Saubermann Orlando Bloom:"Ich brauche Adrenalin"

Er wird oft mit Errol Flynn verglichen, doch im Gegensatz zum Abenteuerhelden der vierziger Jahre hat Orlando Bloom kein Alkohol- und Drogenproblem. Vielmehr wirkt er nahezu unverwundbar - vor allem seit er sich durch einen Sturz die Wirbelsäule gebrochen hatte. Doch trotz all seiner Dramatik bleibt der Hollywoodstar spektakulär oberflächlich.

Michaela Haas

Die beiden Teenager, die sich verlegen im Hotelflur im 12. Stock des Four Seasons in Beverly Hills herumdrücken, erkennen ihr Idol nicht, als es in verwaschenen schwarzen Jeans vorbeihuscht. Orlando Bloom trägt auf der Leinwand ja meistens Ritterrüstung und ein gezogenes Schwert, oder auch lange blonde Haare.

Exklusiv: Oralndo Bloom kommt an seinem Haus an

Orlando Bloom: "Ich arbeite immer noch daran, es allen zu beweisen."

(Foto: colourpress.com)

Es ist zehn Uhr, Bloom ist im Four Seasons, um seinen neuen Film "Die drei Musketiere" zu promoten, der am 1. September auch bei uns anläuft. Er sieht noch arg zerknittert aus und lässt sich erst einmal eine große Tasse Milchkaffee in die Suite bringen. "Der Kleine hat wieder nicht durchgeschlafen", sagt der frischgebackene Papa etwas entnervt, aber seine Augen strahlen.

Der 34-jährige britische Schauspieler war bei der Geburt von Söhnchen Flynn Christopher Blanchard im Januar mit dabei und rühmt sich, ein Vater zu sein, "der Hand anlegt. Nachts aufstehen, Windeln wechseln, das ganze Programm, na klar! Es hat etwas Bewegendes, wenn die ganze Welt schläft und nur er wach ist."

Hat der Name Flynn für das Söhnchen eigentlich etwa damit zu tun, dass Orlando Bloom wegen seiner vielen Kostümfilme oft mit Hollywoods Edel-Haudegen Errol Flynn verglichen wird? Bloom reißt die braunen Augen so weit auf, als höre er den Vergleich zum ersten Mal. "Ehrlich? Das ist aber ein großes Kompliment", sagt er etwas verlegen, "Errol Flynn war jemand, der sein Leben voll ausgeschöpft hat, damit kann ich mich schon identifizieren."

Wobei es der junge Vater mittlerweile ruhiger angehen lässt. Obwohl es unzählige Fotos von dem Kleinen gibt, unter anderem ein Bild bei Twitter, das zeigt, wie die Mutter dem drei Monate alten Baby die Brust gibt, winkt die Pressefrau jede Frage nach Flynn ab. Aber dann sagt Bloom doch noch: "Mehr als alles andere will ich am Leben meines Sohnes teilhaben", sagt er. "Letzte Woche hat er zum ersten Mal das Meer gesehen - wow, war das aufregend! Alles, was wir jetzt gemeinsam erleben, ist voller Staunen und neu."

Die People-Magazine können sich derzeit nicht entscheiden, ob Orlando Bloom oder Fußballer David Beckham den Titel "Hottest Dad of Hollywood" verdient. Fest steht: Bloom und seine Frau, das australische Fotomodel Miranda Kerr, sind das Sauberpärchen von Hollywood. Sie wirken auf Paparazzibildern immer wahnsinnig gutgelaunt, sie versuchen fleisch- und alkohollos zu leben, fahren Hybridautos, haben Solaranlagen auf dem Dach, machen täglich Yoga, chanten die Mantras der buddhistischen Nichiren-Tradition und stellen in den Medien so viel Familien-Glückseligkeit zur Schau, dass sie selten in Gossip-Blogs erscheinen; es gibt eben nichts Langweiligeres als ein Leben in Hollywood ohne Skandale. Orlando Bloom spricht jedenfalls von seiner "Seelenverwandten", die er in seiner bildschönen Frau gefunden hat. "Ich kann gar nicht fassen", sagt er, "dass so viel Glück in ein einziges Leben passt."

"Ich hab Blödsinn gemacht"

Vielleicht hat Orlando Blooms radikaler Lebenswandel aber auch damit zu tun, dass er - physisch gesehen - ein vielfach gebrochener Mann ist. Bloom hat drei Gehirnerschütterungen hinter sich, er brach sich ein Bein, das rechte Handgelenk, das Nasenbein beim Rugbyspielen, Snowboarden, Motorradfahren. 1998 fiel er von der Dachterrasse eines Hauses drei Stockwerke in die Tiefe und brach sich den Rücken. "Ich hab Blödsinn gemacht, einfach Mist gebaut", sagt er gequält. Die Ärzte sagten damals, er würde wohl nie wieder laufen können.

Mehr Ernsthaftigkeit und Tiefgang

Ich war 21 und dachte, ich sei unverwundbar", erinnert sich Bloom. "Ich starrte an die Zimmerdecke, fragte mich, ob ich nun den Rest meines Lebens damit verbringen würde, Zimmerdecken anzustarren, und beschloss, es allen zu zeigen." Einige Wochen später marschierte er aufrecht aus dem Krankenhaus, zwar noch mit Rückengips, aber auf eigenen Beinen. "Ich habe die Zähne zusammengebissen und so hart trainiert, dass die Titanium-Nadeln, die meinen Rücken zusammenhielten, zerborsten sind."

Seine Kritiker sagen, er habe sich seit dem Unfall verändert, spiele mit mehr Ernsthaftigkeit und Tiefgang. "So viel körperlichen Schmerz zu empfinden, hat dazu geführt, dass ich mitfühlender geworden bin", sagt Bloom, während er auf dem Sofa herumfläzt. "Wenn ich jetzt Menschen leiden sehe, kann ich nachvollziehen, was sie durchmachen. Mein Rücken ist immer noch meine Warnblinkanlage, wenn ich zu viel Gas gebe."

Aber gerade weil er allen Prognosen zum Trotz glimpflich davonkam, hielt er sich "erst recht für unverwundbar", und es folgte die Lebensphase, die ihn mit ständigen Affären in den Klatschspalten hielt. Wie zum Trotz habe er nach dem Unfall intensiv gelebt. Und er sagt: "Es hat mein Tempo gedrosselt, aber ich brauche das Adrenalin immer noch." All die unverwundbaren Helden, die er in seinen Filmen bisher gespielt hat, können doch kein Zufall sein: den unsterblichen Legolas in "Herr der Ringe", den aufrechten Schmied Will Turner im "Fluch der Karibik", einen waghalsigen australischen Bushranger in "Ned Kelly". "All diese Männer halten sich für unverwundbar", sagt Bloom. "Das schafft ein unglaubliches Hochgefühl - aber natürlich ist es letztendlich fatal."

"Ich brauche das Gefühl, nah am Abgrund zu tanzen." Bloom sagt nicht selten Sätze, von denen man sicher ist, dass man sie schon in einem anderen Promi-Interview oder vielleicht auch in einem Aphorismenlexikon im Internet gelesen hat. Sätze, die auch Fans und Regisseuren gefallen, die Yoga und Supermodels todlangweilig finden. Sätze, die man eigentlich sofort wieder vergessen würde, hätte man sie nicht auf Band aufgenommen. Aber dann wird es doch nochmal kurz überraschend: Nach wie vor, sagt der britische Schauspieler, mache er "neunundneunzig Prozent" aller Stunts selbst; er fährt, trotz seiner etlichen Unfälle, immer noch Motorrad, Mountainbike und Snowboard. "Aber ich trage jetzt einen Helm beim Biken und Knieschützer auf dem Board. Seit ich meinen kleinen Jungen im Arm halte, ist mein neues Mantra: Safety first."

Der Antiheld fehlte bisher noch in seinem Repertoire

Alle Fragen, die etwas tiefer gehen - was interessiert Sie am Buddhismus? - blockt er sofort ab. Nein, darüber wolle er nicht sprechen, wir seien ja schließlich hier, um über seinen neuen Film zu reden. Oder neue Projekte. Er suche gerade auch Herausforderungen anderer Art, und er erzählt stolz, gerade zum ersten Mal für ein Theaterstück in Großbritannien auf der Bühne gestanden zu haben. "Ich arbeite immer noch daran, es allen zu beweisen. Deshalb bin ich wahrscheinlich Schauspieler geworden. Aber nun arbeite ich eher daran, auch als Schauspieler verletzlicher und offener zu sein."

Gerade hat er "Die drei Musketiere" mit Oscarpreisträger Christoph Waltz und Milla Jovovich fertiggestellt, ein aufwendig gedrehtes 3D-Spektakel. Die Musketiere wurden schon mehr als 50 Mal verfilmt, unter anderem mit Stars wie Catherine Deneuve, Charlton Heston oder Leonardo DiCaprio. Was fällt ihm denn ganz spontan zum Motto der drei Musketiere ein: Einer für alle, alle für einen? "Da denke ich natürlich an meine Familie. Für alles andere habe ich jetzt einfach weniger Zeit."

Vor allem freue er sich, dass er "endlich mal einen Antihelden" spielen dürfe. Klar, der Antiheld fehlt bisher auch noch in seinem Repertoire. Bloom stellt den schmierigen Herzog von Buckingham dar. "Regisseur Paul Anderson sagte, ich solle an die Rockstars unserer Tage denken: David Bowie, Jim Morrison, Mick Jagger - der Herzog von Buckingham ist definitiv wie ein Rockstar. Er ist wie ein stolzer Pfau, der sich bei jeder Gelegenheit präsentieren will." Diese Rolle ist ihm ganz gewiss nicht schwergefallen.

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