Schauplatz Berlin:Der Sockel des Wilhelminismus

Berlin Nationaldenkmal Kaiser Wilhelm mit Schloss 1900

Blick auf Nationaldenkmal und Schloss im Jahr 1904. Repro: SZ

"Schlosskolonnaden" statt Einheitsdenkmal: eine absurde Idee des Haushaltsausschusses.

Von Jens Bisky

Der Sockel im Spreekanal stört keinen. Bis 1950 ritt auf ihm Kaiser Wilhelm I. zum Ruhme der deutschen Nation und der Hohenzollern. Sein Reiterstandbild vor Kolonnaden, umgeben von allerlei bedeutendem Getier und - der Symbolik halber - halbnackten Damen war ein beliebtes Fotomotiv, bis die DDR-Oberen das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal abtragen ließen. Die Löwenskulpturen kamen in den Tierpark. Der Sockel aber blieb leer. Er blieb leer, als das Schloss nebenan abgerissen wurde, als Tribünen auf dem Marx-Engels-Platz standen, als der Palast der Republik gebaut, genutzt, geschlossen, saniert, zwischengenutzt und abgerissen wurde. So viel ringsum auch geschah, den Sockel ließ man in Ruhe, bis der Bundestag 2008 entschied, an dieser Stelle ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu errichten. Da war es mit der Ruhe des Sockels vorbei. Er wurde zum Schauplatz einer bitteren kulturpolitischen Posse.

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