Querelen um Tom Cruises Stauffenberg-Film:Wird Cruise Berlin missionieren?

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Deutschland blamiert sich in Hollywood, indem es eine wahre Polit-Operette aufführt. In den Hauptrollen: Der Minister, der Star, Scientology und eine angeblich nicht erteilte Drehgenehmigung für den Bendlerblock.

Andrian Kreye

Es passiert nicht oft, dass sich ein Verteidigungsminister und ein Filmstar in die Haare kriegen. Das verspricht großes Theater, und so ist es nun auch gekommen. Die Drähte zwischen Berlin und Hollywood laufen heiß. Beschuldigungen, Verdächtigungen und Verschwörungstheorien schwirren über den Atlantik.

Tom Cruise soll im Hollywood-Thriller über das gescheiterte Bombenattentat auf Hitler den deutschen Widerstandskämpfer Claus Schenk Graf von Stauffenberg verkörpern. (Foto: Foto: dpa)

Verteidigungsminister Franz Josef Jung konnte kaum ahnen, was für eine transatlantische Krise er lostrat, als er am vergangenen Freitag verkündete, im Bendlerblock des Verteidigungsministeriums dürfe nicht gedreht werden. Die Sektenbeauftragte der CDU, Antje Blumenthal, hatte ihm dazu geraten, weil dort Aufnahmen für die Hollywoodverfilmung des missglückten Anschlages auf Adolf Hitler gedreht werden sollten, in dem Tom Cruise die Hauptrolle des Claus von Stauffenberg spielen wird.

Es darf wieder gehasst werden

Der aber ist nicht nur Mitglied, sondern auch Sprecher der Church of Scientology. Da prallen die deutschen und amerikanischen Sensibilitäten rund um die Person Cruise nicht zum ersten Mal aufeinander. Grundlage der Verstimmungen ist dabei immer wieder, dass die Church of Scientology in den USA eine steuerrechtlich anerkannte Kirche ist, die Organisation in Deutschland jedoch nicht nur den Status einer gewinnmaximierenden Organisation hat, sondern auch als gefährliche Sekte vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Weil sich diesmal aber gleich der Bundesminister der Verteidigung eingeschaltet hat, ist daraus ein transatlantisches Politikum geworden.

Nun verwundert einen der Eifer, mit dem in Deutschland das Problem Scientology diskutiert wird. Fast hat man das Gefühl, hier darf nun endlich mal wieder eine Glaubensgemeinschaft so richtig gehasst werden, ohne dass der Verdacht politischer Unkorrektheit aufkommt. So klingt die Sektenbeauftragte Blumenthal auch eher alarmistisch, wenn sie über die Ziele der Scientology spricht. "Wenn behinderte Menschen ausgrenzt werden, wenn es heißt, ein Mensch überlebt in dem Maße, wie er kompetent ist, sowas können wir doch nicht gut heißen. Das hat mit dem christlichen Menschenbild überhaupt nichts zu tun." Und ja, der Verteidigungsminister habe ihr zugesichert, dass die Drehgenehmigung im Bendlerblock ganz sicher nicht erteilt werde.

500 Mann stehen auf Abruf bereit

So viel Strenge klingt in amerikanischen Ohren ganz anders, vor allem, wenn sie mit deutschem Akzent vermittelt wird. Der Regisseur Bryan Singer, bekannt durch Actionfilme wie "X-Men" und "Superman Returns", der das Widerstandsdrama "Valkyrie" mit Tom Cruise drehen wird, war jedenfalls am Freitag ganz überrascht, als ihn die Nachricht ereilte.

Er besichtigt gerade Drehorte in Jordanien und klingt am Telefon immer noch fassungslos. "Ich hätte nicht erwartet, dass ich ausgerechnet in Deutschland Schwierigkeiten bekomme, nur weil einer meiner Schauspieler einer Glaubensgemeinschaft angehört, die den Deutschen nicht passt", sagt er. "Und wenn schon. Ich bin Jude, mein Drehbuchautor ist Katholik, die Produzentin ist Protestantin. Das hat alles nichts mit unserem Film zu tun." Im Gegenteil. Tom Cruise habe er engagiert, weil die Rolle für ihn maßgeschneidert sei.

Zusammen mit dem Drehbuchautor Christopher McQuarrie, mit dem er vor 12 Jahren den zweifach Oscar-prämierten Thriller "The Usual Suspects" produzierte, werde er ein Drama drehen, welches zeige, dass es während des Zweiten Weltkrieges auch in Deutschland Helden gab. Gedreht wird tatsächlich. In Berlin. Im Studio Babelsberg und in der Stadt. Daran wird der Streit mit dem Ministerium nichts ändern, Drehbeginn ist schließlich der 18. Juli, die Kulissen in Babelsberg sind längst in Bau, das Filmteam von 500 Mann steht auf Abruf bereit. Es ging ja auch nur um zwei Drehtage im Bendlerblock, das ist bei einem geplanten Dreh von drei Monaten nicht viel, da kann man sich auch mit einem Nachbau behelfen.

"Was in Deutschland als gefährlich gilt, sieht man hier in Hollywood nur als albern"

Auch die Produzentin Paula Wagner, die letztes Jahr gemeinsam mit Tom Cruise die Leitung des Filmstudios United Artists übernommen hat, lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass in Berlin gedreht wird. Sie deutet allerdings an, dass langfristig Schwierigkeiten für den Filmstandort Berlin entstehen könnten. Es wäre doch schade, sagt sie, wenn sich herumsprechen würde, dass in Deutschland ein filmfeindliches Klima herrsche, gerade jetzt, da sich Berlin in der internationalen Filmindustrie als "Major Force" etabliere. Man arbeite ja auch mit einer erstklassigen deutschen Crew zusammen. Die Glaubensfrage, so sagt sie, stelle sich in Hollywood nie. "Wir sind Filmemacher und alles was uns interessiert, sind großartige Filme." Auf Scientology will sie erst gar nicht eingehen.

Das ist auch der Tenor, wenn man mit Branchenkennern telefoniert, die nicht namentlich zitiert werden wollen. Da erfährt man dann zwar interessante Hintergründe. Zum Beispiel, dass eigentlich Thomas Kretschmann die Hauptrolle spielen sollte, Tom Cruise aber nach seinen unzähligen PR-Katastrophen im letzten Jahr, nach seinen hysterischen Fernsehauftritten, seinen Wutausbrüchen und der eigenartigen Glamourhochzeit mit Katie Holmes nun dringend eine gute Rolle in einem ernsten Film brauche, eine, die ihm vielleicht sogar einen Oscar einbringt. Die Chancen stehen gut.

Eine Heldengeschichte aus dem Dritten Reich mit einem guten Nazi - Steven Spielberg hat's vorgemacht. Für "Schindlers Liste" gab es sieben Oscars. Deswegen habe Cruise das grüne Licht für den Film nur geben wollen, wenn er selbst die Hauptrolle spiele, und so wurde Kretschmann mit einer Nebenrolle abgefunden. Denn gegen die Macht von Cruise kommt in Hollywood immer noch niemand an.

Im zweiten Teil: Was das deutsche Verteidigungsministerium sagt.

Aber auch an den inoffiziellen Infobörsen von Hollywood spielt Cruises Scientology-Glaube keine große Rolle. "Was in Deutschland als gefährlich gilt, sieht man hier in Hollywood nur als albern", sagt einer aus den oberen Studio-Etagen. Und ein Regisseur gibt zu Bedenken, dass in den USA die Verfolgung einer Glaubensrichtung undenkbar sei, weil das nun mal mit den protestantischen Gründervätern fest in der nationalen Identität verankert wurde.

Zwischen allen Fronten steht nun das Studio Babelsberg. Da kann man die ideologisch aufgeheizten Misstöne gar nicht brauchen. Gemeinsam mit dem Filmförderfonds hat man dort in den letzten Monaten enorme Fortschritte dabei gemacht, Berlin als Standort zu etablieren, sagt Babelsberg-Vorstand Christoph Fisser. Vier Hollywoodproduktionen habe man an Land ziehen können.

Glaubensfrage stellt sich nicht

Derzeit drehen sogar die Wachowski-Brüder ihren ersten Film seit der Matrix-Trilogie in Babelsberg, die Kinofassung des japanischen "Speed Racer"-Comics, in der Benno Führmann und Cosma-Shiva Hagen mitspielen. Sony produziert hier vom Herbst an Tom Tykwers "The International" mit Clive Owen in der Hauptrolle - alles Filme, die viel Geld und Arbeit nach Berlin bringen.

Alleine "Valkyrie" wird auf ein Budget von 60 Millionen Euro veranschlagt, steht in den Presseerklärungen - davon werden zwei Drittel in Deutschland ausgegeben. Und Fisser rechnet vor, dass bei diesem Film rund 500 deutsche Jobs geschaffen werden. Dazu komme der unbezahlbare Wissenstransfer. Für "Speed Racer" werden zum Beispiel drei Oscarpreisträger für visuelle Effekte anreisen, die mit deutscher Mannschaft arbeiten. Da wird bei den deutschen Mitarbeitern einiges an Know-how hängenbleiben.

Einiges hängenbleiben könnte allerdings auch, wenn Babelsberg Zusagen nicht einhalten kann. "Wenn eine Produktion abgesagt würde, wären das zweistellige Millionensummen. Vom Imageschaden oder eventuellen Schadensersatzklagen ganz abgesehen." Auch hier stellt sich die Glaubensfrage nicht. "Wir haben noch nie überprüft, welcher Schauspieler oder Regisseur welche Religionszugehörigkeit hat", sagt Fisser. Es sei ja auch paradox, dass sich hier Regierungsmitglieder gegen ein Filmprojekt verwehren, das zu einem großen Teil von der Bundesrepublik mit Fördergeldern finanziert wurde.

Totalitäres System

Prallen hier also doch nur bundesdeutsche Scientology-Panik und das amerikanische Prinzip der absoluten Glaubensfreiheit aufeinander? Ganz so einfach ist es nicht. Amerikas führender Sektenexperte heißt Rick Ross. Er kennt sich aus in Hollywood. Einerseits, weil er seine Laufbahn als umstrittener Deprogrammierer begann und Harvey Keitels Figur in Jane Campions"Holy Smoke" auf ihm beruht. Andererseits sind Sekten und Kulte nirgendwo so erfolgreich wie in Kalifornien.

"Ich kann die deutsche Regierung gut verstehen", sagt Ross. "Tom Cruise hat seine Macht als Star schon immer benutzt, um für Scientology zu werben, Deutschland im Interesse seiner Kirche anzugreifen oder neue Mitglieder zu werben." Während den Dreharbeiten zu Steven Spielbergs "Krieg der Welten" habe er Beschwerden von Crewmitgliedern bekommen, dass in den Paramount Studios in Los Angeles Tische aufgebaut wurden, an denen Scientology-Material verteilt wurde.

"Scientology ist prinzipiell ein totalitäres System", sagt er. Und gibt zu bedenken, dass Cruise und andere Hollywoodstars Jobs an andere Scientology-Mitglieder vergeben würden. "Angesichts dieser Geschichte, ist es nicht verwunderlich, wenn das deutsche Militär sich Sorgen macht, dass Scientologen in Gebäuden oder auf Geländen der Regierung oder des Militärs arbeiten."

Wir verfolgen niemanden

Es bleiben Fragen. Wird Cruise in Berlin missionieren? Nicht auf dem Babelsberggelände, sagt Fisser, da gäbe es weder Anfragen, noch Platz, derzeit sei jeder Quadratmeter verbucht. Hat die deutsche Regierung keine Probleme damit, wenn sie im Ausland den Eindruck erweckt, dass sie eine Glaubensgemeinschaft verfolgt?

"Wir verfolgen überhaupt niemanden", sagt Antje Blumenthal. "Wir passen auf, dass andere Menschen nicht verfolgt werden." Doch wem nutzt Tom Cruise mehr? Der Sektenexpertin und ihrem fast vergessenen Kreuzzug gegen die Sekte? Oder Scientology, die daheim in Amerika nun wieder so dasteht, als sei sie eine von Deutschen verfolgte Religion?

Und - was sagt das Verteidigungsministerium? Zunächst einmal gar nichts. Minister Jung ist auf Reisen. Der ganze Skandal beruhe auf einem Gespräch, das Frau Blumenthal veröffentlicht habe, man kenne den Wortlaut nicht. Das Ganze kann sich aber noch als bürokratische Posse auflösen. Denn beim Verteidigungsminsterium liegt gar kein Antrag auf eine Drehgenehmigung vor. Besagter Bendlerblock, in dem gedreht werden soll, fällt auch gar nicht in den Zuständigkeitsbereich. Offiziell gehört das Gebäude nämlich dem Finanzministerium.

© SZ v. 28.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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