Satire:Schwarzbuch der Republik

Satire: Dieter Hildebrandt: Was aber bleibt. Texte aus fünf Jahrzehnten. 544 Seiten, Blessing Verlag, 22,99 Euro

Dieter Hildebrandt: Was aber bleibt. Texte aus fünf Jahrzehnten. 544 Seiten, Blessing Verlag, 22,99 Euro

(Foto: Random House)

"Was aber bleibt" - Texte von Dieter Hildebrandt

Von Oliver Hochkeppel

Es stellte sich schon immer die Frage, in welcher Darreichungsform das - um einmal eine Wortschöpfung von Volker Pispers zu gebrauchen - Breitbandantiidiotikum Dieter Hildebrandt am wirksamsten war. Als Bühnen- oder Fernsehfigur - und wenn, dann als Solist oder doch im so geliebten Ensemblespiel? Als eindringlich lesende Stimme der Vernunft oder pur mit seinen Texten? Wobei Hildebrandt erst spät mit dem Bücherschreiben begonnen hatte. "Was bleibt mir übrig" war 1986 das erste, sechs weitere folgten, nach einem Muster, das für viele Autoren gilt: Im Prinzip war es stets das gleiche Buch, eine Teil-Biografie mit aktuellen Bezügen.

Das ist nun beim vier Jahre nach seinem Tod zum 90. Geburtstag erschienenen Werk "Was aber bleibt" zwangsläufig anders, ebenso wie das Procedere. Wie immer in Hildebrandts "Laden", der Lach- und Schießgesellschaft, vorgestellt, konnte diesmal weder der Autor noch sein ebenfalls vor einigen Jahren gestorbener Verleger Karl Blessing zur Tat schreiten. Stattdessen las der Schauspieler Walter Sittler, und die Einleitung sprach Hildebrandts treuer Lektor Rolf Cyriax, der sich zusammen mit Renate Hildebrandt auch um die Auswahl der Texte gekümmert hatte.

Ein repräsentativer Querschnitt, eine Art Werkschau also ist "Was aber bleibt". Alle wichtigen Stationen sind vertreten, von den studentischen Anfängen (etwa mit dem an Brecht erinnernden Gedicht "Die gebrannten Kinder") und den Klassikern aus der frühen Lach- und Schieß-Zeit über Texte aus "Notizen aus der Provinz" und dem "Scheibenwischer" (die beiden Formate, die die TV-Satire revolutionierten) bis zu späten Buchtexten und kurzen Charakterisierungen von Freunden und Kombattanten wie Gegnern und Neidern.

Der Person Dieter Hildebrandt kommt man beim Lesen dieses Buches vielleicht weniger nahe als bei den früheren Büchern. Dafür bekommt man nicht nur einen tieferen Einblick in sein von Gerechtigkeitssinn und Aufklärung durchdrungenes Denken, sondern auch ein kleines politisches Schwarzbuch der Bundesrepublik Deutschland. Wie bei anderen großen Autoren der politischen Satire ist es erschreckend, wie aktuell viele der Themen und Erregungen geblieben sind. Und wer beim Lesen doch Hildebrandts unnachahmlichen Vortrag vermisst, der sollte sich zur Linderung des Phantomschmerzes eine Lesung von Walter Sittler anschauen: Erstaunlich, wie der à la "method acting" Hildebrandts Duktus und Gestik wiederaufleben lässt, indem er in ihn hineinschlüpft, ohne ihn zu kopieren.

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