Russland:Noch ein Unerwünschter

Die Stiftungen von George Soros muss raus aus Russland. Die Generalstaatsanwaltschaft erklärte sie zur "unerwünschten Organisation". Dabei hat der Philanthrop extrem viel für die russische Kultur getan.

Von Tim Neshitov

Hier ist eine kurze Übersicht dessen, was die Open-Society-Stiftungen des amerikanischen Philanthropen George Soros seit 1987 in Russland geleistet haben. Sie werden nun aus dem Land geschmissen, weil die Generalstaatsanwaltschaft in Moskau meint, die Stiftungen würden die "verfassungsmäßige Ordnung Russlands und die Sicherheit des Staates gefährden". George Soros hat sich dazu in der ihm eigenen evolutionsoptimistischen Art geäußert: "Wir sind sicher, dass diese Handlung ein vorübergehender Irrtum ist; das Streben des russischen Volkes nach einer besseren Zukunft kann nicht unterdrückt werden und wird letztendlich Erfolg haben."

Soros kam zum ersten Mal im Jahr 1987 nach Moskau. Er war bereits ein sehr reicher Investor, der in Südafrika, China und seinem Herkunftsland Ungarn Kultur- und Wissenschaftsprojekte unterstützte. Sein erklärtes Ziel: aus autoritären Gesellschaften offene Gesellschaften machen. Während der Perestrojka beschenkte Soros erst einmal russische Forschungsinstitute, Museen und Bibliotheken mit Rechnern, Kopier- und Faxgeräten. Nach dem Ende der Sowjetunion, als für die russische Wissenschaft die große Hungerzeit anbrach, unterstützte er Menschen. Eine Stiftung unter der Leitung des Nobelpreisträgers James Watson (einer der DNA-Entdecker) verteilte in den Neunzigerjahren mehr als 100 Millionen US-Dollar an russische Wissenschaftler. Allein 1993 bekamen 25 000 Forscher ein einmaliges Stipendium von jeweils 500 Euro. Die Vorgehensweise war dabei betont unbürokratisch: Die Kandidaten mussten drei wissenschaftliche Publikationen aus den vergangenen fünf Jahren vorweisen, fertig. Mehr als 120 wissenschaftliche Bibliotheken erneuerten ihre Bestände. Tausende Wissenschaftler konnten an internationalen Konferenzen teilnehmen.

Soros unterstützte Bibliotheken, Wissenschaftler, Kulturmagazine, Schulen und Universitäten

1994 stellte Soros weitere 100 Millionen Euro zur Verfügung, diesmal für Bildung. In einer Zeit, als das Durchschnittsgehalt in Russland bei 17 Dollar lag, zahlte Soros jeden Monat 500 Dollar an Professoren, Schullehrer und Studenten. Aber nur an die besten, und hier gab's harte Auswahlkriterien. Um die besten Schullehrer zu ermitteln, wurden zum Beispiel 340 000 Studenten in ganz Russland befragt.

Weitere 100 Millionen Dollar: Einrichtung von Internetzentren an 33 Hochschulen. Auch gefährdete Kulturzeitschriften wie Nowij Mir, Snamja und Swesda unterstützte Soros. Und Menschenrechtsorganisationen wie Memorial, Agora, Komitee gegen Folter. Und die Regierung in Kiew. Letzteres wird der Hauptgrund sein, warum seine Stiftungen in Russland zu "unerwünschten Organisationen" erklärt wurden. Aber es muss heute keinen Grund geben, um in Russland unerwünscht zu sein.

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