Sakro-Pop:Highway zum Himmel

Am Montag startet die Tournee von Xavier Naidoo - nur einer von vielen Musikern, die in ihren Liedern die christliche Botschaft verbreiten. Die Poparbeiter im Weinberg des Herrn versorgen Jugendliche mit sinnsuchenden Texten.

Hinterher wurde Angus Young, Gitarrist der Rockband AC/DC, von einem Journalisten gefragt, woher er seine Wahnsinnsenergie beim Auftritt nehme. Young antwortete: "Entweder von dort oben oder dort unten. Wahrscheinlich von dort unten. Dort oben gibt's keinen Rock'n'Roll." Nachzulesen ist diese Anekdote im Rockhassbuch "Wir wollen nur deine Seele" von Ulrich Bäumer, das 1984 beim Verein Christliche Literatur-Verbreitung Bielefeld erschien.

Xavier Naidoo, AP

Poparbeiter im Weinberg des Herrn: Xavier Naidoo.

(Foto: Foto: AP)

Im Jargon eines spanischen Großinquisitors verteufelt der Autor dort die rebellischen Rockmetaphern à la "Highway to Hell" von AC/DC als okkult. Der Konflikt ist so alt wie Elvis' seinerzeit unerhörter Hüftschwung: Heidenspaß Pop und christliche Botschaft - das ging lange nicht zusammen.

Wenn an diesem Montag Soulstar Xavier Naidoo in Berlin seine nahezu ausverkaufte Deutschlandtour startet, ist er nur der bekannteste Poparbeiter im Weinberg des Herrn. Einer von vielen Musikern, die die lange von der Kirche verloren geglaubte Jugend mit sinnsuchenden Texten versorgen. Dabei macht Sakropop längst nicht mehr an der Genregrenze des ohnehin spirituellen Gospels Halt. Von Hip-Hop bis Heavy Metal reichen die beseelten Stile. Selbst Punker haben den Allmächtigen entdeckt und verbreiten sein Wort, etwa die Hannoveraner Combo Christcore, deren jüngstes Album "Dem Kampfe geweiht" heißt.

Viele der E-Gitarristen Gottes haben den kirchlichen Segen. "Ich würde nicht sagen, dass der Zweck alle Mittel heiligt", sagt Thomas Nowack, Referent beim Verband für christliche Popularmusik in Bayern, "aber es gibt eben eine Botschaft, die frohe Botschaft, und die wird mit den musikalischen Mitteln verbreitet, die der Lebenswirklichkeit der Menschen entspricht."

Der Triumph eines Märtyrers

Nowack sieht diese Entwicklung in einer langen Tradition: Schon die Kirchenkomponisten vor 200 Jahren hätten, frei nach Luther, dem Volk aufs Maul geschaut und Gassenhauer zu sakralem Liedmaterial umgearbeitet: ",Oh, Haupt voll Blut und Wunden' war einst ,Oh, Liebchen fein'."

Xavier Naidoo jedenfalls ist kein Einzelphänomen. Als er 1998 mit seinem ersten Album "Nicht von dieser Welt" herauskam, wurden seine manchmal schrulligen Glaubensbekenntnisse ("Autofahren ist wie ein Gottesdienstbesuch") noch als Verkaufsmasche abgetan. Heute bekennt er immer noch: "Ich glaube an Jesus Christus und an seinen Vater." Von der Amtskirche distanziert er sich. Und eines hat er aus Reaktionen auf seine Missionarsstellung an der Spitze der Charts gelernt: "Wer glaubt, gilt als uncool."

Aber tonnenweise Häme von Musikkritikern und vier Millionen verkaufter Alben später klingt es wie der Triumph eines Märtyrers, wenn Naidoo auf seiner neuen Platte "Telegramm für X" singt: "Dieser Weg wird steinig und schwer. Manche treten dich, manche lieben dich. Doch dieses Leben bietet so viel mehr." Formatradios spielen den Song "Dieser Weg" so regelmäßig wie Stundenläuten.

"Krasseste Revolution aller Zeiten"

Im erfolgverheißenden Zeichen des Kreuzes folgen Naidoo so viele seelsorgerisch tätige deutsche Popkünstler wie nie zuvor, darunter Yvonne Catterfeld, Laith Al-Deen, Patrick Nuo, Rolf Stahlhofen, Allee der Kosmonauten, die Warrios for Christ (W4C) und Sarah Brendel. Aber auch die Basis ist erweckt. Zahlreiche Initiativen, etwa der Verein "Jazz, Rock, Pop in der Kirche" mit Sitz im Hildesheimer Michaeliskloster, fördern den Einsatz von Popmusik vom Gemeindebasar bis zum Gottesdienst, veranstalten Gitarrenworkshops und Partyseminare frei nach einem Titel des Disco-Duos Faithless: "God is a DJ".

In Internetforen wie teensweb.de wird die Anbetungsmusik im Jugendsprech empfohlen: "Liebt Gott leidenschaftlich! Aber tut das bitte mit der Musik, die euch und euren unbekehrten Freunden gefällt! Die krasseste Revolution aller Zeiten begann vor 2000 Jahren."

Der Umsturz in Sachen neuer geistlicher Musik begann Mitte der sechziger Jahre mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Der Gottesdienst öffnete sich dem Pop. Zu Orgel und Gregorianischem Chor kamen zunächst die Wanderklampfe und Lieder wie "Danke für diesen guten Morgen" zum Einsatz. Dieser Sound lockt heute keinen mehr auf die Kirchenbank. "Solche Lieder drücken nicht aus, was sie ausdrücken sollen", findet Thomas Höfling, Referent für Kirchenmusik beim Erzbistum Köln.

"Sie sind so nichtssagend, dass man sie eigentlich gar nicht mehr singen kann." Beim Nachtgebet vor der Abschlussmesse des Papstes beim Kölner Weltjugendtag leitete Höfling den Chor, wobei er Taizé-Gesänge mit Popelementen verband. Gegen Sakrorock hat er nichts: "Die Frage ist nur, ob so was noch in einen Gottesdienst passt."

Schwarzer Jesus

Das Angebot wird jedenfalls immer größer. Inzwischen gibt es sogar eine spezielle Künstlermesse, die Promikon, die vom 4. März an in Mannheim stattfindet. Die Leistungsschau der christlichen Musikszene versammelt 500 Künstler und lobt einen hoch dotierten "Message Music"-Preis aus. In der Jury sitzen unter anderem der Musikmanager Thomas Stein und Deutschrocker Heinz Rudolf Kunze.

In den USA wird Sakropop derweil schon lange an die große Glocke gehängt. Laut Financial Times gehen dort jährlich weit mehr als 50 Millionen Gotteslob-CDs über den Ladentisch, mit dabei etwa die Nu-Metal-Band P. O. D.. Einer ihrer Songs heißt "Abortion is Murder" - Hetze statt Friede, Freude, Flötensolo.

Zurzeit machen jedoch andere Künstler mehr von sich reden. Der frisch mit drei Grammys ausgezeichnete Rapper Kanye West etwa, der kürzlich als schwarzer Jesus auf dem Cover der Zeitschrift Rolling Stone zu sehen war. Und Michael Jackson, der sich angeblich um die Vertonungsrechte von Gedichten Papst Johannes Pauls II. bemüht. Der hatte es zwar nicht wie Papst Benedikt auf ein Megaposter der Bravo geschafft, aber immerhin zum Ruf, der Popmusik nicht abgeneigt gewesen zu sein. Dies sagt jedenfalls ein Mann, der immer in seiner Nähe war: Abtprimas Notker Wolf, der oberste Benediktinermönch. Der spielt in seiner Freizeit E-Gitarre. In einer Rockband.

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