Rolf Hochhuth wird 75:Pinscher, Pius und McKinsey

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Mit dem "Stellvertreter" wurde er weltberühmt, Kanzler Ehrhard nannte ihn einen "Pinscher", zuletzt sorgte er für Wirbel durch ein Interview mit einer Rechtsaußen-Postille. Nun wird der Unruhestifter 75.

Pinscher, Pius und McKinsey sind vielleicht etwas verkürzt die markanten Ecksteine im Leben von Rolf Hochhuth, der als ein Hauptvertreter des so genannten Dokumentartheaters in Deutschland gilt.

Den 75. Geburtstag feiert der aus dem hessischen Eschwege stammende Unruhestifter im Berliner Schlossparktheater mit der deutschen Erstaufführung seines Mozart-Stückes "Nachtmusik".

Als "Pinscher" gehörte er in den 60er Jahren zu den von Bundeskanzler Ludwig Erhard beschimpften Schriftstellern, die es wagten, sich in die frühen sozialen Auseinandersetzungen in der Bundesrepublik einzumischen. Mit manchmal scharfem Ton, der ihm auch den Ruf des Eiferers eingetragen hat, fragt Hochhuth auf der Bühne, in Reden und Essays immer wieder nach der moralischen Verantwortung der politisch Handelnden.

Der Vatikan und Wirtschaftsbosse als "Arbeitsplatzkiller" wurden zu weiteren Angriffszielen, mit denen er von sich reden machte: mit seinem Welterfolg "Der Stellvertreter" (1963) und dem weit weniger erfolgreichen Stück "McKinsey kommt" (2004) über Massenarbeitslosigkeit, Managermacht und Profitgier.

Großes Aufsehen erregte Hochhuth auch mit seinem Wiedervereinigungs- und Treuhand-Stück "Wessis in Weimar" (1993). Jetzt inszeniert am Nationaltheater Weimar Michael Simon Hochhuths "Irrenhauskomödie" mit dem Titel "Heil Hitler", die am 24. Juni 2006 Uraufführung hat.

Hochhuth wird nicht müde, sich ins Gespräch zu bringen - kürzlich etwas als Darsteller in der TV-Serie "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten". Streit brach er unlängst auch vom Zaun, als er den Intendanten des Berliner Ensembles (BE), Claus Peymann, vor die Tür setzten wollte. Freilich vergeblich: Der Dramatiker hat zwar Eigentumsrechte an der BE-Immobilie, bei Personalien jedoch kein Mitspracherecht.

Zuvor hatte sich Hochhuth mit Äußerungen über den britischen Historiker und Holocaust-Leugner David Irving ausgerechnet in der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit den Zorn nicht nur des Zentralrats der Juden zugezogen. Auch wenn Hochhuth klarstellte, er habe "nicht den Rechten das Wort reden wollen".

Abgesehen von solchen Querschüssen hat Hochhuth aber längst seinen Platz in der Theatergeschichte gefunden. Sein erstes Schauspiel "Der Stellvertreter" wurde zu einem Welterfolg und löste heftige Debatten darüber aus, ob sich der Vatikan mit Papst Pius XII. und die katholische Kirche durch Schweigen an der Ermordung von Millionen Juden mitschuldig gemacht haben.

Hochhuth wurde mit einem Schlag einer der erfolgreichsten und umstrittensten deutschen Dramatiker der Nachkriegszeit, ein "Dramatiker, der politische Bomben legt", wie das New York Times Magazin ihn nannte. Allerdings hielten ihm Kritiker manchmal auch eine "hölzerne Sprache" und Neigung zu einer Überfülle von Faktenmaterial in seinen "thesenhaften" Stücken vor.

Dermaßen zerfetzt

Manche seiner Stücke gerieten denn auch zu Flops, wie zum Beispiel "Unbefleckte Empfängnis", das bei der Uraufführung 1989 am Berliner Schiller-Theater sogar einem Bernhard Minetti die Sprache auf offener Bühne verschlug.

Und an sein Stück "Soldaten" (1967) über die Rolle Winston Churchills bei dem Befehl zur totalen Zerbombung deutscher Wohnviertel erinnerte sich Hochhuth später: "Nie wieder wurde von mir ein Stück von der deutschen Kritik dermaßen zerfetzt. Dabei hatten wir 75 ausverkaufte Vorstellungen mit O.E. Hasse, Dieter Borsche und Wolfgang Neuss."

"Politische Bomben"

Aber mit seinen "politischen Bomben" geriet Hochhuth immer wieder ins Schlaglicht der Öffentlichkeit. Seine Recherchen zu seinem Stück "Juristen" (1979) über die Rolle früherer Nazirichter in der Bundesrepublik etwa führten zum Rücktritt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten und ehemaligen Marine-Richters Hans Filbinger.

Und schon vor einem Vierteljahrhundert richtete sich Hochhuths dramatische Wut auch gegen die Ärzteschaft und die Pharmaindustrie ("Ärztinnen", auch von der DDR-Filmgesellschaft Defa verfilmt). Wenn der Dramatiker auf eine politische Wirkung seiner Arbeit angesprochen wird, dann sieht er sie vor allem auch in seinen Reden und Essays zur Tagespolitik oder zu besonderen Anlässen wie dem Schillerjahr 2005 oder schon 1965 mit dem Essay "Der Klassenkampf ist nicht zu Ende" über die soziale Situation der Bundesrepublik.

Rolf Hochhuth pendelte lange Zeit zwischen seinen beiden Wohnsitzen Basel und Berlin. Nach dem Tod seiner Frau verlagerte er seinen Lebensmittelpunkt in die deutsche Hauptstadt. Dort lebt er in einem Plattenbau aus der DDR-Zeit - direkt hinter dem Hotel Adlon.

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