Religion:Was ist da zu sehen?

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Im Dom von Turin wird das Grabtuch Christi gezeigt. Aber die Geschichte dieser "Ikone" ist längst die Geschichte einer gigantischen wissenschaftlichen Anstrengung, ihre Wahrheit zu ermitteln.

Von Thomas Steinfeld

Eine Reliquie will die katholische Kirche das Grabtuch von Turin nicht nennen. Eine "Ikone" vielmehr sei der gut vier Meter lange Streifen aus Leinen, der seit dem vergangenen Sonntag wieder einmal in der Kathedrale San Giovanni Battista ausgestellt wird, ein "Geschenk der Hoffnung für Millionen Pilger". Der Erzbischof hatte diese Worte sorgfältig gewählt: Weit davon entfernt, etwas darüber zu sagen, ob das Tuch aus dem späten Mittelalter stammt, wie die Radiokohlenstoffdatierungen des Materials nahelegen, oder tatsächlich den weiten Weg durch zwei Jahrtausende ging, von einem Grab in Judäa über Konstantinopel bis in die Hauptstadt des Piemont, verwandelte er die Frage nach der Authentizität in eine Frage der Einstellung: Für die Menschen, die das Tuch für das tatsächliche Grabtuch Christi halten wollen, soll es nach dem Willen des Erzbischofs das echte Ding sein. Ob Humbug oder nicht: Für die Kirche verfehlt diese Frage ihren Gegenstand, und damit hat sie gar nicht unrecht.

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