Schauplatz Kapstadt:Bildersturm

Südafrikas Studenten protestieren immer heftiger gegen den ANC sowie gegen Symbole der Apartheid - manche sprechen schon von einer "zweiten Revolution".

Von Tobias Zick

Unter Südafrikas Studenten kocht der Zorn. Er ist befeuert vom Gefühl, dass gut zwei Jahrzehnte nach Ende der Apartheid noch immer Ungerechtigkeit und Ungleichheit regieren. Schon im Oktober hatten einige Hundert von ihnen versucht, das Parlament in Kapstadt zu stürmen, flankiert von einer Twitter-Kampagne mit dem Hashtag "#FeesMustFall": Die Studiengebühren, die Kindern aus ärmeren, schwarzen Familien den Aufstieg verwehren (und nun noch weiter steigen sollten), waren zum Symbol der Zementierung der alten Strukturen geworden, in denen die weiße Minderheit nach wie vor die Oberhand hat.

Dabei waren die Studiengebühren nur der Auslöser, der ein Ventil öffnete: Die Proteste, die seither immer wieder aufflackern, zielen in die Breite; sie zielen auf die Regierungspartei, den ANC, die Befreiungsbewegung Nelson Mandelas, die inzwischen aus Sicht der Jungen das Erbe des großen Landesvaters verspielt und sie um ihre versprochene, bessere Zukunft betrügt. Die Studenten zielen aber auch auf die Symbole der kolonialen Kultur, die sie als nach wie vor in der akademischen Welt als dominierend erleben; es ist eine regelrechte Bilderstürmer-Bewegung daraus geworden, und sie hat weit über die Landesgrenzen hinaus Wellen geschlagen. Letztes Jahr beschmierten Aktivisten auf dem Kapstädter Campus eine Bronzestatue von Cecil Rhodes, einem der Vorkämpfer der britischen Eroberung und Ausbeutung des südlichen Afrika, wenig später ließ die Direktion das Standbild abmontieren. Davon beflügelt, demonstrierten dann auch Studenten im fernen Oxford gegen die Tatsache, dass dort noch immer Stipendien den Namen dieses "Architekten der Apartheid" tragen (SZ vom 14. Januar).

Jetzt hat in Kapstadt ein neues Semester begonnen. Und damit sind auch die Proteste zurück. In einer neuen Welle der Bilderstürmerei haben wütende Studenten ihre Uni-Flure durchkämmt und allerlei Bilder, auf denen weiße Gesichter der Vergangenheit zu sehen waren, von den Wänden gerissen und sie in einem Lagerfeuer feierlich verbrannt. Dabei ging auch ein Ölgemälde des schwarzen Aktivisten Keresemose Richard Baholo aus dem Jahr 1993 in Flammen auf, in dem er die "erloschene Fackel der akademischen Freiheit" unter dem Apartheid-Regime dargestellt hatte. Einen solche, übers Ziel hinausschießende Raserei war dann ein gefundenes Fressen für weiße Rassisten, die sich auf Facebook über die kultur- und geschichtslose Raserei der "primitiven" schwarzen Demonstranten ereiferten.

Es sind schlechte Zeiten für die schwindende Minderheit der Optimisten, die noch immer daran glauben wollen, dass Südafrikas Gesellschaft seit dem Fall des Apartheidregimes, seit der Präsidentschaft des großen Versöhners Mandela zu einer "Regenbogennation" zusammengewachsen sei, die damals der Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu damals ausrief. In diesen Tagen wird offenbar, wie heiß die alten Ressentiments unter der Oberfläche noch brodeln; wie viele Wunden nur verdeckt, aber nicht geheilt sind. Manche sehen das Land längst auf eine "zweite Revolution" zusteuern, eine wirtschaftliche und kulturelle, nach der politischen vor gut zwei Jahrzehnten, die so viele der alten, ungerechten Strukturen intakt ließ.

In einem Park im Zentrum von Kapstadt prangt bis heute eine provozierend große Statue von Cecil Rhodes, mit der linken Hand in die Ferne weisend; die Inschrift ruft die britischen Landsleute des 19. Jahrhunderts zu kolonialen Abenteuern auf: "Dort ist euer Hinterland." Es braucht nicht allzu viel Wagemut vorherzusagen, dass die Tage dieses Kunstwerks gezählt sind.

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