Reaktionen zum Tod von Günter Grass:"Ein Monument für Deutschland"

Reaktionen zum Tod von Günter Grass: Der Bundespräsident Joachim Gauck würdigt das literarische Erbe des Schriftsteller Grass.

Der Bundespräsident Joachim Gauck würdigt das literarische Erbe des Schriftsteller Grass.

(Foto: AP)
  • Günter Grass stirbt in Lübeck. Er wurde 87 Jahre alt.
  • Der Literatur-Nobelpreisträger galt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Schriftsteller in Deutschland.
  • Freunde und Politiker reagieren mit Trauer und Respekt auf seinen Tod und würdigen sein Lebenswerk.

Reaktionen zum Tod von Günter Grass

Bundespräsident Joachim Gauck würdigte den Schriftsteller als großen Autoren und streitbaren politischen Geist. "In seinen Romanen, Erzählungen und in seiner Lyrik finden sich die großen Hoffnungen und Irrtümer, die Ängste und Sehnsüchte ganzer Generationen." Grass sei zeitlebens ein eigenwilliger politischer Geist gewesen, der Auseinandersetzungen und Kritik nicht fürchtete und politische Debatten über Jahrzehnte wesentlich beeinflusste. "Sein Werk ist ein beeindruckender Spiegel unseres Landes und ein bleibender Teil seines literarischen und künstlerischen Erbes", betonte Gauck nach Angaben des Präsidialamtes.

Bundsaußenminister Frank-Walter Steinmeier sei "tief bestürzt" über den Tod von Günter Grass, teilte das Auswärtige Amt per Twitter mit.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) schrieb in einem Kondolenzbrief an Grass' Frau, man verdanke dem Schriftsteller "vor allem große, unvergängliche Lesemomente". "Mit Günter Grass verlieren wir nicht nur einen der bedeutendsten Literaten deutscher Sprache, sondern auch einen engagierten Staatsbürger, der immer wieder öffentlich Stellung bezogen hat. (..) Er scheute keine noch so heftige Kontroverse, im Gegenteil, er suchte sie, wo er sie für notwendig erachtete. Das machte ihn zu einer Instanz in der politischen Debatte, die zuweilen störte und manchmal auch verstörte."

Der Politiker Egon Bahr (SPD) sagte gegenüber der SZ: "Mit Günter Grass ist ein Mensch gestorben, den ich seit Kriegsende schon erlebt und als einen Freund empfunden habe. Unabhängig von seiner literarischen Bedeutung für das Nachkriegsdeutschland hat er den Willy-Brandt-Kreis mit gegründet, um damit Brandts Gedankengut für die Gesellschaft bis heute zu erhalten. Das hat er in einer Situation getan, als er auf die SPD sonst nur mit Schweigen reagiert hat. Auf diesem Umweg hat er seinen Frieden mit der SPD gemacht. Sein Tod bewegt mich sehr."

Salman Rushdie, indisch-britischer Autor schrieb auf Twitter: "Das ist sehr traurig. Ein echter Gigant, Inspiration und Freund. Trommle für ihn, kleiner Oskar.

Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) reagierte tief erschüttert. "Das ist ein schwerer Verlust für Lübeck, aber auch für die deutsche und die internationale Literatur", sagte Saxe. "Mein tief empfundenes Mitgefühl gilt seiner Ehefrau und seiner Familie." Grass lebte bis zu seinem Tod in der Nähe der Hansestadt.

Theater-Regisseur Luk Perceval, der im März "Die Blechtrommel" für das Hamburger Thalia Theater inszeniert hatte, zeigte sich tief berührt vom Tode des Nobelpreisträgers. Durch die Gespräche mit Grass über die Inszenierung sei eine sehr große Nähe entstanden, sagte Perceval. Erst vor wenigen Tagen habe er Grass getroffen. "Er war heiter. Er war sehr klar und hat trotz seines hohen Alters für mich überhaupt nicht schwach oder krank gewirkt. Andererseits habe ich öfters bei diesen Gesprächen gefühlt, er ist an einem Punkt, an dem er alles geschafft hat: Alles ist gesagt. Alles ist geschrieben." Grass sei sicherlich "ein Monument für Deutschland", sagte der belgische Regisseur. "Für die Leute, die von außen auf Deutschland sehen, ist Günter Grass sicherlich einer der Leuchttürme." Mit der "Blechtrommel" habe er der Nachkriegsgeneration, einer Generation, die eigentlich zum Schweigen verdammt gewesen sei, ein Stimme gegeben. Und: "Er war ein sehr herzlicher Mensch."

Tief betroffen äußerte sich auch der Leiter des Lübecker Günter-Grass-Hauses, Jörg-Philipp Thomsa. "Wir sind dankbar für die vielen Erlebnisse, die wir mit ihm teilen durften", sagte Thomsa.

Dem Linken-Politiker Gregor Gysi zufolge reißt der Tod von Günter Grass eine tiefe Lücke in Deutschland. "Wie nur wenige andere hat Günter Grass das Land literarisch geprägt und sich wortgewaltig in die großen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen eingebracht", erklärte Gysi am Montag. Grass sei ein streitbarer Künstler gewesen, und sein Wort habe Gewicht gehabt. "Nun ist seine Stimme verstummt. Er wird uns fehlen."

Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat betroffen auf den Tod von Günter Grass reagiert. "Günter Grass war ein Weltliterat. Sein literarisches Vermächtnis wird neben dem von Goethe stehen", erklärte die CDU-Politikerin. "Günter Grass war ein einzigartiger Redner, Essayist und vor allem ein großer Geschichtenerzähler der jüngsten deutschen Geschichte - die mit allen ihren Brüchen auch seine Geschichte war. Und er hat sich an dieser Geschichte gerieben, abgearbeitet und auch manche Interpretation gefunden, die für seine Leser wie für seine Kritiker nur schwer auszuhalten war."

"Ein Freund mit Haltung"

Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste sagte: "Mit Günter Grass verliert die Welt der Literatur einen wortmächtigen Autor und unsere Republik einen ihrer streitbarsten Mitbürger". "Wenn er die Demokratie in Gefahr sah, ging er keiner notwendigen Auseinandersetzung aus dem Wege. "Ich persönlich verliere in ihm einen Freund mit Haltung, auf den man sich sowohl politisch, als auch ganz praktisch stets verlassen konnte."

Der Schriftsteller und Politologe Johano Strasser würdigte den Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass als hochmoralischen politischen Menschen. Es sei nun aber wichtig, Grass vor allem als Schriftsteller im Gedächtnis zu behalten. Spätestens nach der Lektüre des Romans "Die Blechtrommel" habe er Grass als großen Schriftsteller wahrgenommen, so Strasser. "Ich habe ihn als guten und mutigen Freund erlebt". Grass habe sich vor ihn gestellt, als er, Strasser, Angriffen ausgesetzt gewesen sei. "Eine Lebensfreundschaft wurde jetzt jäh abgebrochen, aber es bleibt das Band der Freundschaft."

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat den Literaturnobelpreisträger Günter Grass als großen Literaten und politisch engagierten Künstler gewürdigt. "Günter Grass mochte Berlin, und er kannte Berlin", erklärte Müller zum Tod des Autors. Er sei "der Prototyp des sich politisch und gesellschaftlich zu seiner Verantwortung bekennenden Künstlers", so Müller. Gemeinsam mit seinem früheren Nachbarn und Schriftstellerkollegen Uwe Johnson, habe Grass den "Grundstein" dafür gelegt, "dass Friedenau sozusagen zum Berliner 'Literaturkiez' geworden ist."

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) würdigte den Verstorbenen als einen "besonderen Freund" der Stadt. "Hamburg trauert um Günter Grass, den Nobelpreisträger und bedeutendsten Schriftsteller der deutschen Nachkriegszeit. Mit Günter Grass verlieren wir nicht nur einen großen Romancier, Erzähler und bildenden Künstler, sondern auch einen homo politicus allerersten Rangs, der die politische Kultur unseres Landes entscheidend mitgeprägt hat", teilte Scholz mit. "Wir sind sehr traurig."

Lutz Marmor, ARD-Vorsitzender und NDR-Intendant sagte: "Autor, Denker, Intellektueller - Günter Grass hat die Literatur im Nachkriegs-Deutschland geprägt wie wenige andere. Er war ein überzeugter Demokrat, der viele Debatten angestoßen und zahlreiche Kontroversen geführt hat."

Der rumänische Schriftsteller Mircea Cartarescu ("Orbitor"), Träger des diesjährigen Leipziger Buchpreises für Europäische Verständigung, hat mit Trauer auf den Tod von Günter Grass reagiert. "Grass war für mich einer der letzten lebenden großen Schriftsteller. Ein Bezugspunkt für die ganze heutige Literatur. Die Nachricht von seinem Tod hat mich tieftraurig gemacht", sagte Cartarescu.

Das Europäische Übersetzer-Kollegium würdigte Grass als "großen Freund der Übersetzer". "Übersetzer sind die genauesten Leser", zitierte das Kollegium Grass. "Sie nehmen den Autor beim Wort. Unerbittlich sind sie ihm auf der Spur. Sie finden sich nicht bereit, Unverständliches oder dem Autor unterlaufende Ungenauigkeiten hinzunehmen."

FDP-Chef Christian Lindner schreibt ebenfalls auf Twitter: "Günter Grass war ein streitbarer Intelektueller - sein literarisches Werk bleibt überragend".

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