Rupert Murdoch: Biographie:"Kaufen ist einfacher als reden"

Murdoch-Biograph Michael Wolff erzählt, wie der Medientycoon die Welt durch die Kriegs-Brille sieht, wen er verachtet und warum er ein schüchterner Typ ist.

G. Schön

Der New Yorker Michael Wolff, Kolumnist bei Vanity Fair, ist der erste Biograph Rupert Murdochs, der beinahe unbegrenzten Zugang zu dem Medienunternehmer, seiner Familie und seinen Managern erhielt. Murdoch, 77, dem unter anderem der Fernsehsender Fox News gehört und der 2007 das Verlagshaus Dow Jones (Wall Street Journal) kaufte, beherrscht inzwischen auch den deutschen Pay TV Sender Premiere. Wolff wurde 2004 mit seinem Buch Autumn of the Moguls bekannt, in dem er die Vereinnahmung des Mediengeschäftes durch wenige Mächtige beschrieb. Für die Biographie The Man Who Owns the News (Broadway Books), die gerade in den USA herauskam, interviewte er Murdoch 50 Stunden lang.

Rupert Murdoch: Biographie: Altmodischer Gatte: Rupert Murdoch und seine Frau Wendi Deng im Juli 2008.

Altmodischer Gatte: Rupert Murdoch und seine Frau Wendi Deng im Juli 2008.

(Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Wolff, wie schwer war es, Zugang zu Rupert Murdoch und seinen Vertrauten zu bekommen?

Michael Wolff: Es war bemerkenswert einfach. Er war an einem Punkt angekommen, an dem er völlig offen dafür war. Das ist sein Stil: nicht viel über etwas nachdenken. Entweder es ist ein Ja oder ein Nein. Er hat sich nicht viel Gedanken darüber gemacht, welche Art von Biographie es werden könnte oder dass er gar darin über sein Leben sinnieren würde. Aber er hat mir viele Türen geöffnet und ließ mich in seinem Büro sitzen und ihn ausfragen.

SZ: Sie glaubten anfänglich, dass er Sie deshalb bevorzugte, weil er Sie für genauso zynisch gegenüber den Medien hielt wie er selbst es ist.

Wolff: Ich glaube, er hat gemerkt, dass mein Zynismus selbst Rupert Murdoch einschließt, und das fand er verletzend. Aber wie gesagt, er reagiert beinahe reflexartig, er denkt nicht viel und nicht besonders lange über irgendetwas nach.

SZ: Sie haben früher einmal ein bisschen für Murdoch geschwärmt, ist das auch jetzt noch so?

Wolff: Ja, schon. Was mich an ihm fasziniert, ist, dass er immer genau das getan hat, was er wollte und sich nie an die gängigen Weisheiten gehalten hat. Das fand ich immer fast ein bisschen heroisch.

SZ: Sie schreiben in Ihrem Buch, die Zeitungskrise sei ein Vorteil für Murdoch. Warum?

Wolff: Er ist dadurch in der Lage, Besitztümer zu kaufen, die sonst nicht in seiner Reichweite wären - wie etwa das Wall Street Journal und möglicherweise die New York Times.

SZ: Hat er Ihnen das gesagt?

Wolff: Ich bin sicher, dass er die Times haben will, er hat ständig darüber gesprochen. Er saß da und hat in meiner Gegenwart Pläne geschmiedet, wie er vorgehen könnte.

SZ: Was halten Sie davon?

Wolff: Es wäre gut für ihn. Die Times Company ist eines der letzten großen Zeitungsbesitztümer. Wenn man davon ausgeht, dass er immer die beste Zeitung in einem gegebenen Markt kaufen will, dann hätte er damit die beste Zeitung im besten Markt der Welt.

SZ: Das würde die Meinung vieler Beobachter bestätigen, dass er sich verändert hat: Von einem, der den Anspruch der Zeitungen ruinierte, zum Retter des Journalismus?

Wolff: Ich glaube nicht, dass er das so sehen würde, weil er sich nicht wirklich um den Journalismus schert. Es sind Zeitungen, die ihm wichtig sind, und er trennt klar zwischen einem Journalisten und einem Zeitungsmann. Journalismus ist für ihn nur ein Element des Geschäfts, und nicht unbedingt das wichtigste.

SZ: Sie haben geschrieben, dass er dabei sei, seine "Boulevard-Seele" abzulegen. Passt das?

Wolff: Sehr gut sogar. Der Kauf des Wall Street Journal zeigt, dass er nur noch das Beste haben will. Das Journal ist mit Sicherheit kein Klatschblatt.

SZ: Welche seiner Eigenschaften sind seinem Geschäft zuträglich?

Wolff: Er ist extrem konkurrenzbetont. Er sieht die Welt durch eine Kriegs-Brille. Ob es um den Zeitungskrieg zwischen der New York Post und der New York Daily News geht oder um BSkyB gegen BBC. Und wenn es um Fox News geht, dann ist CNN sein Feind. Das hat ihn immer angetrieben. Aber er ist im Kern ein Zeitungsmann. Er mag Filmstudios und Fernsehsender kaufen, aber wirklich interessieren sie ihn nicht.

SZ: Eine Ihrer wohl verblüffendsten Enthüllungen über Murdoch ist, dass er Bill O'Reilly, das Aushängeschild seines konservativen Nachrichtensenders Fox News, verachtet.

Wolff: Er mag ihn nicht, er hält ihn für einen Angeber und ein Großmaul und unterscheidet sich in jeder Hinsicht von ihm. Murdoch hat keinerlei Sympathie für ihn. Aber O'Reilly verdient eine Menge Geld für Murdoch, darauf kommt es ihm an. Also muss er ihn tolerieren.

SZ: Wie geht er mit der gegenwärtigen Wirtschaftskrise um? War er vorbereitet?

Wolff: Er hat sich viel damit auseinandergesetzt und sagte zu mir, es wird schlimmer, als man annimmt. Er hat eine Zeitlang darüber nachgedacht, in das Immobiliengeschäft in Manhattan einzusteigen und zog sich vor einem Jahr daraus zurück, weil er glaubte, dass sich die Situation dramatisch verschlechtern würde. Er bewies eine gewisse Voraussicht.

SZ: Wohin geht seine internationale Strategie?

Wolff: Er hat sich in den zugänglichsten asiatischen Märkten etabliert und engagiert sich weiter in aufgeschlossenen Ländern in Europa. Sein Pay-TV-Deal in Italien war unglaublich erfolgreich, BSkyB läuft gut, und er will sich mehr in Osteuropa ausbreiten. Nicht dass er dort schon großartig Fuß gefasst hätte, aber die News Corporation ist an allen internationalen Märkten interessiert, in denen man Geld verdienen kann.

SZ: Ist Murdoch ein Unternehmer-Tyrann oder hört er auf seine Manager?

Wolff: Ich würde sagen, dass seine Manager vor allen Dingen darauf achten, was er will. Die Entscheidungen bei der News Corporation laufen nicht von den Managern zu Murdoch, sondern von Murdoch zu seinen Managern.

SZ: Gilt das auch für seine Kinder?

Wolff: Nein. Seine Kinder sind ihm sehr wichtig. Sie haben großen Einfluss auf ihn. Er will, dass sie ihn mögen.

SZ: Und dennoch weiß man nicht, wer sein Nachfolger sein wird.

Wolff: Doch. Er erzählt allen, dass James irgendwann sein Nachfolger sein wird, und das sehen seine anderen Kinder so. Aber die Betonung liegt dabei auf der Zukunft. Ich glaube, es fing einmal als Witz an, aber inzwischen sagen alle mit ernstem Gesicht, dass es noch 30 oder 40 Jahre dauern wird, bis Rupert aus dem Geschäft ausgeschieden ist. Das ist eine ganz schöne Zeitspanne für einen 77-Jährigen.

SZ: Wie einflussreich ist seine dritte Frau, Wendi Deng?

Wolff: Alle seine Gattinnen hatten eine Menge Einfluss auf ihn. Er ist zu Hause sehr altmodisch, er möchte, dass seine Frauen glücklich sind, und sie dominieren ihn, sofern es nicht um sein Geschäft geht. Ursächlich hängt seine konservative Einstellung mit seiner zweiten Frau Anna zusammen, mit der er 31 Jahre verheiratet war, und die sehr konservative Ansichten vertrat. Wendi ist 38 Jahre jünger als Murdoch, und sie ist sehr liberal. Sie hat ihn politisch verändert. Sie hat ihn in ein ganz neues soziales Umfeld eingeführt. Er umgibt sich jetzt mit liberalen Hollywood-Leuten, und sie hat seine politischen Einstellungen radikal umgekrempelt. Sie war sehr wichtig dabei, seine Beziehung zu Tony Blair zu festigen, sie spielte auch eine Rolle bei seiner offenen Parteinahme für Barack Obama während des amerikanischen Wahlkampfs.

SZ: Zeigt sich diese Wandlung auch in seinen Medien?

Wolff: In gewisser Weise ja, sicherlich spielte das eine Rolle beim Kauf des Wall Street Journal, er wollte einen Gegenpol zu Fox News. Fox ist weiterhin sehr konservativ, aber das hat mehr mit Roger Ailes zu tun, dem Chef von Fox News, als mit Rupert Murdoch. Murdoch ist von Fox News zunehmend peinlich berührt. Aber er macht damit eine Menge Geld, und das ist seine Priorität.

SZ: Murdoch wirkt in Ihrem Buch wie ein schüchterner Mann, ist das so?

Wolff: Ja, er ist sehr unbeholfen.

SZ: Wie passt das zu seinem Image als offensiver Businessmann?

Wolff: Das ist kein Widerspruch. Seine Art mit Menschen umzugehen drückt sich durch seinen Ehrgeiz aus. Er mag nicht sehr gut im Umgang mit Menschen sein, aber er kann sie kaufen. Das ist einfacher für ihn, als mit ihnen zu reden.

SZ: Was ist Ihr nächstes Projekt?

Wolff: Während ich über Murdoch recherchierte, habe ich ein eigenes Unternehmen aufgebaut, die Webseite Newser.com. Wir verlinken dort interessante Medienberichte statt die Priorität auf selbst recherchierte Stories zu legen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Zeitungen machen, mehr noch, es untergräbt das Zeitungsgeschäft.

SZ: Sie werden also ein Murdoch-Konkurrent?

Wolff: Ja, genau.

SZ: Fürchtet er sich schon?

Wolff: Er sollte sich fürchten, das habe ich ihm wiederholt gesagt. Die Welt ändert sich, und die Zukunft liegt nicht im Zeitungsgeschäft, aber er sieht das ganz anders. Er repräsentiert das Ende einer Ära, und ich den Anfang eines neuen Abschnitts in den Medien.

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