Prozess um "Tatort"-Vorspann:Mord und Wimpernschlag

Vorspann mit Nachspiel: Schon seit 1970 wird der "Tatort" durch den berühmten Fadenkreuz-Vorspann eingeleitet. Nun klagt die Erfinderin auf Nachvergütung.

E. Müller-Jentsch

Das Auge im Fadenkreuz, rennende Beine auf nassem Asphalt, ein Fingerabdruck, der als Spirale den Täter einkreist - nahezu jeder deutsche Fernsehzuschauer kennt den Vorspann der Krimi-Serie "Tatort". Seit dem Start der Reihe im Jahr 1970 wird der Tatort unverändert durch denselben Vorspann eingeleitet.

Tatort Vorspann

Fast jeder Fernsehzuschauer kennt den "Tatort"-Vorspann, seit 1970 ist er unverändert.

(Foto: Foto: ARD/SF DRS/ORF)

"Dieser Vorspann hat sich in das Gedächtnis von Generationen eingeschrieben und nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass der Tatort zu einer wiedererkennbaren Marke geworden ist", heißt es auf der Internetseite des Ersten Deutschen Fernsehens. An diesen berühmten Trailer ist das Fernsehen vor fast 40 Jahren sehr billig gekommen.

Zu billig, wie die in München lebende Urheberin nun meint: Kristina Böttrich-Merdjanowa verlangt eine angemessene finanzielle Beteiligung und will als Urheberin genannt werden. Am 16. Dezember wird ihre Klage gegen der Bayerischen Rundfunk vor dem Landgericht München I verhandelt.

Die freischaffende Graphikerin und Trickfilmerin wird zu Beginn des Verfahrens beweisen müssen, dass sie die tatsächliche Schöpferin des berühmten Anfangs ist. Denn allgemein wird BR-Redakteur Peter Hoheisel als Vater des Tatort-Markenzeichens gehandelt. "Als verantwortlicher Redakteur hatte er aber mit der Kreation nichts zu tun", sagt Böttrich. Er habe nur einen Wettbewerb initiiert und dann den Auftrag für die Herstellung erteilt. "Herr Hoheisel hat auch niemals - öffentlich oder privat - behauptet, er sei der Urheber", sagt Nikolaus Reber, Rechtsanwalt der Klägerin.

Hoheisel habe im Rahmen des Wettbewerbs zwischen den ARD-Sendeanstalten 1969 eine Münchner Produktionsfirma beauftragt, einen Entwurf einzureichen. Der Inhaber dieser Firma, die damals keinerlei eigene Produktionsmittel gehabt habe, habe aufgrund früherer Zusammenarbeiten Kristina Böttrich-Merdjanowa gebeten, ein Storyboard für den Vorspann zu entwickeln. Die damals eingereichten Originale habe sie aber nie zurückbekommen, sagt die Künstlerin heute.

Bei Gericht hat sie deshalb beantragt, dass der BR die Unterlagen von damals in der Verhandlung vorlegen müsse. Es gibt aus der Zeit auch sonst keine schriftlichen Vereinbarungen.

Ihr Grundkonzept sei damals aber eins zu eins umgesetzt worden, sagt die Künstlerin. Sie habe später auch die Innenaufnahmen mit den Augen von Horst Lettenmeyer in der Maximilianstraße sowie die Außenaufnahmen mit Lettenmeyers laufenden Beinen am Münchner Flughafen geleitet. Und auch die Trickaufnahmen, wie etwa das animierte Fadenkreuz, die tanzenden Buchstaben oder die Fingerabdruck-Spirale, seien von ihr gezeichnet, gestaltet und umgesetzt worden. 2500 Mark brutto habe sie damals bekommen, umgerechnet 1278 Euro.

"Die guten Krimis machen den Erfolg aus, nicht der Vorspann"

Lettenmeyer übrigens, der sich als eher unbekannter Schauspieler damals in München mit solchen Jobs über Wasser hielt, hatte für die Augen-, Hand- und Laufszenen nur 400 Mark bekommen. "Eine Unverschämtheit", sagte der Mann, der jetzt in seiner eigenen Firma Leuchten herstellt, später einmal. Doch dann habe er sich "seinem Schicksal ergeben" und kurz vor der 700. Tatort-Folge erklärt: "Es wird nicht geklagt."

Der Komponist der nicht weniger berühmten Tatort-Titelmusik dagegen hatte solche Sorgen nie: Jazz-Musiker Klaus Doldinger kassiert jedesmal mit - dank Musik-Verwertungsgesellschaft Gema. In der Urfassung des Tatort-Songs spielte übrigens Udo Lindenberg das Schlagzeug.

Den Streitwert von Kristina Böttrich-Merdjanowas Klage schätzt Anwalt Reber vorläufig auf 150.000 Euro. Allein bei ARD und ORF sei in den letzten fast 40 Jahren wenigstens 19200-mal ein Tatort gesendet worden. Dazu kämen viele Sendungen im weiteren Ausland sowie die Nutzungen auf Kassette und DVD. Zudem würden einzelne Bilder des Vorspanns sogar als Marke genutzt, angemeldet beim Patentamt in München.

Reber: "Der BR hat seine Verantwortlichkeit aber bestritten und auf den Westdeutschen Rundfunk verwiesen." Deshalb sei nun gleichfalls der WDR verklagt worden. "Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Urheber zur Vorbereitung seines Anspruchs auf eine 'angemessene Beteiligung' Auskunft und Rechnungslegung verlangen", sagt der Anwalt. Und genau das werde in dem Verfahren gefordert, erst später werde es um konkrete Summen gehen.

BR-Anwalt Stefan Frank erklärte der SZ, dass man die Klägerin bis dahin gar nicht gekannt habe, man gehe aber davon aus, dass der Vorspann durch eine Produktionsfirma gefertigt wurde. Es sei auch unüblich, Urheber von Vorspännen zu nennen. "Außerdem machen die guten Krimis den Erfolg der Serie aus, nicht der Vorspann."

Durch diese Klage aber würden insgesamt schwierige Rechtsfragen aufgeworfen, sagte der Justitiar, "die gerichtlich so noch nicht geklärt worden sind".

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