Revival:Die Ratten lärmen wieder

Forgotten Rats

Auf zum fröhlichen Pogen: Die "Forgotten Rats" lassen in der Glockenbachwerkstatt die alten Punk-Zeiten wieder aufleben.

(Foto: Forgotten Rats)

Punk aus München war und ist ein lokales Phänomen - aber lebhaft. Die "Forgotten Rats" beweisen das

Von Ralf Dombrowski

Als Punk konnte man in München das Gefühl bekommen, das eigentliche Leben finde anderswo statt. Denn in Düsseldorf gab es den "Ratinger Hof" und dessen musikalische Ursuppe. Hamburg hatte St. Pauli und die Hafenstraße, manchmal ordentliche Randale und die Markthalle als Anlaufstelle für einschlägige Bands, die es über den Ärmelkanal schafften. Berlin war eine Klasse für sich, eingekesselt, autonom, durchgeknallt, mit schrägen Gestalten wie Nina Hagen und Clubs wie "SO36", wo es passieren konnte, dass man beim Pogen in Iggy Pop rauschte. Aber München in den Siebziger- und Achtzigerjahren? Das waren Oktoberfest und die trotz Terror international umjubelten Olympischen Spiele, überall Wohlstand und Tourismus statt Widerstand und Aktionismus. Wenn überhaupt, dann glänzten hier die Disko-Hasen und Schickimickis, die eher am Cocktail schürften als ins Flaschenbier rülpsten.

"München war keine Punkstadt, eher eine Kunststadt. Es war viel zu reich, es gab kaum Arbeitslose," erinnert sich Sigi Hümmer an die Stimmung der Jahre. "Der Boden für Punk, wie es ihn in London, New York, Berlin oder auch im Ruhrgebiet gab, hat gefehlt. Man musste also nicht groß gegen die Polizei oder den Staat rebellieren. Bei uns ging es eher darum, Spaß zu haben." Hümmer muss es wissen, schließlich war er einer der ersten einheimischen Punks, den die Münchner zu sehen bekamen. Infiziert wurde er über Jobs in verschiedenen Plattenläden, wo er Alben von überwiegend britischen Bands in die Hand bekam, die The Clash, The Stranglers, Ultravox oder Sex Pistols hießen und ihre Pubertät nicht über Henna-Haare und Batik-Tücher, sondern ruppiges Rotznasengehabe und etwas zu laut gespielten Rock'n'Roll zelebrierten.

Nachdem er einige dieser Szenegrößen, die sich in den deutschen Süden verirrt hatten, in Clubs wie dem "Downtown", erlebt hatte, versuchte er, seine Begeisterung mit anderen zu teilen. "Ich war dann DJ beim Punk-Montag im 'Mandys', habe für 40 Mark aufgelegt. Die paar Punks, die es gab, kamen vorbei, haben Gaudi gemacht, ein paar Lederschwule waren auch dabei. Irgendwann war dann das Klo zusammengeschlagen, und von da an gab es keinen Punk-Montag mehr. Dann aber hat 1979 das 'Damage' aufgemacht, der einzig echte Punk-Laden in München, noch vor dem 'Lipstick'. Das war die große Zeit." Ein paar Jahre lang hatte Hümmer seinen Spaß, als Bassist und Sänger der Marionetz, und tatsächlich gab es um 1980 sogar so etwas wie eine Szene mit Bands wie ZSD, FSK, FKK Strandwixer, Deutsches Froileinwunder oder Die kleinen Strolche. In der Partyfraktion konnten die United Balls punkten, weit über die Stadt hinaus kam aber kaum eine Band, auch wenn sich bald Großverdiener wie die Ärzte auf die Münchner Fun-Punk-Ära beriefen und damit eigentlich einen Trend hätten lostreten können.

Haben sie aber nicht, und so hat sich bis heute nicht viel an der Situation geändert. Punk in und aus München ist noch immer ein lokales Phänomen, durchaus lebhaft am Lärmen, aber kaum über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt. Selbst die All-Stars von damals bleiben lieber in den kleinen Läden, anstatt mal so richtig ein Hallen-Fass aufzumachen. Die Forgotten Rats zum Beispiel laden an diesem Freitag, 20 Uhr, in die Glockenbachwerkstatt zum fröhlichen Pogen. Neben Sigi Hümmer am Bass gehören der Sänger Daniel Nejmirok, früher ZSD, die Gitarristen Harald Bieling, ehemals Scum, und Stephan Englmann, einst bei Politbüro und Trotzkis Rache, und schließlich Willi Storbeck zu den Ratten, der seit etwa vier Jahrzehnten bei den noch immer in Originalbesetzung existierenden Condom trommelt. Die Band ist eine Zufallsgründung, entstanden für ein Gartenfest auf Initiative von Frank Benedikt von The Schrott, auch eine dieser Szene-Legenden. Alle Beteiligten kennen sich aus den frühen Siebzigern und hingen schon zusammen im 'Damage' in der Geyerstraße ab, als im Schlachthofviertel noch ein klein wenig Subkultur zu ahnen war.

Das Flair der frühen Jahre machte ihnen derart Spaß, dass daraus ein eigenes Programm entstand. Knappe zwei Dutzend Stücke haben sich die Forgotten Rats draufgeschafft, hauptsächlich Cover-Versionen ihrer Lieblingssongs von längst vergessenen Combos wie Sham 69, aber auch Titel von Roxy Music oder T. Rex, die einst an der Grenze von Dröhnung und Authentizität agierten, ergo in Punk-Kreisen akzeptiert waren. Das ist vergnüglich lebendige Erinnerungskultur, hat aber auch Anker in der Gegenwart. Denn die Forgotton Rats teilen sich den Freitagabend mit Nitro Injekzia aus Berlin und den Münchner Keller-Kollegen von Angrier Than You, will heißen: Auf der Bühne der Glockenbachwerkstatt wird es so schnell nicht leise. No fun, no future!

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