das Viertel EUR in Rom wurde im Faschismus angelegt, und so sieht es auch aus. Zu breite Straßen, zu große Häuser, und plötzlich steht man im Volkskundemuseum mit seinen riesigen Sälen - für Kasperlepuppen.

Von Andrian Kreye

Man gibt nicht gerne zu, dass man sich als Erwachsener vor dem Kasperl gefürchtet hat. Aber so war das letzte Woche im Saal Nummer 11 des Museo Nazionale delle Arti e Tradizioni Popolari, dem Nationalmuseum für Volkskunst und Brauchtum in Rom. Aber erst mal von vorne.

Eigentlich ging es darum, das neue Kongresszentrum La Nuvola des Architekten Massimiliano Fuksas anzusehen, ein Konstrukt aus Stahl und Glas, in dessen Zentrum eine überdimensionale Wolke aus Kunststoff schwebt. La Nuvola liegt in der Esposizione Universale di Roma (EUR), einem Viertel voller Monumentalbauten, das die faschistische Regierung im Süden Roms für die Weltausstellung von 1942 errichtete. Heute gibt es gleich drei eigene U-Bahnstationen mit dem Kürzel EUR.

Der Weg von der letzten der Stationen zum Kongresszentrum ist nicht weit, wäre die Neugier auf Straßen mit Namen wie Viale dell' Arte, Viale dell' Architectura und Viale della Letteratura nicht so groß. Immer leerer werden diese Straßen. Dann steht man vor dem Museo della Civiltà Romana mit seinen gewaltigen Portalen und Säulengängen, einem ausladenden, ockerfarbenen Komplex, der von Unkraut-verwucherten Trottoirs gesäumt wird. Kein Mensch ist zu sehen, die Portale sind verschlossen. Hier wurden schon Science-Fiction- und James-Bond-Filme gedreht.

Über den Daumen gepeilt ist das Institut etwa vier Mal so groß wie das Münchner Haus der Kunst

Ein paar Straßen weiter wieder Leben. Zumindest einsame Kellner, die auf Terrassen Mittagstische eindecken. Das Museo Nazionale delle Arti e Tradizioni Popolari hat geöffnet. Ein Pförtner verkauft einem die Einlasskarte. Dann ist man wieder alleine, steigt eine gewaltige Treppe in die Düsternis verhängter Museumshallen hinauf, wird von Madonnen begrüßt.

Die Sammlung ist nicht schlecht. Landwirtschaftliche Geräte, Trachten und religiöse Artefakte sind schlüssig in Vitrinen und auf Podesten angeordnet. Strom wird gespart, deswegen geht die Beleuchtung der Objekte nur an, wenn man direkt vor ihnen steht. Und so zieht es einen immer tiefer in die Dämmerung, ins Dunkle. Nur die eigenen Schritte auf dem Marmorboden und das Gemurmel der ethnografischen Videofilme hallen durch die Gänge.

Man ist schon eine Weile unterwegs. Über den Daumen gepeilt ist das Museum ungefähr vier Mal so groß wie das Münchner Haus der Kunst, dem es mit seinen strengen, faschistischen Linien auch ähnelt. Immer schmaler werden die Gänge. Puppen und Marionetten zeigen Jahrmarktsleben von früher. Dann plötzlich flammt hinter einer Ecke ein Scheinwerfer auf. Lebensgroß steht Pulcinella vor einem, Urvater des Kasperl mit spitzem Hut und schwarzer Maske. Hinter ihm ein dunkler Saal voller Umrisse mannshoher Figuren. Das Jammern einer Maultrommel weht von irgendwo her. Bis zum Ausgang ist es noch ein halber Kilometer.

Das Kongresszentrum La Nuvola ist dann eine beeindruckende Prachtbaustelle. Vor der Halle führen Treppen für Tausende zu Eingängen im Tiefgeschoss. Es schert sich niemand um einen, so kann man die leeren Hallen erkunden. Alleine und ungestört. Eröffnet werden soll seit 2013 "demnächst".

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