Rumänien:Kühle Karpaten

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Mein Land ist kein Ziel für die Menschen auf der Flucht, es ist nicht einmal ein Transitland. Und das ist nicht das Schlimmste. Sondern die Politik der Nebelkerzen.

Von Filip Florian

Wie in vielen anderen Fällen, in denen Europa sich einem drängendem, ernsthaften Problem gegenübersah, hat Rumänien jetzt, in der Flüchtlingskrise, eine nebelhafte Position eingenommen. Erst vor drei Wochen erklärte Präsident Klaus Johannis: "Wir sind weder ein fremdenfeindliches Land noch ein autistisches oder von den anderen abgetrenntes - wir wollen dazu beitragen, dieses Problem zu lösen." Aber alles, was seitdem passiert ist, scheint ihm zu widersprechen.

Die Regierenden in Bukarest können kaum ihre Genugtuung verbergen, dass die Flüchtlingswelle immer noch an unserem Land vorbeigeht, obwohl unsere Grenze mit Serbien 546 Kilometer lang ist. Die Tatsache, dass Rumänien kein Ziel, nicht einmal ein Transitland ist, besorgt niemanden - obwohl dies klar zeigt, dass die Migranten, die den Nahen Osten oder Afrika verlassen haben, über eine Zukunft in der Nähe der Karpaten nicht einmal nachdenken.

Der Präsident war mal ein Hoffnungsträger: ein Deutscher aus Hermannstadt

Stattdessen dient die Flüchtlingskrise bei uns nur abermals internen Scharmützeln und lautstarken Auseinandersetzungen zwischen Akteuren in der politischen Sackgasse. Unser Ministerpräsident, der Sozialdemokrat Victor Ponta, erst kürzlich wegen Dokumentenfälschung, Geldwäsche und Steuerhinterziehung angeklagt, beeilte sich, Budapests Plan zu kritisieren, entlang der Grenze zu Rumänien einen ebensolchen Zaun zu bauen wie an der zu Serbien.

Sein rhetorischer Angriff ("Das Verhalten ungarischer Offizieller hat nichts mit der europäischen Idee gemein. Mauern, Hunde, Polizisten, Waffen - all das sieht aus wie in den 30er-Jahren") führte zu einem diplomatischen Konflikt, der nicht leicht zu bereinigen sein wird.

Dabei geht es für Ponta um etwas anderes: Er versucht, wenigstens einen Funken Glaubwürdigkeit im Ausland wiederzugewinnen - und zu Hause sein Image zu verbessern; schließlich gibt es noch genug Rumänen mit antiungarischen Ressentiments.

Danach griff Ponta, der sich verzweifelt an das Amt des Regierungschefs klammert, auch noch Präsident Johannis an und versuchte, für den Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs am 22. September die Rolle des rumänischen Vertreters zu reklamieren. Johannis' Antwort kam so prompt wie gnadenlos: "Dieser Ministerpräsident wird niemals am Europäischen Rat teilnehmen."

Aber wofür stand Johannis' Teilnahme am Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs? Kein Zweifel: für eine Enttäuschung. Sein Eintreten gegen bindende Flüchtlingsquoten, an der Seite der Slowakei, Ungarns und Tschechiens enttäuschte selbst seine treuesten Anhänger. Denn die Erinnerung ist frisch, die Tatsachen sind noch nicht vom Staub der Geschichte verdeckt. Johannis, einstmals Bürgermeister von Hermannstadt, wurde vor erst zehn Monaten mit der Hoffnung Präsident, dass ein ethnischer Deutscher, ein Mann aus Transsilvanien, etwas an Rumäniens zögerlicher, orientierungsloser und doppeldeutiger Politik ändern werde. Doch Johannis' letzte Schritte lassen uns befürchten, dass er sich eher den bisherigen Spielregeln anpasst, statt sie drastisch zu ändern.

Filip Florian wurde 1968 in Bukarest geboren. Zuletzt erschien von ihm auf Deutsch "Kleine Finger" (Suhrkamp). Aus dem Rumänischen von Annemarie Sorescu und Florian Hassel.

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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