"Sabine Christiansen":Mit den Augen der Anne Will

Wie wäre es, wenn jetzt schon Anne Will am Sonntag für Sabine Christiansen den großen Talk der ARD moderieren würde? Es muss sich was ändern. Ein Versuch.

Peter Luley

Seit zwei Wochen ist bekannt, dass Anne Will den Sendeplatz von Sabine Christiansen übernimmt. Die Amtsinhaberin diskutierte seitdem über Erbschaftsrecht und Abgasverordnungen. Was sie kann und was sie nicht kann, wurde dabei wieder deutlich - Zeit für ein paar konstruktive Änderungsvorschläge.

christiansen will

Hoffnung auf Besserung: Anne Will übernimmt die ARD-Talkshow am Sonntagabend.

(Foto: Foto: dpa)

- "Haben Erben das verdient?" fragte Sabine Christiansen am vorvergangenen Sonntag zur bevorstehenden Steuerrechtsänderung - und gab damit gleichzeitig all jenen eine Losung vor, die versuchen, sich ihre designierte Nachfolgerin in der neuen Rolle vorzustellen. Die Antwortet lautet: Nein, als bloße Stichwortgeberin wäre die Journalistin Anne Will verschenkt. Sie hat eine echte (Karriere-)Chance genauso verdient wie das Publikum eine renovierte Sonntagsrunde. Deshalb: Raus aus der Käseglocke Glaskuppel - Mut zu neuem Setting und dem Bruch mit möglichst vielen Ritualen.

- Ja zu Anne Wills bereits geäußertem Vorsatz, weniger Politiker und Funktionäre einzuladen und bei der Gästewahl stärker auf Substanz und Anliegen als auf Prominenz zu setzen. Überhaupt: Bitte keine penibel paritätisch austarierten Großrunden mehr, wo alle Teilnehmer zwei, drei Statements abgeben dürfen, die Sendezeit so von allein bestreiten und man am Ende genauso schlau wie vorher ist. Wir haben genug Lafontaine, Gysi, Wowereit & Co. gesehen - weniger, dafür unverbrauchte Gesichter und Standpunkte, bitte!

- Nein zu jeglichen diffusen Klangfarbenlehren und Kuschel-Talkvorgaben wegen Wochenanfang, "Tatort"-Publikum und Ähnlichem. Wer sich entscheidet, sonntags um 21.45 Uhr einen aktuellen gesellschaftspolitischen Talk anzuschauen, möchte auch eine relevante Diskussion darüber bekommen - wer nur noch Berieselung zum Einschlafen wünscht, muss Anderes gucken.

Eine Einführung, aber ordentlich

- In Sachen Relevanz: Ist diese wie am gestrigen Sonntag beim Thema Klimawandel und Emissionsschutz gegeben, bedarf es keiner boulevardesk-stilprägenden Verpackung à la "Deutsche Autos - mit Bleifuß in den Klima-GAU?". Auch auf die permanente Beschwörung von nationalem Untergang und Sozialneid, anschließend garniert mit Tröstungssoße, verzichten wir gern - ebenso wie auf Stammtisch-Proporz und Gäste wie den Tuning-Messenveranstalter Andreas Füllhorn, der argumentierte, ein Tempolimit auf Autobahnen sei für ihn "zeitlich" nicht zu schaffen.

- Keine Schande dagegen: Eine ordentliche Einführung in die Thematik. Wenn es um so komplexe Sachverhalte wie Karlsruher Gesetzesänderungsvorgaben oder Brüsseler Emissionsschutzziele ("Euro 5, Euro 6") geht, wäre statt Wabern im Ungefähren ein kurzes Update zur Lage bzw. ein Begriffserklärungs-Glossar wünschenswert. Auch ein wenig Nachhaken im "Hart, aber fair"-Stil von Frank Plasberg könnte nicht schaden: wirkt gut als Floskeldämmer und Worthülsenvermeider - und wäre im besten Sinne populär gedacht. Das ist Anne Will gut zuzutrauen.

- Grafiken und Schaubilder können helfen. Dann sollten sie allerdings nicht ausgerechnet ein populistisches, vergleichendes Säulendiagramm über den CO2-Ausstoß von Ministerdienstwagen präsentieren, sondern vielleicht eines über die des Durchschnittsbürgers

- Nicht mit verzerrter Miene das Gespräch abwürgen, wenn es kontrovers oder und komplex wird. "Wir wollen jetzt nicht in die Tiefe der Präriegrasantriebsstoffe kommen", wiegelte Sabine Christiansen am Sonntag ab, als Renate Künast darauf hinwies, dass auch Biokraftstoffe begrenzte Ressourcen seien. Doch, wir würden schon in die Tiefe kommen wollen - wenn vorher eine Einführung geleistet wurde, geht das ganz bedenkenlos.

- Gewisse Traditionen dürfen natürlich erhalten bleiben. Zum Beispiel die Gepflogenheit gelegentlicher Zweier-Runden. Anne Will mit Altkanzler Schröder über dessen vielfältige Aktivitäten als Elder Statesman oder mit Edmund Stoiber über seinen langen Abgang - das wäre sicherlich nicht zu verachten. Das berühmte Will' sche Augenbrauenlupfen darf dann auch gern zum Einsatz kommen. Wo schon die "Tagesthemen" künftig ohne auskommen müssen.

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