Roman aus Argentinien:Kuh-Handlung

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Was tun mit der gestohlenen, geerbten Kuh? Das fragt sich der Drehbuchautor Federico in Hernán Ronsinos neuem Roman "Lumbre". Gewalt blitzt immer wieder auf, aus der Zeit der argentinischen Militärdiktatur.

Von Cornelia Fiedler

Gerechtigkeit gibt es nur als Zufallsprodukt in "Lumbre", dem neuen Roman des Argentiniers Hernán Ronsino. Stand am Ende seines spröden, klugen Kurzromans "Letzter Zug nach Buenos Aires" (SZ 7/2012) noch die Aufklärung eines Verbrechens, weht sein Erzählen diesmal ziellos durch Zeit und Raum. Ein Anruf reißt Drehbuchautor Federico Souza aus seinem Alltag in Buenos Aires. Pajarito Lernú, der sympathisch verschrobene alte Freund der Familie, Einzelgänger und Poet mit Psychiatrieerfahrung, wurde tot in einem Straßengraben seiner Heimatstadt Chivilcoy gefunden. Und: Er hat Souza eine gestohlene Kuh vermacht. Der Erzähler reist zurück in eine Welt der schmerzlichen und der wehmütigen Erinnerungen, der schrägen Geschichten, mit denen die Alten versuchen, ihre Deutungshoheit in der abgehängten Industriestadt zu behaupten: Die über den Fast-Radprofi Luna, den sein Rekordversuch im Langzeitfahren fast das Leben kostete, die über ihre kleinen Rollen im großen Kinofilm "Die Schatten der Vergangenheit", der den politischen Mord am Dichter Carlos Ortiz 1910 behandelte.

Immer wieder flackern Momente der Gewalt auf, oft nur als Andeutung: aus der Zeit der Militärdiktatur, der des Kolonialismus - aus einer Geschichte, die oft nicht oder kaum aufgearbeitet ist. Zu vieles gilt hier als normal, Jugendliche etwa, die vor aller Augen Ausländer attackieren oder nachts zum Spaß einen Gleichaltrigen sadistisch quälen. In der flirrenden Hitze menschenleerer Straßen verschwimmen die Erinnerungen, Ronsino verwebt Erzähltes und Verschwiegenes, Albtraum und Erlebtes, ohne, und das macht sein Schreiben so charakteristisch, dass dabei ein verlässliches Muster, eine erlösende Pointe entsteht.

Hernán Ronsino: Lumbre. Aus dem Spanischen von Luis Ruby. bilgerverlag, Zürich 2016. 340 Seiten, 25,80 Euro.

© SZ vom 26.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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