Russinnen gegen die Wehrpflicht:Mädchen, vereinigt euch!

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Ein Künstlergruppe ruft junge Russinnen dazu auf, im Internet mit rosa Herzen und feuchten Augen gegen die Wehrpflicht zu protestieren - ganz aussichtslos ist das nicht.

Hannah Beitzer

Trotzig blickt das kleine Mädchen in Schuluniform in die Kamera. "Wir sind es gewohnt, selbst zu wählen, was wir tun", schleudert es dem Zuschauer entgegen, als wollte es ihm vor die Füße spucken. Dass ein "dummes Gesetz" diese Freiheit einschränken soll, will das Mädchen nicht einsehen. Das Video auf dem Portal devchonki-protiv.ru ist Teil der Protestaktion "Mädchen gegen die Einberufung", zu der die Künstlergruppe "Swoj 2000" aufgerufen hat.

Liebeskummer als Grund, die Wehrpflicht abzuschaffen: Die Künstlergruppe "Swoj 2000" initiierte die Aktion. (Foto: www.devchonki-protiv.ru)

Die russische Armee ist schon lange berüchtigt für ihre Grausamkeit. Wehrpflichtige werden dort von älteren Rekruten systematisch gequält und erniedrigt. Auf der Internetseite erzählen die zurückgelassenen Mädchen, warum sie gegen die Wehrpflicht sind. "Ich bin dagegen, dass mein Freund in Gefahr gerät", heißt es in einem der Clips.

Die Mädchen warten mit großen roten Pappmaschee-Herzen, durch die ein schwarzer Riss geht, vergeblich auf die Rückkehr des Freundes, taumeln einsam Eisenbahngleise entlang. "Ich liebe meinen Freund und will nicht ohne ihn sein", gesteht ein Mädchen mit großen, tränenfeuchten Augen.

Niedliche Hündchen

Dieser Eindruck kindlich-romantischer Naivität wird durch die knallrosa Farbe der Seite, durch niedliche Comicfiguren, Hündchen und Luftballons verstärkt. Politisch sind die Statements der Mädchen eher nicht, stattdessen soll der Liebeskummer als Grund dienen, die Wehrpflicht abzuschaffen.

Doch gerade darin liegt die Stärke der Aktion von "Swoj 2000". Die Frau gilt in Russland als Beschützerin und Bewahrerin der Familie. Ihre Liebe ist unangreifbar und kann im Gegensatz zu politischem Pazifismus selten unpatriotisch sein. Sie sieht sich keinerlei Rechtfertigungszwang ausgesetzt.

Das half russischen Wehrpflichtigen schon während der Tschetschenienkriege. Damals holten besorgte Mütter ihre halbwüchsigen Söhne eigenhändig von der Front nach Hause und versteckten sie. Die aus dieser Bewegung entstandene Organisation der "Soldatenmütter" war um die Jahrtausendwende eine der bekanntesten Nichtregierungsorganisationen Russlands.

Nach ihren Müttern machen sich also nun die Freundinnen für die Wehrpflichtigen stark: "Mädchen, vereinigt euch!" heißt es auf devchonki-protiv.ru in Anlehnung an die alte kommunistische Kampfparole.

© SZ vom 04.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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