Residenztheater:Die Selbstverwalterin

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Christian Erdt, Lisa Wagner und Norman Hacker (von links) in "Die schmutzigen Hände", einem Stück, in das Jean-Paul Sartre 1948 die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs einfließen ließ. (Foto: Julian Baumann)

Als Jessica in Sartres "Die schmutzigen Hände" kehrt Lisa Wagner unter der Regie von Martin Kušej ans Residenztheater zurück

Von Egbert Tholl

Gerade konnte man sie wieder im Fernsehen sehen, vergangenen Samstag, ZDF, beste Sendezeit. Lisa Wagner war mal wieder Kommissarin Heller, klug, eigen, verschroben, geradeheraus und doch sehr zerbrechlich. Auf dem nicht gerade fröhlichen Pfad ihrer Heller-Figur will sie noch ein bisschen weitergehen, will beobachten, was passiert, wenn die wirklich mal am Boden liegt. Wenn die Drehbücher passen. Aber bei denen hat sie ja ein Wörtchen mitzureden.

Doch nun spielt Lisa Wagner erst einmal wieder Theater. Und zwar am Residenztheater, wo sie zehn Jahre lang Teil des Ensembles war. Dieter Dorn hatte sie aus der Schauspielschule, aus der Bayerischen Theaterakademie heraus an sein Haus geholt. Und in den zehn Jahren spielte sie weit mehr als 30 Rollen; anfangs hatte man den Eindruck, sie ist fast in jeder Produktion dabei, dann wurden die Rollen größer - und damit die Stücke weniger. Aber nur ein bisschen weniger.

Dann kam Martin Kušej. Mit ihm hatte sie "ein sehr lustiges Kündigungsgespräch". Weil einerseits verlängerte der neue Intendant ihren Vertrag nicht, andererseits sagte er ihr, er würde gern mit ihr arbeiten. Antwort Wagner: "Martin, das ist doch Quatsch." Schließlich war sie zehn Jahre lang eines der prägenden Gesichter des Hauses gewesen, und außerdem: "Ich wollte mich nach zehn Jahren Dorn nicht sofort wieder in eine feste Beziehung stürzen." Das galt auch für andere Häuser, also drehte sie. Kommissarin Heller, war auch eine Analytikerin im Münchner "Tatort". Und spielte in den fünf Jahren seit ihrem Resi-Abschied einmal Theater, im Metropol, weil dort ihre ehemalige Resi-Kollegin Ulrike Arnold "Unter dem Milchwald" inszenierte.

Sie hat das Theater vermisst. Und sich bewusst diesen Herbst freigehalten. Dann traf Lisa Wagner Martin Kušej auf der Straße, vor einem halben Jahr. Er fragte, wie es denn so aussähe bei ihr, versprach, sie anzurufen, was er am nächsten Tag auch tat, was wiederum Lisa Wagner verdatterte, so sehr, dass sie zuerst gar nicht wusste, wer da am Telefon ist. Und nun spielt sie die Jessica in Sartres Politkrimi "Die schmutzigen Hände", Premiere ist am Samstag im Cuvilliéstheater. Regie führt Martin Kušej.

Passt eh. Lisa Wagner ist eine sehr selbstbestimmte Schauspielerin, die sich ihre eigenen Gedanken über die Rollen macht. Beim Drehen muss man das ohnehin, beim Theaterspielen kann das auch helfen. Wagner handelt eigenverantwortlich, eine Opferhaltung ist ihr fremd. Kušej wiederum, so Wagner, liebe "Schauspieler, die ihre Figur selbst verwalten". Im Grunde war der erste Eindruck bei der Zusammenarbeit genau der, den sie sich vorgestellt hatte. "So wie er ist, ist er."

Martin Kušej könne gut beschreiben, was er bei den Proben sieht, und gut formulieren, wo es hingehen solle. Nur: Wenn was nicht klappt, also in dem Sinn, dass sich etwas bereits Gefundenes nicht ohne weiters wiederherstellen, wiederholen lässt, dann könne er ungeduldig werden wie ein Kind, das seine Schaufel wiederhaben will. Aber nun, im Schauspielen steckt ja auch Spielen.

Ein Gespräch mit Lisa Wagner ist so, als risse man in einem Zimmer alle Fenster auf und der Wind, die frische Luft, bläst hindurch. Wer glaubt, von ihrer Figur der Kommissarin Heller auf sie selbst Rückschlüsse ziehen zu können, der findet bestenfalls eine Anleitung zum staubtrockenen Humor. Alles andere wäre Unsinn. Beim Gespräch in einem Restaurant in der Nähe des Residenztheaters nimmt sie nach dem Fisch noch eine Nachspeise, guckt in die Vitrine und sagt dann dem Kellner: "Ich nehm' diese Schweinerei auf der rechten Seite." Ein Schokokuchen.

Ach, noch einmal kurz zurück zu Kušej. Auf die Frage, was sie von der Diskussion halte, die in den vergangenen zwei Monaten die Feuilletons beschäftigt hat, nämlich, inwieweit das Modell der Intendanten-Patriarchen überholt sei, meint sie nur: "Das war doch Sommerloch-Gossip." Dabei will Lisa Wagner an der Situation von Schauspielern gar nichts schönreden. Aber: "Wir haben uns dafür entschieden. Es ist nun mal kein Beamtenjob." Das hasst sie, einfach weitermachen, damit man etwas macht, ohne es zu hinterfragen. Man nimmt ihr sofort ab, dass sie auch die Kommissarin Heller hinwerfen würde, wenn die Bücher nicht mehr die von ihr ersehnte Qualität haben.

Nun trifft sie am Residenztheater einige Menschen, die sie noch von ihrer Zeit des festen Engagements kennt. Freut sich, meint, ohne die alten Kollegen hätte sie es bei Dorn nicht zehn Jahre ausgehalten und denkt sich nun: "Menschenskinder, die Sommerpause war dieses Jahr aber lang." Gleichzeitig genießt sie es, (erst einmal) nur als Gast engagiert zu sein. Was nach dem Sartre passiert, nun, das wird man sehen. Dennoch ist es lustig, dass sie genau zu dem Zeitpunkt ans Theater zurückkehrt, zu dem ihr Bruder das Münchner Volkstheater verlässt - Max Wagner ist flügge geworden. "Der braucht eine Auszeit, sonst hat er bald keinen Bock mehr auf Theater."

Jetzt müsste man noch erzählen, welche Gedanken sie sich zu Sartres "schmutzigen Händen" macht, ein Stück über Idealismus und politisches Handeln in einer Situation, in der man kaum entscheiden kann, was richtig wäre. Für Wagner spielt da erstens eine Dreiecksbeziehung eine große Rolle, und zweitens interessiert sie sich für die menschliche Motivation. "Fakten kriegen dann eine Relevanz", sagt sie, "wenn sie an eine bestimmte Situation angebunden werden".

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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