Sabine Christiansen hört auf:Die schönsten Waden der Nation

Sabine Christiansen geht, Günther Jauch kommt. Nach Harald Schmidt soll so ein weiterer Star des werbefinanzierten Fernsehens zurück in die ARD wechseln. Doch die Sache wirkt unausgegoren.

Hans-Jürgen Jakobs

Es waren jeden Sonntagabend die schönsten Waden der Nation. Oft moderierte sie, nach dem Tatort, im Kostüm und kreuzte elegant die Beine. Mit Sabine Christiansen begann für viele Deutsche seit 1998 die Woche, und meist waren es Politiker aller Parteien, die sich auf den Stahlrohrstühlchen ein verbales Schaugefecht liefern.

Sabine Christiansen hört auf: Sie hat vor einigen Wochen mit ihrem Liebesglück wieder Schlagzeilen auf dem Boulevard gemacht.

Sie hat vor einigen Wochen mit ihrem Liebesglück wieder Schlagzeilen auf dem Boulevard gemacht.

(Foto: Foto: dpa)

Spätestens aber seit in Berlin die große Koalition regiert mit dem Zwang zum großen Konsens, ist es ruhig geworden um die Redestunde im TV-Studio gegenüber der Berliner Gedächtniskirche.

Sabine Christiansen, 48, müht sich nach Kräften, doch der Charme der frühen Jahre ist verblasst. Der Marktanteil bröckelte. Und in der ARD lästern Journalisten, mit solch hohen Quoten wie die von der Krimireihe Tatort im Kreuz hätten sie eine Talkshow auch zum Erfolg gemacht.

"Verlagerung des Lebensmittelpunkts"

Nun geht Christiansen selbst mit dem Rückzug an die Öffentlichkeit. Sie werde nur noch ein Jahr, bis zur Sommerpause 2007, weitermachen, teilt sie mit: "Das habe ich der ARD mitgeteilt." Als Gründe führt sie ihren Moderations-Job bei Global Players auf dem Wirtschaftssender CNBC an, den hier zu Lande kaum einer sehen kann - sowie "im privaten Bereich eine Verlagerung meines Lebensmittelpunktes in Ausland".

Sie hat vor einigen Wochen mit ihrem Liebesglück Schlagzeilen auf dem Boulevard gemacht - es handelt sich um einen französischen Jeans-Hersteller, dessen Produkte sie nun ab und an sonntags trägt. Madame Christiansen zieht es nach Paris.

Die Enthüllung ihres designierten Sonntags-Nachfolgers ist freilich noch spektakulärer als die Meldung von der französischen Vision der Frau, die zum Abschied von der ARD als "Deutschlands Talklady Nummer Eins" angepriesen wird: Es handelt sich um Günther Jauch, den Mann von RTL, der von September 2007 an sonntags ihren Platz einnehmen soll.

"Es ist uns gelungen, nicht nur eines der bekanntesten Fernsehgesichter Deutschlands zu gewinnen, sondern mehr noch einen exzellenten Journalisten", erklärt ARD-Programmdirektor Günter Struve, der die Verhandlungen führt. "Eine Idealbesetzung", so der amtierende ARD-Vorsitzende Thomas Gruber, der im Hauptjob den Bayerischen Rundfunk (BR) leitet: "Schließlich hat er sein Handwerk beim BR gelernt."

Fünfmal Jauch?

Die Süddeutsche Zeitung hatte alle Beteiligten am Freitagmorgen um eine Stellungnahme zu dem sich anbahnenden, geheimen Jauch-Wechsel gebeten. Die Antwort war drei Stunden später eine eilig in die Welt verschickte ARD-Pressemitteilung über den "Stabwechsel beim wichtigsten politischen Talkformat".

Noch freilich gibt es überhaupt keine Verträge. Der SZ erklärte Jauch: Er sei sich mit der ARD einig, den Wechsel von Sabine Christiansen auf ihn im Laufe des Jahres 2007 zu vollziehen.

"Gleichzeitig haben Gespräche über die mögliche Form und Inhalte der Sendung noch gar nicht begonnen. Auch der entsprechende Vertrag muss erst noch verhandelt werden." Und dann schiebt er einen Satz nach, der es in sich hat: "An meiner Tätigkeit für RTL ändert sich aus meiner Sicht nichts."

Die schönsten Waden der Nation

Zur Erinnerung: RTL ist der führende deutsche Privatsender und lebt von Werbeeinnahmen, für die Sendungen mit Moderator Jauch zu zwölf Prozent sorgen. Die ARD ist ein öffentlich-rechtlicher Sender, der von Gebührengeldern lebt und derzeit gegenüber der Politik und der EU-Kommission die Trennschärfe zu den so genannten Kommerzsendern auslobt.

Kann es sein, dass einer wie Struve, 66, dessen Vertrag gerade um ein Jahr bis Frühjahr 2008 verlängert wurde, glaubt, die RTL-Hauptfigur könne zugleich auch ARD-Hauptfigur werden?

Was wird aus Jauchs Werbeverträgen?

Und was wird aus den vielen Werbeverträgen Jauchs? Schon fordert Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin der Grünen, dass Jauch "seine Werbe- und PR-Tätigkeiten beendet". Die Gästelisten des ARD-Talks dürften "nicht dem Gusto seiner Werbepartner angepasst werden."

Aus Jauchs Heimatsender RTL ist zu hören, der beliebte Moderator habe jüngst von sich aus die ARD-Offerte vorgestellt. Darüber sei dann in Ruhe gesprochen worden. "Wir arbeiten seit Jahren hervorragend und sehr erfolgreich zusammen und sind uns einig, diese Zusammenarbeit fortzusetzen", glaubt Senderchefin Anke Schäferkordt.

In einigen Wochen wird das Programm für die Saison 2006/2007 vorgestellt, und da hat Jauch eine tragende Rolle - auch bei Shows wie Typisch Frau, typisch Mann. Folgt man RTL, könnte künftig eine normale deutsche Fernsehjauchwoche so aussehen: Montags, freitags, samstags Wer wird Millionär?, mittwochs Stern-TV, sonntags ARD. Oder ist das ein Trugbild?

Die Erfahrungen solcher Doppel-Tätigkeiten sind negativ: So war der frühere ZDF-Intendant Dieter Stolte froh, als Jauch seine Tätigkeit im Aktuellen Sportstudio einstellte und sich auf seine RTL-Jobs konzentrierte. Nie mehr, verfügte er, dürfe ein prominentes ZDF-Gesicht parallel für Private aktiv sein.

Von der aktuellen ARD-Rochade profitiert der Mainzer Sender jetzt insofern, als Wolfgang Klein, Redaktionschef von Sabine Christiansen, in gleicher Funktion Anfang 2007 zur ZDF-Talkshow Berlin Mitte von Maybrit Illner wechselt.

Ende einer wilden Ehe

So viel Rummel um seine Person ist Jauch, 49, in diesen Tagen vermutlich überhaupt nicht recht. Er ist ganz auf seine Hochzeit am 7. Juli in Potsdam konzentriert. Alles dreht sich ums private Glück, das keinesfalls zum Schauspiel für Boulevardjournalisten werden sollte.

Darauf legt Jauch, einer der populärsten und am besten bezahlten TV-Moderatoren Deutschlands, großen Wert - auch wenn sein Stammsender RTL in Magazinen wie Exclusiv solche Stoffe auswalzt.

Irgendwie ist Jauch, der seine Karriere als Radiomann bei Rias Berlin und beim Bayerischen Rundfunk begann, ein Öffentlich-Rechtlicher geblieben. Irgendwie ist er in der ARD gut vorstellbar. Aber nur exklusiv, nicht als Teilzeitjob.

Die schönsten Waden der Nation

Das wissen auch viele Verantwortliche des Senderverbunds. Im Kreis der Intendanten der großen ARD-Sender hat NDR-Chef Jobst Plog, 65, den Kontakt zu Jauch befördert. Seine Anstalt hat die redaktionelle Hoheit für den Sabine-Christiansen-Sendeplatz und finanziert großteils das Nachfolgeformat. Plog hat schon Kräfte wie Reinhold Beckmann, Jörg Pilawa und Harald Schmidt vom Privatfernsehen zur ARD geholt.

Wenn Jauch wirklich kommt, böte sich zur Produktion dessen eigene Firma I&U an, die für Information und Unterhaltung steht. Jauch hat bei Stern-TV stets betont, er sehe sich als "Journalist", nicht als Unterhalter. Diese leitet und moderiert er nun schon seit 1990. Und auch bei Wer wird Millionär? gibt er seit inzwischen sieben Jahren den sympathischen, manchmal irritierenden Rateonkel.

Wer will schon arm sein, wenn er mal reich war?

Über all die Jahre hat sich Jauch mit RTL und Werbeauftritten viel Vermögen erarbeitet. Wie viele in der Branche plagte ihn die unangenehme Vorstellung, es könne plötzlich im schnelllebigen Mediengeschäft vorbei sein mit dem Ruhm. Wer will schon wieder arm sein, wenn er mal reich war? Jauch gilt als beinharter Verhandler in Vertragsfragen. Mit RTL hat er einen Rahmenvertrag, der mit Moderationen erfüllt wird.

Für einen gewissen Neuanfang spräche viel: Im Juli wird der TV-Star 50. Er hat seine "wilde Ehe" beendet. Er hat viele Jahre jede Woche drei Tage in Köln für RTL malocht und im Hotel gelebt. Und er will als Journalist anerkannt werden, so wie sein Vater Ernst-Alfred, der in Berlin Vize-Chefredakteur der längst eingestellten Zeitung Der Tag sowie zwei Jahrzehnte angesehener Büroleiter der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) war.

Günther Jauch ist viel politischer, als es das Programm von RTL vermuten ließe. Er steht für einen aufgeklärten, neuen Konservativismus, ähnlich wie sein Freund Harald Schmidt, der sich auch wieder in der ARD gut eingerichtet hat.

So also ist die Lage: Ein weiterer Star des werbefinanzierten Fernsehens soll zurück wechseln, und die Zeit der Sonntagslady der ARD geht zu Ende. Aber die Sache wirkt unausgegoren. Und Sabine Christiansen hat für die verbleibenden Monate noch die Hoffnung, dass sich die Politiker doch wieder, bitte, richtig streiten mögen.

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