Retrokolumne:Aloha heja he

Lesezeit: 2 min

(Foto: N/A)

Achim Reichel hat nicht immer nur "Kuddel Daddel Du"-Musik gemacht, sondern davor recht ausgefuchsten Krautrock. Außerdem sei Holger Czukay mit zwei 80er-Alben empfohlen.

Von Jens-Christian Rabe

Grausige Kuriositäten gibt es in der Geschichte der deutschen Popmusik reichlich. Ziemlich viele davon waren sehr erfolgreiche Schlager. Zum Beispiel Achim Reichels Hit "Aloha heja he" aus dem Jahr 1991 oder seine bizarr verlallte Säufer-Ode "Kuddel Daddel Du" aus dem Jahr 1992. Zeitlose Tiefpunkte germanischer Liedkunst, die einen noch immer mühelos daran erinnern, dass dichten von dicht kommt: "Was kann die Welt dafür / dass ich sie liebe/ Ich lieb sie nur wegen dir / Was kann denn ich dafür / dass die Welt so groß ist / Aber heut' Nacht mein Schatz / geh ich vor Anker bei dir". Seit Mitte der Siebzigerjahre war der 1944 geborene Hamburger Sänger, Komponist und Produzent Achim Reichel mit deutschen Shantys und Schlagern immer bekannter und irgendwann so berühmt geworden, dass sich heute niemand mehr daran erinnert, was er vorher eigentlich gemacht hat: als Mitglied der Beat-Band The Rattles in den Sechzigern etwa eine England-Tour mit einer jungen Rockband namens The R olling Stones und eine Deutschland-Tour mit einer sehr talentierten Popband namens The Be atles - und danach tatsächlich ziemlich ausgefuchsten und alles andere als piefigen Psychedelic und Krautrock, man höre nur die Zehn-CD-Box von A.R. & The Machines mit dem selbstbewussten Titel "The Art Of German Psychedelic (1970-74)". Ja, die beiden Initialen des Bandnamens stehen wirklich für Achim Reichel. Und wenn man sich so durch die Alben hindurch lauscht, ist man erst mal begeistert und bald ziemlich irritiert. Begeistert, weil diese Musik den Vergleich mit von der popistischen Internationale längst heilig gesprochenen Bands wie Can, Amon Düül oder Neu! wirklich selten fürchten muss, eigentlich nie. Die Auflösung der Songstrukturen, die Kraut dem Pop brachte, hat auch hier keine langweilige, selbstverliebte Ziellosigkeit zur Folge, sondern diesen so lässig-hypnotischen Drive, dessen experimentelle Furchtlosigkeit immer noch so verblüffend zeitgenössisch klingt. Einerseits. Andererseits mag man Reichel deshalb doch nicht freisprechen von den musikalischen Untaten, die er später beging. Mit jedem Song wird rätselhafter, wie ein einzelner Mensch einen so krassen Kurswechsel vollziehen und auch noch durchhalten konnte. Vielleicht ist das aber auch die eigentliche grausige Kuriosität im Leben des A.R.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: