Schauplatz Madrid:Die Weisheit des Orients

Eine Ausstellung in Madrids Akademie der Künste zeigt das Erbe der maurischen Hochkultur in Andalusien. Die Schau belegt nicht zuletzt die kulturellen Gemeinsamkeiten mit den Nachbarn von der anderen Seite des Mittelmeers.

Von Thomas Urban

Von einem politischen Signal wollen die Macher der Ausstellung "Das Erbe Andalusiens" im Museum der Königlichen Akademie der Schönen Künste von San Fernando nichts wissen. Die Kunst sei über die Verwerfungen der politischen Konjunktur erhaben. In ihrem Barockpalais im Herzen Madrids zeigt die Akademie Kunstwerke, Architekturpläne und Skizzen, die Zeugnis von der maurischen Hochkultur in Andalusien abgelegen. Sie kommen durchweg aus den umfangreichen eigenen Sammlungen der Akademie. Ein Großteil der Zeichnungen stammt von spanischen Wissenschaftlern, die im Auftrag des Hofes zu Madrid im 18. Jahrhundert die südlichste Region des Königreichs bereisten.

Es war die Zeit des Königs Ferdinand VI., der zunächst die Regierungsgeschäfte den Günstlingen seiner italienischen Frau überließ, darunter dem Kastraten Farinelli, aber bald selbst die Zügel in die Hand nahm. Ferdinand stand unter dem Einfluss der ersten Philosophen der Aufklärung, er interessierte sich für andere Kulturen und wollte mit seinen Nachbarn in Frieden leben. So ermöglicht die Ausstellung einen doppelten Blick: Sie zeigt nicht nur die hohe Kunst der maurischen Städteplaner, Architekten und Raumgestalter, sondern auch das Staunen der Spanier im 18. Jahrhundert darüber. Denn der König ließ die Arbeiten seiner Delegation ausstellen. Die Mauren wurden von den "katholischen Königen", wie der offizielle Titel der Herrscher in Madrid lautete, bislang als Todfeinde angesehen; doch damals wurde auch Madrid, wie andere europäische Residenzen, von einer Welle des Orientalismus erfasst: Die Weisheit des Orients wurde dem beengten und mühseligen Leben im eigenen Lande gegenübergestellt.

Vor allem aber bringt die Ausstellung den Besuchern aus Madrid auch näher, warum die Andalusier, die man traditionell mit einer Mischung aus Geringschätzung und Unbehagen betrachtet, anders ticken und überdies stolz auf ihre eigene Geschichte und Kultur sind. Und zu dieser gehört selbstverständlich das maurische Erbe. Die versteckte politische Botschaft dabei lautet: Die entfernten Vetter der Andalusier wohnen heute auf der anderen Seite des Mittelmeeres, bei allen Gegensätzen in der Religion gibt es das gemeinsame kulturelle Erbe.

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