Schauplatz Rom:Der Fluch des Kopfsteinpflasters

"Sampietrini" nennen die Römer die Steine, aus denen ihr Kopfsteinpflaster besteht. Bei Regen sind sie sehr glatt. Jetzt ist Bürgermeister Ignazio Marino darauf ausgerutscht und musste zurücktreten.

Von Oliver Meiler

Die Römer nennen die Steine ihres Kopfsteinpflasters "Sampietrini". Warum profan, wenn es auch heilig geht? In welcher Beziehung genau der Begriff zu San Pietro steht, abgesehen davon, dass natürlich auch der Petersplatz mit vielen kleinen Quadern gepflastert ist, konnte nie zweifelsfrei erörtert werden. Wahrscheinlich gibt es diese Beziehung, weil ja in Rom alles irgendwie wunderlich zusammenhängt. Die Sampietrini sind Segen und Fluch der Stadt. Dass vor einigen Tagen der Bürgermeister Ignazio Marino zurücktreten musste, das lag dann auch ein bisschen am Fluch des Kopfsteinpflasters. Vielleicht hätte er sein Amt behalten können, hätte er nur die Geschichte mit den schönen, aber so unpraktischen Sampietrini gelöst. Sie sind ein ständiges Politikum.

Gäbe es sie allein in den Fußgängerzonen im historischen Zentrum, auf der Piazza Navona etwa oder vor dem Pantheon, dann hätten nur die Damen auf hohen Schuhen ihre Mühe. Doch die Sampietrini gibt es auch auf Straßen, über die unablässig der Verkehr fließt, laut dröhnend und chaotisch, zum Beispiel rund um die Piazza Venezia, den monumentalen Kreisel im Herzen der Stadt. Wenn es regnet, sind die Steine so rutschig, dass die Motorradfahrer, diese Zentauren des Verkehrs, alle Verwegenheit der Sicherheit opfern. Und selbst wenn es nicht regnet, sind die Motorradfahrer ständig gefährdet, fehlen doch oftmals gleich mehrere Steine im Pflaster. Wahre Löcher klaffen da. Die Römer nennen sie "buche", und man übertreibt nicht, wenn man sagt, die "buche" böten täglich Stoff für das große Lamento.

Vollends abenteuerlich aber gestaltet sich eine Fahrt mit dem Bus, Linie 87 etwa, den Kaiserforen entlang. Der Straßenbelag ist an gewissen Stellen so dramatisch holprig, dass die gesamte Innenausstattung zu zittern beginnt. Es gibt Busse, deren Deckenverschalungen herunterhängen. Man hält sich dann am Sitz fest, schaut mit Sorge zur Decke. Und draußen passieren die Ausgrabungsstätten, dieses Spektakel der Antike. Natürlich ließen sich die "buche" stopfen, mit fein geschnittenen "Sampietrini". Die Unebenheiten ließen sich einebnen. Aber das erfordert aufwendige Reparaturarbeiten, also viel Geld. Hätte Ignazio Marino, der gestürzte Bürgermeister, einen Teil seiner Zeit dafür genutzt, zumindest einige Straßen der Stadt in Ordnung zu bringen, und sich dabei zuweilen als Baumeister mit gelbem Helm gezeigt, dann wäre er womöglich noch im Amt. Dann hätten die Römer vielleicht daran geglaubt, dass da einer an der Spitze steht, der etwas tut.

Die Via Nazionale übrigens soll nun asphaltiert werden. Gerade noch rechtzeitig für das päpstliche Jubiläumsjahr, das im Dezember beginnen wird. Denn auf der Via Nazionale verkehrt die Bus-Linie 64 - vom Hauptbahnhof zum Vatikan, Sankt Peters Hauptzulieferer auf der Pilgerachse zum Papst.

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