Romanautorin Rebecca James:In Teufels Küche

Nur einen Tag nachdem das Küchengeschäft von Rebecca James pleiteging, wurde die Verkäuferin reich. Ein Verlag kaufte ihren Erstlingsroman - für eine Million Dollar. Erinnert ihre Geschichte nicht an eine andere Biographie?

Birgit Weidinger

Nur einen Tag nachdem das Küchengeschäft von Rebecca und Hilary James Pleite gegangen war, wurde Rebecca Millionärin. Rebecca James ist 40 Jahre alt und wohnt in der Nähe von Sydney, Australien. Sie hat vier Kinder und schrieb bislang eigentlich eher so nebenher. Ihr Erstlingswerk, ein Thriller, stieß bei Agenten und Verlagen lange auf Ablehnung. Dann kam der 1. Juli 2010.

Romanautorin Rebecca James: Irgendwie kommt einem die Geschichte bekannt vor: Nachdem das Küchengeschäft ihrer Familie pleitegemacht hatte, fand Rebecca James einen Verlag. Doch ihr Roman handelt von keinem Zauberlehrling.

Irgendwie kommt einem die Geschichte bekannt vor: Nachdem das Küchengeschäft ihrer Familie pleitegemacht hatte, fand Rebecca James einen Verlag. Doch ihr Roman handelt von keinem Zauberlehrling.

(Foto: Steve and Julie Campbell)

An diesem Tag kaufte ein Verlag die Rechte an Beautiful Malice - für eine Million Dollar. Die Literaturkritik feiert das Werk, in Australien avancierte es zum Bestseller - und das Wall Street Journal rief Frau James gleich zur neuen Joanne K. Rowling aus. Nur fünf Monate später ist ihre Geschichte weltweit in 36 Ländern erschienen, in Deutschland ist der Roman gerade unter dem Titel Die Wahrheit über Alice in die Läden gekommen; und James selbst reist nun durch die Welt, um in Interviews zu erklären, wie ihr beachtliches Debut gelingen konnte.

In München empfängt die blonde Frau in einem altmodisch-edlen Hotelfoyer. Und allen Fragen nach dem großen Erfolg begegnet sie mit den vermutlich überzeugendsten aller Antworten: Bescheidenheit und Natürlichkeit. Sie trägt einen schwarzen Pullover und kaum Schmuck. Keine Anzeichen von Jetlag. Aufrecht, mit strahlenden Augen und fester Stimme erzählt sie, wie erstaunt sie war über das plötzliche, überwältigende Echo auf ihren Erstling. Rebecca James ist einer jener mädchenhaften Frauentypen, von denen man sagt, sie könnten ohne gekünstelte Attitüde einen Bademantel tragen wie ein Abendkleid - oder umgekehrt.

In ihrem Buch geht es um die schicksalsschwere Begegnung zweier Mädchen, der zurückhaltenden, hübschen Katherine und der glamourösen, auftrumpfenden Alice. Zwischen den Schülerinnen, die eine Highschool in Sydney besuchen, entwickelt sich eine ungleiche Freundschaft. Und die wachsende Nähe zu Alice macht es Katherine immer schwerer, ihr schreckliches Geheimnis zu bewahren. Über parallel angeordnete Spannungsbögen - die Autorin weiß das übliche Thriller-Repertoire aus Lüge, Intrige, Drogen, Tod und sexueller Verstrickung voll auszuschöpfen - bewegt sich der Leser in kalkulierter Atemlosigkeit auf die Enthüllung dieses Geheimnisses zu. Und James darf ganz auf das todsichere Rezept vertrauen, dass man im Lauf der 320 Seiten immer dringender wissen möchte, welche Schuld die arme, sanfte Katherine denn nun auf sich geladen hat.

Das Leben der Neuschriftstellerin Rebecca James verlief im Vergleich deutlich harmloser. Sie habe als Kellnerin gearbeitet, erzählt sie, und als Englischlehrerin in Indonesien und Japan. Sie war Barkeeperin und Telefonistin in London. Nun wird sie von der australischen Presse als "Meisterin des Suspense" gefeiert. Allerlei PR-Agenten tüfteln an ihrem Image. Erinnert ihre Biographie nicht tatsächlich an Joanne K. Rowling, die in den neunziger Jahren eine steile Tellerwäscher-Karriere im Literaturgeschäft startete - nachdem sie für ihren ersten "Harry Potter" endlich einen Verlag gefunden hatte? Ein Vergleich, den wohl jeder Werbestratege bemüht hätte. Doch Rebecca James schränkt den Hype um ihre Person sofort ein: Das Millionen-Honorar werde doch nur in Raten ausbezahlt, betont sie. Und es sei ihr auch recht, dass sie noch unerkannt im Supermarkt einkaufen könne.

Dass sie bei manchen Dingen etwas mehr Zeit brauche als andere, damit habe sie sich abgefunden, sagt James, und blickt ihr Gegenüber mit durchdringend blauen Augen an. Mit ihrem Mann Hilary und ihren vier Söhnen wohnt sie nun draußen auf dem Land. Plötzlich ist sie es allein, die das Geld verdient. Ihr Ehemann versorgt den Haushalt, während sie um die Welt tingelt. "Bis ich neunzig bin, werde ich hoffentlich noch ein paar Bücher geschrieben haben", sagt sie. Es könnte auch heißen: Mit einem Verkauf von Küchenzeilen, der in den Konkurs führt, will sie ab sofort nichts mehr zu tun haben.

Ihr zweites Buch sei in Arbeit, sagt James und nimmt einen großen Schluck Wasser. Es wird wieder ein psychologischer Thriller. Der erste Satz? "Cooper Bartholomew ist tot". Ist Cooper denn nicht ein Nachname? "Vielleicht", sagt Rebecca James. "Man weiß ja nie, wohin sich die Geschichte entwickelt." Dann lacht sie wieder dieses Lachen einer freundlichen australischen Mum, die sich abends, wenn die vier Söhne im Bett sind, vor dem Computer gern ein wenig mit den Abgründen des menschlichen Seins beschäftigt.

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