Salzburger Festspiele:Jährlich grüßt das Superweib

Mal ist die Buhlschaft die feinfühlige Verführerin, mal das dralle Vollweib und nun erneut Brigitte Hobmeier als frivole Sexbombe. Die kleinste große Rolle der Theatergeschichte wird traditionell von den begehrtesten Schauspielerinnen gespielt.

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Salzburg Jedermann Brigitte Hobmeier Cornelius Obonya

Quelle: REUTERS

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Mal die feinfühlige Verführerin, mal das dralle Vollweib und nun die frivole Sexbombe: Die Buhlschaft im "Jedermann" wurde schon vielseitig interpretiert. Zum zweiten Mal in Folge ist Brigitte Hobmeier bei den Salzburger Festspielen besetzt. Es ist keine tragende Rolle - doch sie wird traditionell von den schönsten und/oder begabtesten Schauspielerinnen gespielt.

Es ist wohl die kleinste große Rolle der Theatergeschichte. Die Buhlschaft in Hugo von Hofmannsthals "Jedermann" hat nur etwa 40 Zeilen Text. Trotzdem reißen sich Schauspielerinnen schon seit Jahrzehnten um diesen Part. Die Crème de la Crème der deutschsprachigen Fernseh- und Theaterwelt gibt sich hier die Klinke in die Hand.

Was aber muss man für diese Rolle mitbringen? Schön muss die Buhlschaft sein, das ist unumstritten. Ein gewisser Mindest-Dekolletéumfang scheint nicht zu schaden, dazu ist es durchaus förderlich, wenn die jeweilige Geliebte des Jedermanns auch außerhalb Salzburgs in den Schlagzeilen steht - sei es nun wegen ihres schauspielerischen Könnens oder wegen unwichtigerer persönlicher Details.

Die Rolle an sich ist eher simpel: Die Buhlschaft wird von ihrem geldgierigen Geliebten Jedermann angefleht, ihn in den Tod zu begleiten, entscheidet sich aber lieber für das Leben ohne den Mann.

So weit, so gut. Zuschauer, Kritiker und manchmal auch die Schauspielerinnen selbst sind sich aber einig, dass Buhlschaft keineswegs gleich Buhlschaft ist. Naiv oder hellsichtig, wild und aufreizend oder erotisch-unterkühlt - jede bringt eine andere Facette zum Vorschein: eine Salzburger Zeitreise.

Buhlschaft

Quelle: AP

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Seit 1920 wird der Jedermann in Salzburg aufgeführt, und schon immer wurde die Buhlschaft hochkarätig besetzt. Mit zunehmender Popularität von Film und Fernsehen wuchs das Interesse an der Geliebten des Jedermanns. Die Besetzung der Rolle sollte auffallen.

Mit dem Engagement von Nadja Tiller konnten die Theatermacher sich 1967 der Aufmerksamkeit sicher sein. Nicht nur das Aussehen stimmte (1949 wurde Tiller zur Miss Austria gewählt), auch künstlerisch konnte die Schauspielerin einiges vorweisen: Nachdem sie 1954 in Sie erstmals als verführerische femme fatale in Erscheinung getreten war, sorgte sie 1958 für Schlagzeilen: In dem Skandalfilm Das Mädchen Rosemarie spielte sie die Edelprostituierte Rosemaire Nitribitt.

Tiller spielte in französischen, italienischen, amerikanischen und britischen Filmen mit und arbeitete unter anderem mit Jean Gabin (Im Mantel der Nacht 1958), Jean-Paul Belmondo (Rififi in Paris 1965) oder Roberto Rossellini (Anima nera) zusammen. So hing ihr bald ein mondän-verruchtes Image an, zeitweilig galt sie nach Sophie Lauren als die erotischste Frau des europäischen Films - beste Voraussetzung also für eine Berufung nach Salzburg.

Christiane Hörbiger als Buhlschaft

Quelle: Salzburger Festspiele / Steinmetz

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Mit Christiane Hörbiger, die von 1969 bis 1972 die Rolle übernahm, entschied man sich wieder für eine klassische Theaterschauspielerin - erst später wurde sie ein Fernseh-Star. Zwar hatte die aus einer Schauspielerfamilie stammende Hörbiger auch damals schon Filme gemacht - 1958 etwa Immer die Radfahrer an der Seite von Heinz Erhardt - doch waren es vor allem die Bühnenrollen, für die sie geschätzt wurde. Am Max-Reinhardt-Seminar in Wien ausgebildet, war sie bei den Salzburger Festspielen sozusagen schon ein alter Hase: Bereits 1961 spielte sie hier das Lottchen in Raimunds Bauer und Millionär und Anoinnette Hechinger in Hofmannsthals Der Schwierige. Die Buhlschaft dürfte ihr somit wohl schon fast wie eine Unterforderung vorgekommen sein.

Nicole Heesters als Buhlschaft

Quelle: Salzburger Festspiele / Madner

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Auch Nicole Heesters war eher für die Darstellung ernsthafter Bühnenparts bekannt, als man ihr 1973 anbot, die Buhlschaft zu spielen. Ihr Talent als Charakterschauspielerin stellte sie in zahlreichen klassischen Rollen unter Beweis: Goethe, Tschechow, Shakespeare - all das hatte die Tochter des Schauspielers "Jopi" Heesters schon gespielt, als man sie Anfang der 70er in das weitausgeschnittene Kleid steckte und den Jedermann verführen ließ. Was ansonsten bei der Analyse der frühen Buhlschaften auffällt: Es schadete kaum, blond zu sein.

Buhlschaft

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Manch einer mag sich schon gewundert haben, wann sie wohl auftaucht: Auch Senta Berger hat selbstverständlich die Rolle der Buhlschaft übernommen. Mit acht Auftritten zwischen 1974 und 1982 ist sie sogar Rekordhalterin. Mit der Berger begann man in Salzburg wieder, sich den großen Leinwandstars zuzuwenden.

Berühmt geworden war Senta Berger mit ihren Filmen, etwa durch Bernahrd Wickis Der brave Soldat Schweijk mit Heinz Rühmann von 1960. In den 60er Jahren zog es sie nach Hollywood, wo sie an der Seite von Größen wie Charlton Heston, Frank Sinatra, Dean Martin, Kirk Douglas, John Wayne und Yul Brynner brillierte. Aus den Staaten zurückgekehrt beteiligte sie sich 1971 an der von Alice Schwarzer initiierten Medienaktion "Wir haben abgetrieben" und wandte sich vermehrt dem italienischen Kino zu.

Senta Berger verkörperte den Part der Buhlschaft wie keine andere: Erfahren frivol verführte sie den Jedermann so lustvoll, dass man die Verheißung auch noch auf den billigen Plätzen spürte. Wirft man einen Blick auf ihre Filmtitel der frühen 70er-Jahre, wundert es wenig, dass sie wie gemacht für die Rolle schien: Das ausschweifende Leben des Marquis de Sade (1969), Als die Frauen noch Schwänze hatten (1970), Roma Bene - Liebe und Sex in Rom (1971) oder Toll trieben es die alten Germanen (1972).

Senta Berger and Curd Juergens bei den Salzburger Festpielen 1977.

Buhlschaft

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Anfang der 90er konnte man Sunnyi Melles dazu überreden, die Buhlschaft zu mimen. Schon zuvor hatte sie das Theaterpublikum mit verführerischen Frauenrollen beeindrucken können. In den 80er Jahren spielte sie etwa das Gretchen in Dieter Dorns legendärer Münchener Faust-Inszenierung. In Salzburg galt sie als eine besonders kokette, kesse Buhlschaft. Den Zuschauern schien das freche Wesen zu gefallen - immerhin spielte sie die Rolle drei Jahre hintereinander.

Sunnyi Melles 1990 mit Helmut Lohner (r) als Jedermann und Erich Schellow als Tod.

Buhlschaft

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Als die Salzburger 1994 erfuhren, dass Maddalena Crippa die Buhlschaft spielen sollte, gab es zunächst viel Skepsis. Würde die blonde Italienerin tatsächlich die Hofmannsthalschen Knittelverse akzentfrei sprechen können? Sie konnte es und verpasste der Rolle gleich noch ihre ganz eigene Interpretation: Weniger verspielt als ihre Vorgängerin bestach sie mit herbem Charme und stolzer Eleganz. Kritikern schien es, als meine sie es so ernst mit Jedermann, dass sie - anders als das Stück gebietet - ihrem Geliebten im Grunde gerne in den Tod folgen würde.

Jedermann Gert Voss (l) mit Maddalena Crippa 1995.

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Dieses Maß an Aufopferungsbereitschaft ließ Sophie Rois 1998 nicht durchblicken. Die Oberösterreicherin, die sich in den 90er-Jahren besonders mit Inszenierungen an der Berliner Volksbühne unter Regisseuren wie Castorf, Marthaler oder Schlingensief einen Namen gemacht hatte, war dem Salzburger Publikum eindeutig zu vorlaut - und das nicht nur auf der Bühne. Sie provozierte die eingefleischten Jedermann-Fans mit der Aussage, dass das "Sterben des reichen Mannes außerhalb von Salzburg keine Sau interessiert" und mokierte sich noch dazu über den "Titten-Fetischismus" der Salzburger Gesellschaft. Soviel kritischer Geist wurde nicht gern gesehen und so war es keine Überraschung, dass Rois im nächsten Jahr nicht noch mal auf den Domplatz eingeladen wurde.

Buhlschaft

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Die Buhlschaft der Jahrtausendwende, Dörte Lyssewski, war da viel mehr nach dem Geschmack des Salzburger Publikums: "stark und doch zärtlich, standhaft und dabei verletzlich", wie die Kritik schrieb, brachte sie alle nötigen Buhlschaft-Qualitäten mit. An der Seite von Ulrich Tukur durfte sie die Rolle von 1999 bis 2001 insgesamt 26-mal spielen. Mit ihr wurde erneut eine reine Theaterfrau besetzt. Das sollte sich im nächsten Jahr allerdings wieder einmal ändern.

Buhlschaft

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Im Sommer 2002 berief man wieder einen glamourösen Star aus Film und Fernsehen auf den Domplatz: Veronica Ferres. Mit Filmen wie Das Superweib oder Rossini wurde sie Anfang des Millenniums der Männertraum schlechthin. Sie hielt dann auch, was sie versprach: Im zartrosa Seidenkleid umgarnte sie den Jedermann (Peter Simonischek) unter Einsatz aller ihr zur Verfügung stehenden Reize. Nach Senta Berger war sie damit wohl die mit Abstand aufreizendste Buhlschaft. Die Bunte beschrieb die Ferres folgendermaßen: "Veronica Ferres ist sehr körperlich, üppig und barock. Sie ist als Buhlschaft mehr naiv liebendes Vollweib als durchtriebener Vamp."

Buhlschaft

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Dermaßen aufgeheizt, gab es 2005 erstmal eine Abkühlung. Nina Hoss war zwar ebenfalls blond und wunderschön - trotzdem verkörperte sie einen vollkommen anderen Typ als Veronica Ferres. Die FAZ sah in ihr gar "die Anti-Jederfrau": Ein Star, der an Appeal und an Hirn mehr mitbringe, als alle seine Vorgängerinnen - eine freie, autonome Frau eben. Wer Nina Hoss' Karriere bis dahin verfolgt hatte, dürfte sich über diese Neuinterpretation kaum gewundert haben. Die Filme der vielfach ausgezeichneten Schauspielerin - etwa Toter Mann von Christian Petzold oder der Afrikaepos Die weiße Massai - widmeten sich schon damals eher ernsten Themen. Das Mädchen Rosemarie war Nina Hoss übrigens auch schon.

Buhlschaft

Quelle: Getty Images

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Auch Marie Bäumer bestand 2007 darauf "kein Vollweib wie Veronica Ferres" zu sein. Ebenfalls sprach sie sich dagegen aus, sich ihren Busen mittels Korsett "bis an den Ohren kleben" zu lassen. Die anfangs wegen ihrer Ähnlichkeit mit Romy Schneider gefeierte Schauspielerin blieb sich treu. Wie auch schon in ihren erfolgreichsten Filmen Männerpension von 1995 und Der Schuh des Manitu von 2001 geizte sie zwar nicht mit erotischer Ausstrahlung, behielt dabei aber stets eine gewisse natürliche Lässigkeit. Sportlicher als alle Buhlschaften zuvor turnte sie barfuß über die Bühne und ging so als "die wilde Marie" in die Salzburger Annalen ein.

Buhlschaft

Quelle: AFP

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Nicht ganz so ausgelassen ging es 2008 und 2009 mit Sophie von Kessel zu. Die Münchener Schauspielerin war mehr für ein leises, feines Spiel bekannt. Schon das blaue Kleid - in Salzburg eine neue und unerhört gewagte Farbwahl - ließ einen kühleren Ton erwarten. Sie wolle die Rolle "so authentisch und persönlich wie möglich" spielen, kündigte sie an - und erklärte im gleichen Atemzug, dass der ganze Rummel um die Buhlschaft völlig "überdimensional und der Größe der Rolle eigentlich nicht entsprechend" sei. Trotzdem dürfte sie sich über das Angebot gefreut haben. Als Schauspielschülerin war von Kessel schon mal bei der Tischgesellschaft des Jedermanns dabei gewesen - wenn das nicht ein Aufstieg ist. Seien es nur ein 40 Zeilen: Etwas Text ist immer besser als gar kein Text.

Actors Ofczarek and Minichmayr perform on stage during a dress rehearsal of von Hofmannsthal's play Jedermann at Salzburg

Quelle: Reuters

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Und dann Birgit Minichmayr. Sorgen musste man sich eigentlich nicht machen, gilt sie doch als eine der talentiertesten und gefragtesten Theater- und Filmschauspielerinnen im deutschsprachigen Raum.

Als Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater begeistert sie die Kritiker, im Jahr 2009 erhielt sie den Nestroy-Theaterpreis als beste Schauspielerin für die Rolle des Weibs in Schönherrs Der Weibsteufel am Wiener Akademietheater. Und auch im Film ist sie erfolgreich: In Produktionen wie Das Parfüm von Tom Tykwer oder Das weiße Band von Michael Haneke war sie zu sehen. Mit Alle anderen, einem einfühlsamen Porträt der Generation 30 plus, gewann sie sogar 2009 den silbernen Bären der Berlinale. Über die Rolle im Jedermann machte auch sie sich keine Illusionen: "Es ist eine Prestigerolle, aber schauspielerische Herausforderungen warten eher in anderen Stücken", verkündete sie schon vor der Premiere 2010. Die Rolle aber als Hure zu betrachten, sei ihr zu undifferenziert, es reize sie, der Buhlschaft mehr abzutrotzen, sagte sie in einem Interview. Wie lange sie die Rolle spiele, wisse sie noch nicht, aber sie habe ein gutes Gefühl dafür, wann man etwas beenden müsse. "Abgesehen von der Medien-Aufmerksamkeit ist es schließlich eine sehr interessante, differenzierte Rolle, die von sehr vielen herausragenden Kollegen verkörpert wurde", so Minichmayr. Und so kam es dann auch, nach drei Jahren Buhlschaft hört Minichmayr auf.

Salzburg Jedermann Brigitte Hobmeier Cornelius Obonya

Quelle: dpa

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Übernommen hat Brigitte Hobmeier, frivol auf dem Fahrrad. Im vergangenen Jahr gab es gleich mehrere Neubesetzungen im "Jedermann". In der Titelrolle löste der österreichische Burgschauspieler Cornelius Obonya Nicholas Ofzarek ab, als Tod ist nach Ben Becker Peter Lohmeyer zu sehen. Die Inszenierung übernahmen mit dem US-Amerikaner Brian Mertes und dem Briten Julian Crouch erstmals zwei Angelsachsen. Zum zweiten Mal interpretieren sie das "Mysterienspiel" à la Sommernachtstraum mit Maskenspielen, Tanzeinlagen und viel Musik: Und so radelt die Buhlschaft im leichten Sommerkleid unter wildem Gebimmel ihrem Geliebten geradewegs in die Arme. Bald enthüllt Hobmeier kesse Strapse und Glitzersteine am Dekolleté. "Wohin uns die Reise führt, wird sich noch zeigen - und dafür gibt's nicht nur mich, sondern viele Kollegen", sagte die 37-Jährige vor ihrem Engagement in einem Interview.

Das Buhlen um die Rolle wird also wohl weitergehen. Ob blond oder brünett, drall oder dürr: Die Gestalt der Buhlschaft mag wechseln, ihr Stellenwert wird es nicht.

© sueddeutsche.de/kjan
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