Rechter Aktionismus:Stolz auf die Jungs

Die neurechte "Identitäre Bewegung" hat es geschafft, eine Stunde lang das Brandenburger Tor mit ihren Parolen zu besetzen. Sie ist gegen den angeblichen "großen Austausch" der Bevölkerung - und freut sich über jeden, der Bilder von solchen Aktionen zeigt.

Von Alex Rühle

In Sachen Aufmerksamkeitsökonomie macht die "Identitäre Bewegung" momentan einiges richtig. Die Frage ist, ob die Medien einiges falsch machen.

Acht oder neun Aktivisten der neurechten Gruppierung besetzten am Samstagnachmittag das Brandenburger Tor in Berlin. Sie entrollten unter der Quadriga ein Banner mit der Aufschrift "Sichere Grenzen - sichere Zukunft". Es dauerte eine Stunde, bis Polizisten die jungen Männer dazu brachten, vom bekanntesten Wahrzeichen der Hauptstadt wieder herabzusteigen. Zu dem Zeitpunkt hatten bereits mehrere Onlineportale Bilder von dem Vorfall gezeigt, am Sonntag und Montag brachten auch Zeitungen Fotos von der Besetzung. Martin Sellner, einer der prominentesten Figuren der Bewegung, jubelte auf Youtube, er sei "unfassbar stolz auf das, was die Berliner Jungs geleistet haben. Das Bild, das sie geschaffen haben, könnte in die Geschichte eingehen, weil sich darin unglaublich viel symbolisch versammelt."

Was die Symbolik angeht, so hat Martin Sellner recht, schließlich ist dieses Tor für die rechte Szene ein auratisch aufgeladener Ort: Von hier aus war das Lützowsche Freikorps 1813 in die Befreiungskriege aufgebrochen, spätestens seit 1814 diente es als Kulisse der repräsentativen Darstellung des Deutschen Reiches. Acht Jahre zuvor hatte Napoleon bei seinem Einmarsch in Berlin als Zeichen der Unterwerfung den Schlüssel des Tores und die Quadriga mit der Siegesgöttin mit nach Paris genommen. Nach der Rückführung der Quadriga 1814 wurde das Tor zum Symbol deutscher Wehrhaftigkeit. Zu den Sedan-Feiern, bei denen der Sieg über Frankreich 1870 gefeiert wurde, hing von 1871 an alljährlich am Brandenburger Tor das Spruchband "Welch eine Wendung durch Gottes Fügung". Und später nutzten natürlich auch die Nationalsozialisten das Tor für ihre Inszenierungen, angefangen mit dem Fackelmarsch am Abend des 30. Januar 1933.

Also ist es tatsächlich ein symbolischer Triumph für die Identitären, dieses Tor ausgerechnet an dem Tag, den die Bundesregierung zum Tag der offenen Tür zum Thema Migration und Integration erklärt hatte, besetzt zu haben. Schließlich sehen sich die Identitären im Kampf gegen den "großen Austausch", der ihrer Meinung nach von der Politik durch den Zuzug von muslimischen Einwanderern betrieben werde. Auf der IB-Homepage heißt es, man sei zu null Prozent rassistisch, aber zu 100 Prozent "identitär". In Wahrheit wurde der völkisch-biologistische Rassismus alter Tage nur durch kulturalistische Thesen ersetzt: Jedes Volk hat sein Territorium, in dem sein Charakter und seine Kultur geprägt wurden, dort soll es bitte bleiben. Die Aktion wirft die Frage auf, wie man fortan mit der Berichterstattung über derartige Aktionen umgehen sollte. Schließlich denken die Identitären bei all ihren Aktionen die Medienwirksamkeit und Bildmächtigkeit ihrer Aktionen mit und suchen immer wieder kulturpolitisch aufgeladene Orte für ihre Inszenierungen. David Begrich von der Magdeburger Arbeitsstelle Rechtsextremismus sagt, mit der "bloß wiedergebenden Abbildung dieser Selbstinszenierung" betreibe man genau "das Geschäft der IB. Die Identitären kann aber nur entzaubern, wer nicht ihre Bilder multipliziert." Das Bundesamt für Verfassungsschutz gab Mitte August bekannt, die Gruppierung in Zukunft bundesweit zu beobachten.

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