"Ruhm" im Kino:Lass' klingeln!

Nur wer ihn nicht hat, will ihn haben - Ruhm. So zumindest lautet die These von Daniel Kehlmanns gleichnamigem Roman. Mit dem Mobiltelefon als Leitthema verflechten sich in Isabel Kleefelds Verfilmung Erzählstränge um Schein und Sein, Identitäten und Lebenslügen. Doch während sich die Roman-Vorlage durch Raffinesse auszeichnete, bleibt Kleefeld brav und erdenschwer.

Anke Sterneborg

In Verbindung oder isoliert sein, das ist die Frage, die sich heutzutage schon mit einem Handy entscheiden kann. Teilnehmen am Leben oder sich ausklinken? Mitmachen oder sich verweigern? Dieser Frage ist der Elektroingenieur Joachim lange Zeit aus dem Weg gegangen, doch nun hat er, gedrängt von seiner Frau, den Widerstand aufgegeben und ein Mobiltelefon erstanden.

Ruhm

Julia Koschitz in "Ruhm": Kleefeld arbeitet mit einer Fülle schillernder Schauspieler wie Heino Ferch, Justus von Dohnányi oder Senta Berger, ohne etwas draus zu machen.

(Foto: NFP/ Little Shark/ Martin Menk)

Beim Verlassen des Elektronikmarktes oszilliert sein Gesichtsausdruck zwischen Staunen über den eigenen Mut, Unwillen ob seiner eigenen Nachgiebigkeit und Neugier auf das, was da kommen mag. Und wie Justus von Dohnányi diesen einfachen, ein wenig weltfremden Mann spielt, ganz luftig, ohne zu übertreiben, das hat einen Zauber, von dem man in diesem Film gerne mehr sehen würde. Tatsächlich hat Dohnányi in den letzten Jahren gerade aus eher undankbaren Rollen sehr viel herausgeholt, aus Typen wie dem schwulen Schlagerstar, der in "Männerherzen" seinem vergangenen Ruhm nachhing und dann zuschauen musste, wie ein anderer mit seinem Song groß rauskam.

Um Ruhm dreht sich auch der gleichnamige, episodische Roman, den die fernseherfahrene Isabell Kleefeld in ihrem Kinodebüt verfilmt hat. Zwischen Spiel und Ernst verarbeitete Daniel Kehlmann da in neun Episoden die verschiedenen Facetten seines eigenen Erfolgs nach Erscheinen seines Bestsellers "Die Vermessung der Welt". Die einen haben den Ruhm, die anderen wollen ihn, manche sind ihn leid, die anderen hungern nach ihm: Raffiniert verflocht Kehlmann neun Erzählstränge um Schein und Sein, Lüge und Realität, um Identitäten und Lebenslügen. Indem er die Helden der einen Episode zu Nebenfiguren einer anderen machte, wendete er ein ausgesprochen filmisches Prinzip auf die Literatur an, nach dem Modell von Robert Altmans "Short Cuts" und Alejandro González Iñárritus "Amores Perros".

Umso betrüblicher ist es, dass es Isabell Kleefeld so gar nicht gelingt, diese Raffinesse wieder ins Medium Film zurückzuholen. Sie protzt mit Schauplätzen auf der ganzen Welt, in Köln, Zürich, in der Ukraine, in Argentinien und Mexiko, und mit einer Fülle schillernder Schauspieler wie Heino Ferch, Julia Koschitz und Senta Berger, ohne etwas draus zu machen. Statt sich in die luftigen Sphären des Spiels und der Phantasie zu erheben, bleibt sie brav und erdenschwer auf dem Boden der Wirklichkeit.

Erreichbar sein kann Fluch oder Segen sein

Joachim staunt nicht schlecht, als sein frisch erworbenes Telefon plötzlich in seiner Tasche zu klingeln beginnt. Was er da noch nicht weiß, ist, dass seine Nummer bereits vergeben ist, an den Starschauspieler Ralf Tanner (Heino Ferch). All die schmachtenden Frauenstimmen, die ihn zunächst verschrecken, verwandeln sich langsam in Sirenengesang, der ihn in ein anderes, glamouröseres Leben lockt, von dem wiederum Tanner die Schnauze voll hat.

So nistet sich einer im Leben des anderen ein, eine Journalistin tritt für einen berühmten Autor eine Pressereise in ein fiktives klischeehaft gezeichnetes Ostblockland an, in dem sie machtlos gegen ihre Auflösung ankämpft, weil ihr Name auf keiner Liste steht und der Akku ihres Handys schlapp macht: Erreichbar sein und erreichen zu können, kann identitätsstiftend sein, aber auch identitätsvernichtend. Unterdessen kämpft die Freundin des Autors dagegen, dass er ihr Leben als Rohmaterial seiner Romane missbraucht. Eine der schönsten Ideen kommt im Buch vor, wenn (wie im drei Jahre vorher entstandenen Film "Schräger als Fiktion") eine Romanfigur gegen ihren Autor ums Überleben kämpft.

Dass die vitale, schöne, reife Senta Berger so kurz nach "Satte Farben in Schwarz" wieder eine Selbstmörderin spielen soll, macht die Sache nicht origineller. Kleefelds schönste Idee ist ein Cameo-Auftritt von Kehlmann - als Laudator eines Literaturpreises reiht er Auszüge aus den Kritiken seiner Werke in zusammenhanglosen Worthülsen aneinander.

RUHM, D 2012 - Drehbuch und Regie: Isabel Kleefeld, nach dem gleichnamigen Roman von Daniel Kehlmann. Kamera: Rainer Klausmann. Mit: Senta Berger, Justus von Dohnányi, Heino Ferch, Julia Koschitz. NFP/Warner, 103 Minuten.

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