Proteste gegen "Flick Collection":Die Pflicht eines Erben

Berlin regt sich - späte Proteste gegen eine Kunst-Sammlung.

Von Hans Leyendecker

Anfangs hatte die Stadt Berlin den Kunstsammler Friedrich Christian Flick ja durchaus freundlich empfangen: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit "hatte seine Arme weit geöffnet und dann lief das," resümiert der Sozialdemokrat und Aktionskünstler Klaus Staeck die Begeisterung Berlins für die "Friedrich Christian Flick Collection". Staeck hatte schon in Zürich zu den Protestlern gehört. Nun hat der Künstler eine Postkarte zum Thema entworfen: "Flick-Collection - Freier Eintritts -Gutschein für ehem. Zwangsarbeiter der Flick KG". Die erste Auflage ist mit 1000 Exemplaren bescheiden ausgefallen.

In den vergangenen Wochen haben die anfangs zaghaften Proteste stark zugenommen, die Gegner des Sammlers machen mobil. Seit zwei Wochen hängen in der Berliner Invalidenstraße und am Lehrter Bahnhof riesige Plakate der Berliner Konzept-Künstler Renate Stih und Frieder Schnock: "Steuerflüchtlinge, zeigt eure Schätze" ist darauf zu lesen.

Diese Aushänge erinnern daran, dass das Vermögen des Flick-Erben zum Teil auf Zwangsarbeit gegründet und später dem Fiskus entzogen worden war. Friedrich Karl Flick hat den Steuerbehörden mit seinem Wechsel in die Schweiz 125 Millionen Euro vorenthalten. Das entspricht dem Wert der Sammlung.

Die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst e.V. (NGBK) hat neben Plakaten und Publikationen, in denen die Sammlung kritisch beleuchtet wird , für kommenden Samstag eine Podiumsdiskussion angesetzt. In der Akademie der Künste will man sich mit Flick und der "Kunst des Sammelns" beschäftigen. Die NGBK hat eine Arbeitsgruppe mit dem blumigen Namen "Weißer Ritter (Der Nothelfer zur Rettung eines maroden Unternehmens)" gegründet, die eine "öffentliche Diskussion" über die Collection auf den Weg bringen soll.

Zwangsarbeiter klagen an

Ob Zwangsarbeiter eine Demonstration zur Eröffnung am Dienstag veranstalten werden, ist noch unklar. Das Fritz-Bauer-Institut, das sich mit Forschungsarbeiten zum Holocaust einen Namen machte, lud jedenfalls schon am gestrigen Montag ehemalige Zwangsarbeiterinnen in die Freie Universität ein, damit sie schildern konnten, wie die Sklavenarbeit für den Rüstungslieferanten Friedrich Flick aussah. Micha Brumlik, Leiter des Fritz-Bauer-Instituts, hatte auch die Idee zu einem Buch, das diese Woche vorgestellt wird: "Von der Kunst des Erbens. Die Flick-Collection und die Berliner Republik."

Der Protest gegen die Platzierung der Sammlung in Berlin, der auch von einigen Mitgliedern des Zentralrats der Juden und von Flicks Schwester Dagmar Ottmann unterstützt wird, kam alles in allem sehr spät. Zuletzt griff Michael Fürst, Vorsitzender des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen am gestrigen Montag ein - und den Kanzler an. Schröder müsste den in der Schweiz lebenden Flick eigentlich ächten, schrieb Fürst in einem Beitrag für die Netzzeitung.

Auch das politische Berlin reagierte erst auf die Debatte, als alles schon entschieden war. Jetzt, da die Bilder bereits gehängt sind, melden sich einige Politiker zu Wort. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus warf dem Kanzler vor, sich an der Rehabilitation eines schwer belasteten Familiennamens zu beteiligen. Und die ehemalige FDP-Abgeordnete Hildegard Hamm-Brücher hat sich dagegen ausgesprochen, dass der Kanzler die Sammlung eröffnet.

Ein Kanzler müsse sich daran erinnern, dass schon einmal im Namen von Flick "die Republik bestochen worden" sei. Zusätzlich kommt noch ein neues Argument ins Spiel: das Geld des Staates: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding hat den Rechnungshof eingeschaltet, um die Kosten der Ausstellung für die öffentliche Hand sowie die Steuerbefreiung der Firma auf Guernsey prüfen zu lassen, welche die Kunstwerke verwaltet.

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