Russische Nazi-Filmklamotte:Nachsitzen im Führerbunker

Eine russische Nazi-Filmklamotte erhitzt die Gemüter - dabei ist "Gitler kaput!" nur ein wohltuend schmutziger kleiner Film mit einem koksenden Führer.

Sonja Zekri

Der Führer ist ein leidenschaftlicher Kokser und seine Satrapen wissen, was ihm Freude macht. Sie hieven eine kleine Nazifigur auf den Tisch, die Hand zum deutschen Gruß erhoben wie eine Slot-Maschine ihren Hebel. Wenn man den Arm herunterdrückt, spuckt sie ein weißes Röllchen aus. Andächtig kniet der Führer vor dem Mini-Nazi, betätigt staunend den Hebel und stößt dann in heiserem Hitlerisch aus: "Dieser Liebreiz!"

Russische Nazi-Filmklamotte: Der sowjetische Top-Spion Schurenburg (Pavel Derevyanko) und seine Sina (Anna Semenovich).

Der sowjetische Top-Spion Schurenburg (Pavel Derevyanko) und seine Sina (Anna Semenovich).

(Foto: Screenshot: www.hitlerkaput.ru)

Das ist, zugegeben, eine der subtileren Szenen in der russischen Nazi-Klamotte "Gitler kaput!". Kurz darauf tobt Hitler (Michail Krylow) in einem wüsten Tanz über eine Karte der Ostfront, auf der deutsche und russische Stellungen mit Kartoffeln markiert sind. Am Ende bleiben von beiden Armeen nur Chips übrig.

Er wälzt sich mit Russlands Society-Kanone Xenia Sobtschak als Eva Braun auf dem Boden. Ein schwuler Bormann (Jurij Stojanow) wiegt sich zu Dean Martin in den Hüften, der Rest der braunen Pest lässt es unter Discokugeln zu Klezmer krachen oder trägt olympiareife Hitler-Gruß-Wettbewerbe aus.

"Gitler kaput!" lacht über die Nazis nicht so künstlerisch wertvoll wie Chaplin, nicht so melancholisch wie Benigni. Die Geschichte des brillanten Sowjet-Spions Olaf Schurenburg, der sich in höchste Nazi-Zirkel einschleicht, ist so zotig und pubertär, als hätte man Mel Brooks, David Zucker und Bully Herbig im Führerbunker nachsitzen lassen.

Es gibt schöne Zitate, auch aus der russischen Filmgeschichte. Denn Regisseur Marjus Wajsberg rechnet auch mit einer sowjetischen Legende ab. Die TV-Serie "Siebzehn Augenblicke des Frühlings" über den Top-Spion und Superdurchblicker Stirlitz gilt als Meisterwerk, ist für Russen aber seit Generationen ein Quell der Heiterkeit.

Für solche feinen Bezüge aber haben Russlands Kommunisten wenig Sinn. Das russische Gedenken ans Dritte Reich ist mindestens so ritualisiert wie das deutsche, nur eben nicht aus Täter-, sondern aus Heldensicht. Der Sieg über Nazi-Deutschland ist jener nationale Opfergang, jene eine gute Tat, auf die sich die gesamte Gesellschaft bis heute einigen kann. Und er wird zusehends leuchtender und unantastbarer, je höher das Gras über Stalingrad wächst - und über dem Gulag.

Verleihverbot

In devotem Patriotismus drehte Nikita Michalkow gerade den zweiten Teil seines Stalinismus-Dramas "Die Sonne, die uns täuscht", in dem ein schlitzäugiger Stalin in Weltretter-Pose auftrumpft. Und abends erörtert derselbe Michalkow im Fernsehen mit Kommunistenchef Gennadij Sjuganow die historischen Verdienste des Völkervaters. Diese sind immerhin groß genug, um Stalin auf die VIP-Liste des Wettbewerbs "Name Russlands" zu bringen.

So kam es nicht völlig unerwartet, als die Petersburger Kommunisten ein Verleihverbot von Wajsbergs Nazi-Nummernrevue forderten und sich an alle "Kommunisten, Patrioten, Veteranen, Jugendorganisationen" und sogar an die Kirche wandten, um sie gegen "Gitler Kaput!" zu mobilisieren.

Die Filmemacher konterten dialektisch mit dem Hinweis, frei nach Marx sei gerade das Lachen der letzte Nagel im Sarg des Faschismus - und aller anderen Ideologien: "Hitler ist kaputt, der Faschismus ist kaputt, der Krieg ist kaputt, der Antisemitismus ist kaputt, der Antiamerikanismus ist kaputt, die Phobien sind kaputt", sagt der Produzent Sergej Liwnew.

Das ist vielleicht ein bisschen optimistisch. Aber in einem Land, das sich seiner Vergangenheit bedient wie eines Theaterfundus, das sich mit sowjetischen oder zaristischen Großtaten schmückt und überhaupt mit allem, was groß und stark aussehen lässt, ist "Gitler kaput!" ein wohltuend schmutziger kleiner Film.

Und ein patriotischer. Wajsbergs aufrechter Sowjetspion Schurenburg (Pawel Derewjanko) leidet ja nicht nur am Dritten Reich, sondern an der Fremde überhaupt. Im Keller seiner Berliner Villa verfolgt er heimlich die Wettervorhersage für Moskau, durch ein falsches Bücherregal betritt er eine Sauna.

Russlands globalisierte Karrieremenschen mögen in London einkaufen oder (wie Wajsberg) in Kalifornien studieren, aber ihre Sehnsucht gilt einem Glas Kwas und gesalzenen Gurken. "Gitler kaput!" hat mit der deutschen Vergangenheit nichts zu tun. Es ist die Liebeserklärung des postsowjetischen Jetsets an seine Heimat.

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