Proteste in Birma:Die Macht der Ohnmächtigen

Derzeit protestieren buddhistische Mönche in Birma gegen ein Militärregime, das gewaltsam gegen Demonstranten vorgeht. Dabei können Mönche und Mächtige nicht ohne einander.

Hans-Bernd Zöllner

Die Rolle des Mönchs als Rebell hat in Birma eine lange Geschichte. Am späten Abend des 19. September 1929 starb im Gefängnis von Rangun in Britisch-Birma nach einem Hungerstreik von 166 Tagen ein buddhistischer Mönch.

U Wisara, der wegen regierungsfeindlicher Reden einsaß, hatte damit gegen die entwürdigende Behandlung im Gefängnis protestiert. Er war der erste Märtyrer des birmanischen Unabhängigkeitskampfes und gilt heute als Nationalheld. Seine Statue steht unterhalb der großen Pagode, von der in diesen Tagen die Demonstrationen der Mönche in der größten Stadt des Landes - die heute ihren alten birmanischen Namen Yangon trägt - ihren Ausgang nehmen.

Ein gutes Jahr nach U Wisaras Tod führte ein ehemaliger Mönch namens Saya San einen Bauernaufstand an, dessen Niederschlagung den Briten nur mit Mühe gelang. Grund für den Aufstand war das Elend der Landbevölkerung nach der Weltwirtschaftskrise, weswegen der rebellische Mönch die Wirtschaftspolitik der britischen Kolonialherren angeprangert hatte.

Auch die gegenwärtigen Demonstrationen in Birma hatten einen wirtschaftlichen Anlass: Eine drastische Erhöhung der Benzinpreise durch die regierende Militärjunta, die dazu führte, dass es sich viele Birmanen nicht mehr leisten können, mit dem Bus zu fahren.

Und wie schon in der Kolonialzeit eskalierte der Konflikt, als die Würde der Mönche angegriffen wurde. Bei einer Demonstration im Landesinnern wurden durch das Eingreifen der Ordnungskräfte Mönche verletzt. Auf eine Entschuldigung der Regierung wartet man bis heute.

Die wirtschaftliche Not der Bevölkerung, für die die Mächtigen verantwortlich sind, und die Würde der Mönche, die an der Seite der Bevölkerung stehen, hängen in Birma untrennbar zusammen.

Ein Mönch kann seinen Beruf der geistigen und geistlichen Fürsorge für die Bevölkerung nur nachgehen, wenn er von ihr auch materiell versorgt wird. Nur in einer blühenden Wirtschaft kann der Buddhismus also gedeihen. Das bedeutet aber auch: Wo die Würde und damit die Integrität der Mönche beschädigt wird, nimmt auch die Menschenwürde der Laien Schaden.

Die Almosenschalen umdrehen

Soweit sind die Verhältnisse nachvollziehbar. Es ist in Birma allerdings viel schwerer, die gegenwärtige Situation zu verstehen, weil Mönche und Machthaber in einer symbiotischen Gemeinschaft miteinander verbunden sind.

Nur wer die Mönche unterstützt, wer Pagoden baut und ihren Segen erhält, kann es nach den Lehren des Theravada-Buddhismus zu Wohlstand und Ansehen bringen. Dieser Zusammenhang ist fest in der Sprache verankert. Das birmanische Wort für "streiken" heißt in der wörtlichen Übersetzung "Die Almosenschale umdrehen".

Denn wenn Mönche keine Spenden mehr annehmen, verweigern sie dem Geber die Möglichkeit, spirituellen Verdienst zu erwerben. Sie exkommunizieren ihn gewissermaßen, schließen ihn aus der buddhistischen Gemeinschaft aus, entziehen ihm die Grundlage für die Bewährung und Bewahrung seines Lebens im Kreislauf der Wiedergeburten.

Politischer und religiöser Streik sind deswegen in Birma und anderen Ländern des Theravada-Buddhismus - Kambodscha, Laos und Thailand - untrennbar miteinander verbunden. Die Mächtigen brauchen die Mönche, diese aber haben auch mächtige Gönner nötig. Denn die Symbiose geht tief.

In Birma haben die Mönche zuletzt 1990 gestreikt. Sie drehten buchstäblich die Bettelschale um, wenn Mitglieder des Militärs und deren Angehörige sie füllen wollten. Damals reagierte die Regierung in der Tradition der britischen Kolonialmacht mit Gewalt und zerschlug den Protest.

Auch jetzt ist von dieser Form des spirituellen Boykotts die Rede, auch wenn er bisher nur in Ansätzen praktiziert wurde. Doch sollten die Militärs deswegen behaupten, bei den Aktionen und Protesten, die von den Trägern der roten Roben angeführt werden, sei es zu Handlungen kommen, die der Rolle der Mönche nicht angemessen sind, droht eine gewaltsame Antwort des Staates.

Die Weigerung, Spenden von Angehörigen eines Kollektivs wie dem der Militärs anzunehmen, kann durchaus so ausgelegt werden. Nach birmanischer Auffassung ist dies eine eindeutige politische Aktion, die auf einen Machtwechsel zielt.

Aus politischen wie anderen weltlichen Dingen aber hat sich der Mönch nach seinen Ordensregeln herauszuhalten. Die Würde der Mönche beruht auf der Reinheit ihrer Lehre und ihres Lebens. Ihr Protest ist nur legitim, solange dieses Reinheitsgebot nicht verletzt wird. Und es ist der Staat, der über die Einhaltung dieser Regeln wacht.

Auf der anderen Seite können es sich die Mächtigen nicht erlauben, einen ganz und gar friedlichen Protest mit Gewalt zu beenden. Sie würden sich damit ihrer eigene Legitimität berauben. Immerhin haben sie in den vergangenen Jahren alles getan, um die Mönchsgemeinschaft fürsorglich zu behandeln.

Tragik der Geschichte

In fast jeder Ausgabe der von der Regierung herausgegebenen Zeitung "Das neue Licht von Myanmar" war zu lesen, welcher General gerade welchem Kloster oder welcher Pagode Geld zukommen ließ. Das Militär wollte der Bevölkerung dadurch vor allem demonstrieren, dass seine Herrschaft legitim ist.

Einen Märtyrer-Mönch wie U Wisara müssen die Regierenden nämlich ebenso fürchten wie einen Rebellen nach dem Vorbild des Saya San, weil solch spirituelle Opposition nicht nur die Macht in Frage stellt, sondern vor allem die spirituelle Unterstützung und damit die Basis ihrer Existenz verweigert. Das ist eine Bedrohung, die viel größer ist, als nur ein Volksaufstand.

Gemeinsam ist Mönchen und Mächtigen derzeit also nur eines: das Dilemma ihrer Symbiose. Das Problem der Junta liegt vor allem darin, dass sie zu beschränkt und unfähig ist, um angemessen für die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu sorgen.

Unter den Bedingungen der Globalisierung sind auch die Beobachter von Außen in gewisser Weise Mitwirkende. Und auch sie stehen vor einem Dilemma. Natürlich wünschen sie, dass die Proteste der Mönche und der Massen in Birma Erfolg haben. Aber können sie auch einen "Sturz" der jetzigen Regierung wünschen? Denn dann könnte, ähnlich wie nach dem selbst erwirkten Tod des Mönchs U Wisara vor 80 Jahren, ein brutaler Kampf um die Macht beginnen.

Hier muss nun auch Aung San Suu Kyi genannt werden, seit dem letzten Militärputsch vom 18. September 1988 Heldin des birmanischen Widerstands, die für ihre furchtlose Opposition 1991 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Mönche haben vor Tagen ihr Haus besucht, in dem sie seit Juni 2003 zum wiederholten Mal unter Hausarrest steht. Die Polizisten, die das Haus bewachen, ließen die Besucher passieren. Es wird berichtet, Aung San Suu Kyi habe bei der Begegnung geweint. Es war eine Begegnung von hohem symbolischem Wert. Ob es mehr war, ist allerdings fraglich.

Die gegenwärtige Konfrontation zwischen den Mönchen und dem Militär ist vor allem ein Ausdruck der Tragik der birmanischen Geschichte seit dem von den Briten herbeigeführten Ende des birmanischen Königreichs.

Das damals bestehende, fragile Gleichgewicht zwischen dem König, der für Wohlstand und Ordnung sorgt und die Mönchsgemeinschaft schützt und notfalls reinigt, und dieser Gemeinschaft aus Mönchen und Bürgern, die den König legitimiert und das Volk bildet, konnte bisher nicht auf Dauer wiederhergestellt werden.

Es gab keine Mächtigen, die auf Dauer in der Lage gewesen wären, Wohlstand und Ordnung für die Bewohner des Landes zu sichern. Doch es gab bis heute auch keine Mönchsgemeinschaft, die auf Dauer eine Einheit gebildet hätte. Auch heute ist anzunehmen, dass die Mönche des Landes sich ausschließlich in der Ablehnung der Militärjunta einig sind, aber nicht darüber hinaus. Damit sind sie ein Spiegelbild der zivilen Gesellschaft des Landes. Einer zivilen Gesellschaft die vom Glauben getragen wird.

Der Autor lehrt am Asien-Institut der Universität Hamburg.

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