Rauminstallation:Game over

Das Eurydike-Projekt gibt Rätsel auf

Von Petra Hallmayer

Vor dem Eingang zur interaktiven Rauminstallation von Evelyn Hriberšek hängt eine lange Liste mit möglichen Nebenwirkungen, die von Übelkeit über Panikattacken bis zu Ohnmacht und Krämpfen reichen. Sollte eines der Symtome auftreten, wird empfohlen, "die Nutzung einzustellen". Ein schweißgebadeter Besucher stolpert aus der Tür und stammelt: "Wow! Krass!" Dahinter helfen einem futuristisch gewandete Damen in eine Art Raumfahrt-Anzug und stülpen einem ein Head-Mounted-Display über den Kopf. Stumm deuten sie auf ein Schild mit dreieckigen Codes, nach denen man Ausschau halten soll, und führen einen in einen weiten Raum, in dem ein Wohnwagen steht. Dann ist man allein.

Mit "O.R.pheus", einer sich der Technik der Augmented Reality bedienenden Theaterinstallation, hatte Evelyn Hriberšek 2012 für Aufsehen gesorgt. "Eurydike" schließt an das preisgekrönte Projekt an, das für den Deutschen Computerspielpreis nominiert war. Im Zentrum steht diesmal die Frau, der Orpheus in den Hades folgte und die im Mythos nur wenige Zeilen einnimmt. Inspiriert von Theweleits Thesen im "Buch der Könige. Orpheus und Eurydike" über die Opferung von Frauen für die männliche Unsterblichkeit will die Regisseurin Eurydike aus ihrem Schattendasein erlösen. Stolze 55 Euro kostet der 30-minütige Erlebnistrip in der Alten Feuerwache im Kreativquartier. Was sich dabei zuträgt, darf man nicht verraten, um den Überraschungseffekt nicht zu zerstören. Tatsächlich könnte die Rezensentin gar nicht viel erzählen. Nachdem sie erwartungsvoll umhertapsend das bizarre Innere des Wohnwagens erkundet, einen abgetrennten Kopf, ein Katzengerippe und andere zart gruselige Seltsamkeiten bestaunt hatte, geschah sehr lange: nichts. "Ein Muss" für "Thrill-Seeker, Real-Life-Gamer und "LARPer" nannte das Mighty Games Magazine die Installation vorab.

Ist man als tumber Nicht-Gamer vielleicht einfach zu doof dafür? Oder brauchen Menschen, die zu keiner der oben genannten Communities gehören, mehr Anleitung, um in virtuelle Welten abzuheben? Das Bodenpersonal im Vorraum, das als Zeichen für das Verstummen Eurydikes beharrlich schweigt, bietet keine Hilfe, sondern geleitet einen wortlos hinaus. Dort erfährt man, nicht die Allererste und Einzige zu sein, deren Selbstversuch kläglich scheiterte. Das ist immerhin ein kleiner Trost.

Nein, es gebe keine technischen Probleme, erklärt Eveyln Hriberšek sehr freundlich und verweist auf die "Eigenverantwortung" der User. Einige von ihnen würden das gesamte Mobiliar auseinandernehmen. "Nur wer aktiv wird, erlebt etwas." Allein, was das bedeutet, enthüllt sie nicht. Schließlich erlaubt sie der Besucherin, die sich wie eine Idiotin fühlt, vor dem nächsten geplanten Slot noch einmal in die Halle zu schlüpfen. Zwar tut sich beim ersten Aktivierungscode trotz intensiver Bemühungen erneut nichts, bei einem anderen aber setzt endlich Musik ein, erscheinen Bilder.

Für ein paar Momente wird man hineingesogen in eine fremde surreale Welt, gehen die Klänge in den eigenen Körper über. Doch just als es beginnt, spannend zu werden, färbt sich das Display weiß. Time out. Game over. Zurück bleibt eine vage Ahnung von dem, was man alles hätte erleben können. Der Rest ist Frust. Warum andere Menschen mit Ausrufen wie "Boah! Super! Irre!" ins Freie taumeln, erfuhr man selbst leider nicht.

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