Schauplatz Paris:Kulturinsel mit Spitzenhaube

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Das lange an Konzertsälen unterbestückte Paris hat nun schon wieder ein neues Haus: das "Seine musicale" auf der Seine-Insel "Seguin". Bob Dylan hat es ganz spontan, aber ziemlich wortkarg eingeweiht.

Von Joseph Hanimann

Nach Paris kam der Nobelpreisträger Bob Dylan nach seinem Versteckspiel mit dem Stockholmer Preiskomitee ganz freiwillig. Da sein Konzert im Le Zénith schnell ausverkauft war, bot er spontan an, auch zur Einweihung des neuen Konzertsaals "Seine Musicale" auf der Seine-Insel Seguin aufzutreten. Dort war er dann allerdings wieder so wortkarg wie immer und ließ sich nicht anmerken, ob ihm das Konzerthaus im Pariser Westend gefällt. Manche Zuhörer fanden diese Zurückhaltung etwas schade, nach der langen Odyssee, die der Realisierung des Projekt vorausging.

Mehr als ein Vierteljahrhundert ist es her, seit im Jahr 1992 die letzten Autos aus den Montagehallen der Renaultwerke auf der Insel rollten. Auf einem Teil des elf Hektar umfassenden Fabrikgeländes in der Seine-Schlaufe wollte der Unternehmer François Pinault dann seine zeitgenössische Kunstsammlung unterbringen, in einem Neubau des japanischen Architekten Tadao Ando. Die Unschlüssigkeit der Behörden dauerte dem Industriellen aber zu lange und so beschloss er, mit seiner Sammlung nach Venedig zu gehen. Aus dem Hin und Her verschiedener Ersatzlösungen ging schließlich das Projekt einer Kulturinsel unter dem Namen "Vallée de la Culture" hervor. Der Architekt Jean Nouvel legte 2010 einen Plan mit einer Mischung aus Bürotürmen und Kultureinrichtungen vor. Das nun eingeweihte Konzerthaus des Japaners Shigeru Ban, Pritzker-Preisträger 2014, ist eine der ersten Realisierungen und schlägt mit seinen geblähten Glassegeln optisch den neuen Ton an.

Der japanische Architekt hat zusammen mit seinem Pariser Partner Jean de Gastines vor sieben Jahren schon das Centre Pompidou in Metz gebaut. Für die "Seine Musicale" entwarf er an der nördlichen Inselspitze nun eine abgeflachte Kugel mit einer gläsernen Spitzhaube darüber, deren Solarzellen sich nach dem Sonnenstand drehen. Im Hauptsaal mit sechstausend Steh- oder viertausend Sitzplätzen findet man Shigeru Bans Lieblingsmaterial Holz und Karton wieder. Daneben enthält der Bau Aufnahmestudios. 170 Millionen Euro hat er gekostet. Getragen werden sie hauptsächlich vom Departement Hauts-de-Seine, dem reichsten Departement Frankreichs, mit dem Geschäftssatelliten La Défense auf seinem Gebiet. Auch für den Betrieb des Saals hat sich das Departement mit einem Partner aus verschiedenen Privatunternehmen zusammengeschlossen: eine Premiere in Frankreich.

Ungewiss bleibt, ob das an Konzertsälen lange unterbestückte Paris nach Jean Nouvels Philharmonie, der "Cité de la Musique", dem renovierten Saal von Radio France und den sonst schon bestehenden Sälen mit der "Seine Musicale" nicht plötzlich zu viel des Guten hat. Gastspiele von Herbie Hancock im Juni und Michel Sardou im Herbst werden erste Anhaltspunkte dafür geben.

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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