"Rogue One" im Kino:"Star Wars" verfällt dem Zitronen-Prinzip

In "Rogue One" wird jede Idee so lange ausgequetscht, bis man sich nur noch eines wünscht: endlich Frieden im Krieg der Sterne.

Filmkritik von Tobias Kniebe

Was immer die Kriege in der Geschichte des Universums so antreibt - imperialer Größenwahn, unstillbarer Freiheitsdrang, familiäre Konflikte in Herrscherdynastien -, irgendwann wünscht man sich nur noch eins: dass die Sache auch mal zu Ende gehen möge. Bei "Star Wars", der sicherlich am längsten andauernden militärischen Auseinandersetzung, seit es das Blockbuster-Kino gibt, ist dieser Punkt der Erschöpfung nun definitiv erreicht.

Man merkt das recht klar am Anfang von "Rogue One", dem neuen Frontbericht aus den fast schon unendlichen Annalen des Konflikts. Da landet ein Raumschiff auf einem einsamen Wüstenplaneten, ein Trupp Soldaten bringt Tod und Leid, ein Kind wird aus seinem friedlichen Leben herausgerissen, von seinen Eltern getrennt und durch grausame Umstände gezwungen, selbst die Laufbahn des Kriegers - oder in diesem Fall der Kriegerin - einzuschlagen. Man sieht das und denkt sich: nicht schon wieder.

Denn der Effekt soll ja doch ein ganz anderer sein, soll eher an das absurd euphorische Gefühl erinnern, mit dem die jungen Männer vor hundert Jahren vielleicht an die Front zogen: dass da die große Welt ruft, dass da ein junger Mensch aus der Qual der Beschaulichkeit erlöst wird, dass da ein Schicksal wartet und eine Bewährungsprobe und dass in den Auserwählten noch unglaubliche Kräfte schlummern, die sie für die ganz große Heldenreise prädestinieren.

Der vorherrschende Gedanke: Lasst die Kleine doch einfach mal in Ruhe

So war es, wie Millionen und Abermillionen Kinogänger nur allzugut wissen, bei dem jungen Luke Skywalker auf seinem staubigen Planeten Tatooine mit den zwei fahlen Sonnen. Genauso war es auch schon eine Generation zuvor, bei seinem Vater Anakin, und so war es zuletzt, eine Generation später, bei der hochbegabten Schrottsammlerin Rey in den Sanddünen des Planeten Jakku.

Aber wie oft kann man diese Formel wiederholen, bevor sie vollkommen hohl wird, ein zynisches Rekrutierungstool für frisches "Star Wars"-Kanonenfutter und junge Kinogänger in aller Welt? In "Rogue One" jedenfalls wird dasselbe Spiel schon wieder gespielt, diesmal mit einem Mädchen namens Jyn Erso, und der vorherrschende Gedanke ist: Lasst die Kleine doch einfach mal in Ruhe.

null; Rogue One

Wie es aussieht, wenn man Sturmtruppen des bösen Imperiums auf den Malediven filmt, sieht man in dem Film "Rogue One". Gut, dass auch diese Frage geklärt werden konnte.

(Foto: Jonathan Olley/Lucasfilm)

Jyn Erso hat zudem das Pech, dass ihre Geschichte im großen Fluss der "Star Wars"-Saga nur eine Art Fußnote ist. Die übergreifende Linie des Kriegsgeschicks - das böse Imperium baut seinen ersten Todesstern, die guten Rebellen zerstören die Monsterwaffe, das Imperium schlägt zurück, dann wieder die Rebellen, das Imperium baut seinen zweiten Todesstern, die Rebellen zerstören ihn zum zweiten Mal, das Imperium sinnt auf grausame Rache - klingt auch schon recht ermüdend, ist vor allem aber längst anderswo erzählt.

Das Konzept krankt ganz generell

Was fügt "Rogue One" dem noch hinzu? Der Film beantwortet eine Spezialfrage, die eigentlich gar niemand gestellt hatte: Wie genau haben die Rebellen eigentlich die Pläne erbeutet, dank derer vor langer Zeit der erste Todesstern zerstört wurde?

Der Film legt den Verdacht nahe, dass es hier doch nur ums Prinzip Zitrone geht

Jetzt erfährt man also: Es war Jyn Erso, als erwachsene Frau von Felicity Jones gespielt, die diese Mission erfolgreich bewältigt hat. Zusammen mit einem wortkargen Rebellenführer, einem abtrünnigen Frachtpiloten, einem blinden Kung-Fu-Kämpfer, einem umprogrammierten Imperiums-Roboter und noch einigen Mitstreitern mehr. Das Problem ist, dass einem all diese Figuren vollkommen gleichgültig bleiben, inklusive der Anführerin selbst. Ansätze einer Persönlichkeit zeigt allenfalls noch der Roboter, aber auch der kann mit seinen berühmteren Kollegen R2-D2 und C-3PO keinesfalls mithalten. Formal verantwortlich ist dafür der Regisseurs Gareth Edwards, der sich bisher vor allem als Dompteur von Riesenechsen ("Monsters", "Godzilla") hervorgetan hat. Wegen zahlreicher Nachdrehs und Konflikten im Schneideraum ist sein Einfluss auf den fertigen Film allerdings nicht mehr ganz klar.

Klar ist hingegen, woran das Konzept ganz generell krankt. Man hat wohl allen Beteiligten das Gefühl nicht nehmen können, hier nur auf einer Art Nebenschauplatz zu arbeiten, während die große Geschichte woanders weitergeht. Speziell beim Drehbuch wirkt es so, als hätten die Autoren mehr oder weniger lustlos die verbliebenen Leerstellen ausgefüllt, ungefähr wie beim Malen nach Zahlen.

Und man weiß als Zuschauer ja wirklich, dass die Sache mit der Erbeutung der Pläne gelingen wird, andernfalls müsste die Geschichte von "Star Wars" ja umgeschrieben werden. So ertappt man sich während der finalen Schlacht, wo Sturmtruppen und Kampfläufer allzu episch über tropische Strände marschieren, Raumschiffe allzu langwierig einen Schutzschild attackieren und die Heldin allzu umständlich ins imperiale Datenarchiv vordringt, beinah beim Blick auf die Uhr. Ihr wisst doch alle, was hier zu tun ist - jetzt bringt es schon hinter euch!

Es kommt also alles, wie es kommen muss, und wahrscheinlich gilt das auch für die ganze Idee der Disney Studios, George Lucas sein "Star Wars"-Imperium erst für vier Milliarden Dollar abzukaufen und dann durch endloses Weiterspinnen der Saga mindestens doppelt so viele Milliarden wieder einzunehmen. Für einen Moment konnte man glauben, dass das gutgehen würde, weil der erste Film unter Disney-Ägide, J. J. Abrams' "Das Erwachen der Macht", letztes Jahr so überraschend gelungen war. Und weil Kathleen Kennedy, die Lucas zur mächtigen Nachfolgerin erkoren hatte, die Sache im Griff zu haben schien.

"Rogue One" aber legt den Verdacht nahe, dass es hier doch nur ums Prinzip Zitrone geht, bei dem jede verbliebende Idee im Krieg der Sterne so lange ausgequetscht wird, bis man sich nur noch eines wünscht: ewigen Frieden.

Rogue One: A Star Wars Story, USA 2016 - Regie: Gareth Edwards. Buch: Chris Weitz, Tony Gilroy. Kamera: Greig Fraser. Mit Felicity Jones, Diego Luna, Ben Mendelssohn, Forest Whitaker, Riz Ahmed. Verleih: Disney, 134 Minuten.

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