Schauplatz Berlin:Reich und hässlich

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Berlin ist eine arme Stadt und eine Stadt für Arme. Aber wenn es mal teuer und vornehm wird? Dann schaffen diese Orte all denen, die knapp bei Kasse sind, ein schönes Bewusstsein: Das willst du dir doch gar nicht leisten können.

Von Stephan Speicher

Berlin ist eine arme Stadt und eine Stadt für Arme. Es wird zwar geklagt über steigende Mieten, und ein Problem liegt da gewiss. Aber im Vergleich steht man sich noch gut. Es gibt Städte, die einem rasch das Gefühl einflößen, wer hier kein Geld habe, der verpasse das Beste. Das ist in Berlin anders. Im Gegenteil, es gibt genügend Orte, die dem, der knapp bei Kasse ist, das schöne Bewusstsein schaffen: Das kann ich mir nicht leisten, aber das wollte ich mir auch nicht leisten, nicht einmal wenn heute Abend die Märchenfee an mein Bette träte.

Ein solcher Ort, der über seinem Eingang die Inschrift tragen könnte: "Dein Geld wird Dich nicht glücklich machen", ist das Hotel Adlon. Es gilt als das beste in Berlin, ist auch eines der teuersten, zuletzt hat die britische Königin dort übernachtet. Über die Details der Ausstattung muss man sich nicht aufhalten. Aber wie kleinstelzig der Bau ist! Alles wirkt und ist eng, weil aus kommerziellen Erwägungen in das nun mal vorgegebene Bauvolumen zusätzliche Geschosse zu pressen waren. Man betritt das Hotel durch eine Art Tunnel, dessen Lampen so niedrig hängen, das man glaubt, sie mit der Hand erreichen zu können (es fehlen dann doch ein paar Zentimeter). Die Amphoren, die auf die Balustraden im Treppenhaus gestellt wurden, haben nur ein wenige Dezimeter Abstand zur Decke. Wer will hier großzügig sein, wo die Kleinlichkeit der Architektur in die Augen springt?

Das Adlon ist ein Versuch im konventionellen Luxus. Das Soho House, ähnlich teuer, will etwas Besonderes sein und der Bau ist es. Errichtet 1928/29 als Kredit-Warenhaus der Jonaß & Co AG an der Torstraße/Ecke Prenzlauer Allee, wurde er im Nationalsozialismus von der "Reichsjugendführung" genutzt und nach dem Krieg zuerst vom ZK der SED und später von deren Parteiarchiv. Jetzt ist es eine Mischung von Club und Hotel. Manches ist wirklich schön, der Blick von der Terrasse des Restaurants im 2. Stock etwa, jedenfalls am Abend, wenn die Dunkelheit die unschönen Nachbarfassaden verhüllt und die große Straßenbahnkreuzung vor dem Haus ein sanft glänzendes Muster bildet. Die Innenausstattung aber ist affektiert. Die Halle im Erdgeschoss möchte mit unverputzten Eisenbetonpfeilern prunken, zwischen denen ein Kristalllüster hängt. Die Elektroleitungen laufen über den Beton als Beleg schminkeloser Ehrlichkeit, hinter der Rezeption Altholzgezimmertes.

Dabei ist das Hotel seit je ein Ort der Hochstapelei. Getue gehört dazu. Der traditionelle Hotelbarock ist komisch, aber nicht mal so sehr, denn hier wird das Theatralische aus zwei ähnlichen Quellen gespeist. Im Soho House aber soll die Hochstapelei mit den Mitteln der Authentizität ins Werk gesetzt werden. Und das ist eine starke Zumutung an die Naivität des Publikums.

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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