Ringo Starr zum 70.:Der traurige Beatle

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Belächelt und gehänselt: Ringo Starr ist der komischste der Beatles, doch ohne ihn gäbe es sie nicht. An diesem Mittwoch wird Richard Starkey 70 Jahre alt.

Willi Winkler

Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, und der Kinderpsychologe hätte keine Mühe, hier einen Schaden fürs Leben zu diagnostizieren. Einsam wuchs das Kind auf, war dauernd krank und fehlte monatelang in der Schule.

"Ringo Starrs Lächeln anschauen" empfahl Dramatiker Peter Handke seinen Schauspielern. Dabei hatte der Ex-Beatle in seinem Leben selbst nicht immer Grund dazu. (Foto: ap)

In den besseren Kreisen ist es Dostojewski, der dem fiebernden Knaben am Krankenbett gereicht wird, doch der ewig malade Richard Starkey bekam ein Schlagzeug geschenkt. Den Rückstand in der Schule hat er nicht mehr aufgeholt, Dostojewski bestimmt nie gelesen, aber aus dem TB-kranken Kind wurde ein Weltklasse-Trommler, wurde Ringo Starr.

Bei Rory Storm & the Hurricanes saß er klein und verletzlich herum, die Haare zurückgekämmt wie ein Rock'n'Roller, aber dann holten ihn die Beatles und er wurde der unerreichte Meister des backbeat, das Rückgrat der sechziger Jahre.

In seinen "Regeln für die Schauspieler" empfahl der junge Dramatiker Peter Handke 1966: "In dem ersten Beatles-Film Ringo Starrs Lächeln ansehen, in dem Augenblick, da er, nachdem er von den andern gehänselt worden ist, sich an das Schlagzeug setzt und zu trommeln beginnt." In diesem ersten Film, "A Hard Day's Night" (1964), wird Ringo von den anderen so heftig gehänselt, dass er vorübergehend die Band verlässt und sie ihn suchen müssen. Sie mögen sich über ihn lustig machen, weil er so unbedarft ist, aber sie brauchen ihn. Ohne Ringo gibt es keine Beatles.

Gern wird sein musikalischer Beitrag belächelt. Die anderen spendierten ihm pro LP ein seinem bescheidenem Stimmvolumen angepasstes Lied, und wie schlecht er war, konnte jeder hören, als sie sein "I Wanna Be Your Man" den Rolling Stones schenkten, die damit gleich in die Hitparade gelangten. In einer alten Aufnahme aus einem Konzert in Japan, kündigt Paul McCartney dieses Stück unter dem Titel "Ringo" an, denn er singt es mit einer Inbrunst, als müsste er noch mal eine Prüfung bestehen und drischt dazu seinen gefürchteten Beat ins Schlagzeug, dass das Stadion tost.

Das Kind ist gesund und halbwegs erwachsen

Als dann 1970 die Trennung kam, schmerzte sie niemand mehr als Ringo, der ein weiteres Mal seine Familie verlor. Er trat in Filmen auf, brachte Solo-Alben heraus und erlebte mit "Photograph" endlich seinen ersten eigenen Erfolg.

Wem diese dissonanten Quarten keine Tränen entlocken, der hat das Gemüt eines Vorstehhundes und den Verstand eines Zwergkaninchens.1973 ist das erschienen, noch in Hörweite der klassischen Songs der Beatles und grundiert mit der Hoffnung, sie könnten nach der Trennung doch wieder zusammenfinden. Sie fanden zusammen, getrennt, auf dieser, auf Ringos erfolgreichster Solo-LP, die, wie sonst? "Ringo" hieß.

Gesegnet mit der trainierten Leber der englischen Arbeiterklasse legte er dann viele Jahre in reinem Alkohol ein und sich gleich dazu, und nahm in diesem Zustand sogar Platten auf. Kokain musste bald über Durststrecken hinweghelfen, aber er hat sich längst wieder gefangen. Das Kind ist gesund und sogar halbwegs erwachsen geworden.

Heute wird der traurige Beatle, der immer der komischste war, heute wird Ringo Starr siebzig Jahre alt.

© SZ vom 07.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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