Regie:Vom Popcorn-Mädchen zur Zauberin

Regie: Lena-Odenthal-Tatorte oder die Tragikomödie „Alki Alki“ hat der 34-jährige Berliner Axel Ranisch bisher auch inszeniert.

Lena-Odenthal-Tatorte oder die Tragikomödie „Alki Alki“ hat der 34-jährige Berliner Axel Ranisch bisher auch inszeniert.

(Foto: Dennis Pauls)

Der Schauspieler und Filmregisseur Axel Ranisch inszeniert die zweite Festspielpremiere. Die Handlung von Joseph Haydns "Orlando Paladino" verlegte er dafür in ein Kino.

Von Klaus Kalchschmid

Von den 24 Opern Joseph Haydns wurden bis heute nur wenige in München überhaupt gespielt. Die wenigesten der zwischen 1762 und 1791 entstandenen Werke, darunter "Lo Speziale", "Il mondo della Luna", "L'isola disabitata", "Armida", "La fedeltá premiata" und als letztes ein "Orfeo", waren in München zu hören. "Orlando Paladino" aus dem Jahr 1782 aber erlebte bereits im Jahr 1800 im heutigen Cuvilliés-Theater seine Münchner Erstaufführung. Damals auf Deutsch unter dem Titel "Ritter Roland". 2006 folgte in der frech gereimten deutschen Fassung von Dominik Wilgenbus, der auch prall Regie führte, eine Produktion mit jungen Sängern in der Pasinger Fabrik, bearbeitet für die Begleitung durch ein Miniatur-Orchester.

Die diesjährige Opernfestspiel-Premiere unter Leitung von Ivor Bolton mit so großartigen Solisten wie Adela Zaharia, Edwin Crossley-Mercer, Mathial Vidal und Dovlet Nurgeldiyev ist also die Münchner Erstaufführung der italienischen Originalfassung.

Regie führt Axel Ranisch. Der Schauspieler und Filmregisseur hatte bereits einen Doppelabend bei den Opernfestspielen im Theatiner-Kino und im Jahr 2015 in der Reithalle "Pinocchio" inszeniert. Jetzt freut er sich schon "wie Bolle" auf die Arbeit mit den Sängern, denn "die Oper ist der Traum eines jeden Regisseurs, denn es passiert ja gar nicht so viel und deshalb schreit sie gerade nach Zuwendung und einer entschiedenen Regie-Idee, eben weil sie so viele Freiheiten bietet. Ganz anders ist das bei Prokofjews 'Die Liebe zu den drei Orangen', die ich als nächstes in Stuttgart inszeniere. Das ist so perfekt gebaut und ereignisdicht, dass man kaum Spielraum hat und man in jedem Moment schauen muss, wie man dem Stück gerecht wird."

Der erste Akt von "Orlando Paladino" ist dagegen ganz klassische Oper: "Jeder äu-ßert eloquent seine Sehnsüchte, aber kei-ner tut etwas, sie Wirklichkeit werden zu lassen", erklärt Ranisch weiter. Orlando versuche mit allen Mitteln seine Angelica aus den Fängen von Medoro zu befreien, aber kurz bevor es zum Clash komme, richte es die Zauberin Alcina als Dea ex machina und das Stück könnte zu Ende sein. Im zweiten Akt passiert das Gleiche etwas kürzer gefasst dann nochmal, und im noch knapperen dritten ein weiteres Mal."

Bei Haydn finden sich am Ende zwei Paare - bei Ranisch werden es doppelt so viele

Wie bei seinen letzten Münchner Produktionen ist Ranischs Lieblingsschauspieler Heiko Pinkowski neben Gabi Herz wieder dabei - als Betreiber eines Filmtheaters. Die "ganze wilde, freie Geschichte um den Ritter und eine Zauberin, die allerlei merkwürdige Eskapaden in der Handlung schlägt", hat Ranisch in ein schönes altes Programm-Kino verlegt, wo jahrein jahraus jeden Tag ein Stummfilm mit dem Titel 'Angelika und Medoro' gespielt wird - und auch zu sehen sein wird. Aber jetzt auf einmal ist alles anders: mit einem Mal werden alle lebendig, steigen von der Leinwand herab und bevölkern sein Filmtheater. Sogar der Hausmeister und seine Tochter, die immer sauber macht, fangen an zu sin-gen; das Mädchen, das sonst immer gelangweilt die Popcorn-Maschine bedient, wird zur allmächtigen Zauberin Alcina. Der Kinobetreiber ist freilich der einzige, der das alles bemerkt und er erkennt sich in der Figur des Orlando wieder. Und weil das ganze jetzt läuft, nimmt er selbst Einfluss auf die Handlung.

Ranisch hält Haydn mit dem Fazit seiner Oper für moderner als Mozart mit dem Ende von Così fan tutte, wo die komplette Gefühlsverwirrung herrsche, aber doch die alten Verhältnisse wiederhergestellt werden. Also erzählt Ranisch Biografisches von Haydn, der unglücklich verheiratet war und einer Sängerin verzweifelte Liebesbriefe schreibt, der es genauso ergeht: "Am Ende von Orlando Paladino dagegen wird proklamiert, dass es schön wäre, wenn die, die sich lieben dürften, sich auch wirklich lieben. Am Ende finden sich bei Haydn zwei Paare; bei mir sind es doppelt so viele. Denn ich hab' mich ja schon gefragt, warum der lustige Sarazenen-Krieger Rodomonte - bei mir ein Filmstar à la Clark Gable - das ganze Stück lang immer mit seiner Lanze den Orlando bedrängt und bekämpft. Da hab' ich mir gedacht, vielleicht gehören ja die beiden eigentlich zusammen und wissen das nur noch nicht. Und das lasse ich den Kinobetreiber dann im Laufe des Stücks behutsam arrangieren."

Nach seiner Lieblingsnummer in der Oper gefragt, nennt Ranisch sofort die Auftrittsarie der Angelica ("Palpita ad ogni istante il povero mio cor - Mein armes Herz zittert in jedem Augenblick"): "Das ist so unendlich schön und traurig." Aber auch das Duett, in dem Pasquale so "wunderbare Einwürfe wie Ah, Eh, Ih, Oh, Ou" habe, mag Ranisch sehr und man habe sich dafür auch szenisch etwas Schönes ausgedacht.

Auf der Skala zwischen Lena-Odenthal-"Tatorten", die Ranisch schon mehrfach inszeniert hat und seiner Coming-of Age-Filmkomödie "Ich fühle mich Disco" bekommt Orlando Paladino, von Haydn schon "Dramma eroicomico" genannt, eine satte 9,5 in Richtung Komik. Und doch gibt Ranisch zu bedenken, dass "auch der dramatische Gestus, der sich hier oft Bahn bricht, etwas Wunderbares ist und mir, glaube ich, genauso liegt wie das Komödi-antische. Ich habe diese Figuren alle unglaublich gern, all diese Ritter und verzweifelt Liebenden."

Orlando Paladino, Mo./Mi./Fr., 23./25./27. Juli, 19 Uhr, und So., 29. Juli, 17 Uhr, Prinzregententheater, Prinzregentenplatz 12

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