Schauplatz Madrid:Zuschauervermehrung

Wie spanische Kinos tricksen, um an staatliches Fördergeld zu kommen.

Von Thomas Urban

Gern haben sie sich stets dem Blitzlichtgewitter auf den Filmfestivals gestellt: Enrique González Macho, bis vor Kurzem Präsident der ruhmreichen Akademie des Kinos in Madrid, der Filmproduzent Gerardo Herrero sowie der Regisseur und Fernsehmoderator José Luis Garci. Doch in diesen Tagen machen sich die drei Promis rar. Sie gehören zu mehreren Dutzend Vertretern der Glamourbranche, gegen die gleich vier Madrider Untersuchungsrichter wegen Betrugs ermitteln.

Das ihnen unterstellte Delikt: Angabe erhöhter Zuschauerzahlen in den Kinos, um mehr Mittel aus der staatlichen Filmförderung zu bekommen. Es ist auch, schreibt die linksliberale Tageszeitung El País, ein Krisenphänomen: In den fetten Jahren des Booms auf Pump schüttete das staatliche Institut für Kinematografie und audiovisuelle Künste (ICAA) alljährlich ohne großartige Prüfung Millionen an Filmproduzenten und Kinobetreiber aus. Doch nach dem Platzen der spanischen Immobilienblase stürzte die Volkswirtschaft ab, und die Ende 2011 an die Regierung gewählten Konservativen mussten überall sparen.

So kam auch der Kulturetat auf den Prüfstand. Kontrolleure des ICAA haben nun Stichproben in den Kinos gemacht - um die Zuschauer zu zählen. Wie auch in Deutschland funktioniert in Spanien die Filmförderung zweigleisig: Schon die Produktion kann bezuschusst werden, wenn die Akademie des Kinos und andere Gremien dies empfehlen. Und hinterher gibt es noch einmal Geld aus dem Staatstopf bei mehr als 60 000 Zuschauern und bei Filmpreisen. Die Kontrolleure haben in einigen Fällen eine wunderbare Zuschauervermehrung festgestellt: So zählten sie bei "Holmes & Watson - Madrid Days" am sechsten Wochenende in Madrid ganze 196 Zuschauer, ein klarer Flop. Doch die Kinobetreiber gaben bei ihren Anträgen für die Filmförderung für diesen Zeitraum 29 000 Zuschauer an.

Die vier Untersuchungsrichter müssen sich nun durch Abrechnungen der Produzenten, der Vertriebsfirmen, der Kinos wühlen, wobei erschwerend hinzukommt, dass ein Teil der Karten über Internetportale verkauft wird. Bei 42 der in den letzten drei Jahren in Madrid gezeigten Filmen spanischer Produktion haben die Kontrolleure laut El País Verdacht geschöpft, in zwölf Fällen wurden bereits Strafverfahren eingeleitet. Auf der Liste steht auch "Der russische Berg", produziert von Enrique Cerezo, dem Präsidenten des Fußballklubs Atlético Madrid.

Ein Sprecher des Kulturministeriums wiegelte bereits ab: Es könne keine Rede davon sein, dass die ganze Branche verdorben sei. Fördermittel haben in den letzten drei Jahren schließlich insgesamt 176 Filme bekommen. Mit anderen Worten: Mindestens drei Viertel der Branche hat nach den Untersuchungen saubere Bilanzen abgeliefert. Ob das viel oder wenig ist, darüber streitet man in den Internetforen.

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