Radikal jung:Schmaler Grat

"António e Cleópatra" spaltet das Publikum

Von Egbert Tholl, München

"António e Cleópatra" von Tiago Rodrigues ist radikal. In seiner Reduktion, im Aufladen szenischer Winzigkeiten mit einer enormen Fülle von Bedeutung. Rodrigues wurde damit in seiner Heimat Portugal und nicht nur dort zu einer Art Theaterstar, wohl auch, weil man seinen Mut bewundert.

Also: Er nimmt Shakespeares überbordendes Stück "Antonius und Cleopatra", holt dazu andere Quellen wie etwa Plutarch, mischt darunter die Musik des "Cleopatra"-Films mit Richard Burton und Elizabeth Taylor, komponiert von Alex North, und schneidet dann wieder alle Figuren weg außer Cleopatra und Antonius selbst. Deren Text übergibt er einer Tänzerin, Sofia Dias, und einem Tänzer, Vítor Roriz. Er stellt sie auf eine leere Bühne, deren heller Teppichboden sich hinten hochwölbt wie in einem Fotostudio. Er stellt eine altmodische Hifi-Anlage dazu, mit einem Plattenspieler für die Musik von North. Und er hängt ein Mobile mit vier runden Plexiglasscheiben in zwei verschiedenen Farben hinein.

Dias und Roriz sprechen bei "Radikal jung" Cleopatra und Antonius in dritter Person, sprechen Szenen, was klingt wie die Tonspur für Sehbehinderte im Fernsehen. Sie vollführen Gesten, als schöben sie ihre "Figuren" durch den Raum. Sie entwickeln verschlungene Sprachspiele der Annäherung, bis zur Thematisierung des gemeinsamen Atmens. Sie sprechen Liebe. Und wen das packt, wer in den Sog des Artifiziellen gelangt, für den muss es ein Meisterwerk sein. Wer draußen, reiner Betrachter bleibt, für den ist es eine unfassbar enervierende, öde Zumutung. So ging's mir. Leider.

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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