Regensburg:Im Dialog mit Munch und Klee

Das Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg widmet dem unermüdlichen Sammler Alfred Kubin eine Ausstellung, die zeigt, dass er sich von vielen Künstlerkollegen inspirieren hat lassen

Von Sabine Reithmaier, Regensburg

Im Foyer der Ostdeutschen Galerie in Regensburg hängt ein großformatiges Foto. Alfred Kubin wendet darauf dem Betrachter den Rücken zu. Er sitzt vor einem großen Schrank mit ungezählten Fächern, in denen dicht gestapelt Zeichnungen, Grafiken oder Aquarelle liegen. Kubin hat leidenschaftlich Kunst gesammelt. Weniger um die Werke anderer zu besitzen, sondern um sich davon inspirieren zu lassen. Die Dialoge, die sich daraus entwickelten, thematisiert eine Ausstellung in der Ostdeutschen Galerie durch eine direkte Gegenüberstellung der Arbeiten. 114 Zeichnungen Kubins stehen 111 Werke von Künstlern seiner Sammlung gegenüber. Das erlaubt die Entdeckung verblüffender Querverbindungen.

1700 Blätter hat Alfred Kubin gehortet, die frühesten davon aus dem 15. Jahrhundert. Breughel, Cranach, Dürer, Goya oder Hans Baldung Grien sind darunter, aber auch seine Zeitgenossen wie Beckmann, Corinth oder Klee. Manche Grafiken sind in Topzustand erhalten, andere dagegen weisen Gebrauchsspuren auf. Kubin hat sie wohl immer wieder hervorgeholt und - auf seine Weise - mit ihnen gearbeitet.

Der Zeichner hatte über den Umweg einer Fotografenlehre zur Kunst gefunden. Der 1877 im böhmischen Leitmeritz geborene Sohn eines Landvermessers hatte in München studiert und schnell erste Erfolge gefeiert. Von 1906 bis zu seinem Tod 1959 lebte er abgeschieden im oberösterreichischen Zwickledt, einem Dorf im Innviertel, nicht weit entfernt von Passau und der bayerischen Grenze. Die meisten seiner bizarren Zeichnungen und Illustrationen entstanden hier. Seine "Arche", wie er das kleine Schlösschen nannte, verließ er nur ungern, lieber bannte er seine Wahnvorstellungen und Albträume aufs Papier. Er las viel - 50 Bücher aus seiner über 5000 Bücher umfassenden, noch heute bestehenden Bibliothek zeugen davon.

Trotz seines abgeschiedenen Lebens riss der Kontakt zur Kunstszene nie ab. Überraschend, dass es zwischen dem späteren Bauhaus-Maler Lyonel Feininger und Alfred Kubin eine enge Freundschaft gab. Von 1912 bis 1919 korrespondierten die beiden, tauschten sich offen über ihre Arbeit und ihre Ängste aus. Feininger kannte man bis zu diesem Zeitpunkt nur als Karikaturisten, er arbeitete für dieselben Zeitschriften wie Kubin. Schließlich tauschten sie sogar Kunstwerke aus.

Kubin sammelte nicht wahllos, sondern erwarb gezielt ausschließlich Kunst, die zu seinen Geisteswelten passte. Was seine Pferdedarstellungen betrifft, so ließ er sich von der Serie "Wildpferde" Hans Baldung Griens anregen, in der die Tiere vor Kraft nur so strotzen. Das negative Pendant zu diesen positiv besetzten Tieren sind Schlangen, die Kubin viel häufiger zeichnete. Seine "Umschnürung" hat formal große Ähnlichkeit mit Edvard Munchs "Die Schlange wird erwürgt". Doch während bei Munch eine männliche Figur das Tier tötet, lässt Kubin die Schlange eine Frauengestalt bedrohen.

Verblüffend ist die enge Bindung an Paul Klee. "Kubin, der Gönner ist gekommen. Er tat so recht begeistert, dass er mich hinriss. Wir saßen wirklich begeistert vor meinen Zeichnungen! Wirklich ganz begeistert! In heißer Begeisterung!", notierte Paul Klee 1910 in seinem Tagebuch. Seine "Entrüstung" (1913) fand unmittelbaren Niederschlag in Kubins Werken, wie Zeichnungen belegen. Was Kubin sah, nutzte er ungeniert für seine Kunst. Dass er sich dicht an andere anlehnte, störte ihn nicht, egal ob es sich um Klee handelte oder Gauguin, dem er folgte, als er 1907 ein Südsee-Bild aquarellierte. Natürlich stellte es für ihn auch kein Problem dar, japanische Totengeister und Fabelwesen zu integrieren. Wozu sonst hätte er die ostasiatische Kunst auch sammeln sollen.

Freilich: So fabulierlustig wie Kubin waren die meisten seiner Kollegen nicht. Auch die feinen Schraffuren und Lavierungen, die besondere Spritztechnik machen seine Traumbilder zu einmaligen Werken.

Alfred Kubin und seine Sammlung, bis 18. Sept., Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg

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