Reimesammlung:Der rennende Reim

Eine Sammlung von vergnüglichen Nonsensgedichten aller Art, begleitet von schrägen Illustrationen, die einfach nur allen Spaß macht.

Von nico bleutge

Wenn wir dem Schweizer Autor Jürg Schubiger trauen dürfen, gibt es für jedes Gedicht ein geheimes Element, das seine Teile im Innersten zusammenhält: "Was braucht's für ein Gedicht? / Ein Wort, das reimt, mehr nicht. / Der Reim ist das, was leimt. / So gibt sich Schicht um Schicht". Darüber ließe sich trefflich streiten. Doch vielleicht ist Schubigers Zauberformel etwas, das zumindest für die meisten Kinderverse gilt. Denn der Reim leimt nicht nur, er hilft auch, dass wir uns an Verse und Dinge gut erinnern können. Er bringt die unterschiedlichsten Fantasien zusammen und schenkt uns Momente aus Rhythmus und Klang.

Kein Wunder, dass der Autor und Übersetzer Uwe-Michael Gutzschhahn gleich ein ganzes Buch mit Reim-Gedichten zusammengestellt hat. Der Nonsens-Reim hat es ihm besonders angetan. Dabei spitzt das Nonsens-Gedicht nur zu, was jedes gute Gedicht schon immer macht: Es untergräbt die Frage nach dem Verstehen, spielt mit Widersprüchen und lässt unsere Erwartungen ein ums andere mal ins Leere laufen. Zu fünf Kapiteln nebst Vor- und Nachspiel hat Gutzschhahn die Gedichte komponiert. Vom großen Aufklärer Lessing geht es über Morgenstern und Ringelnatz bis in unsere Gegenwart, von erzählenden Gedichten bis zu Jan Koneffkes "Trippeltrappeltreppe", die von Wiederholungen und Klangspielen lebt und sich nicht nur vorlesen, sondern auch wunderbar - "trippeltrappel / trippeltrappel" - mitsprechen lässt.

Das größte Vergnügen bereitet es vielleicht, sich auf die Jagd nach Reimen zu machen. Wie in Peter Maiwalds Katzengedicht kann der Reim gleich einer Maus davonrennen, und nur der Zufall weiß, ob der Reim sich packen lässt - oder eben nicht: "Und hab ich fast / den Reim erwischt / lacht der mich aus: / Mal wieder nischt."

Nebenbei können wir allerhand Neues erfahren, vor allem über Tiere, es mögen ästhetische Wiesel sein, gestotterte Fische oder der Marabu, wie ihn Ralf Thenior sieht: "Der Marabu ist tierisch eitel. / Er kämmt sich einen Mittelscheitel. / Zwei Haare links, drei Haare rechts, / das macht er flink, ohne Gekrächz." Dem alten Johann Nestroy gelang es einst sogar, ein ganzes Gedicht mit nur einem Rein zu bestreiten. Wie er sich von der "Knute" zum "Mute" und über "tute" und "spute" bis zur "Minute" reimt, ist eine Kunst für sich.

Was indes ein "Regenschwein" sein könnte oder was ein "Warzenwurm", verrät uns Paul Maar in seinem Gedicht. Oder genauer: Er verrät es nicht, sondern führt es uns als Rätsel vor. Bei alledem denke man nicht, ein Gedicht könne wirkungslos sein. Plötzlich mag eine Torte durch die Luft fliegen, oder alle Rappen heißen fortan Bären. Sabine Wilharm hat das Buch sehr schön mit Zeichnungen versehen. Mal findet sie Bilder zu den Geschichten, die uns begegnen, mal löst sie sich von den Versen und lässt die Figuren auf dem Kopf stehen.

Am Ende dieser kleinen großen Reise durch die Welt des Reimes fühlt man sich mit Friedrich Theodor Vischer als ein "weich verpackter, / Ein fein befrackter, / Nicht sehr intakter / Charakter". Und bisweilen ertappt man sich dabei, selber in Reimen zu sprechen oder unter dem Tisch unruhig mit den Füßen zu trippeltrappeln. Es stimmt wohl, was Erich Fried reimte: "So halten Dichter Nabelschau / in unserm Kain- und Abelgau / Den Menschen wie den Kabeljäuen / obliegts dann sich am Reim zu freuen." (ab 6 Jahre und Erwachsene)

Uwe-Michael Gutzschhahn (Hg.): Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her. Das dicke Buch vom Nonsens-Reim. Mit Illustrationen von Sabine Wilharm. cbj 2015. 192 Seiten, 19,99 Euro.

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