Prominente Plagiate:Wir haben abgeschrieben

Peter Scholl-Latour hat bei Hemingway abgekupfert, Miriam Meckel deckt ihre Quellen auf - und Helmut Kohl bricht sein Schweigen: Diese Prominenten stellen sich der Wahrheit.

F. Seng

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Angela Merkel, Getty Images

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Peter Scholl-Latour hat bei Hemingway abgekupfert, Miriam Meckel deckt ihre Quellen auf - und Helmut Kohl bricht sein Schweigen: Diese Prominenten stellen sich der Wahrheit.

Angela Merkel:

Mittlerweile ernte ich oftmals Lob für meine Frisur. Dabei ist das gar nicht meine eigene, sie ist, wie eigentlich jeder aufmerksame Mensch erkennen kann, abgekupfert von Linda Evangelista. In den neunziger Jahren war das Supermodel berühmt für außergewöhnliche, ständig wechselnde Frisuren, und als ich eines Tages diesen dynamischen, roten Bob sah, wusste ich sofort, dass ich damit mehrheitsfähig würde. Ich denke, ich kann zufrieden mit meiner Wahl sein, noch nie hat mich der Schnitt enttäuscht. Nur die Farbe hat über die Jahre nachgelassen. Das finde ich manchmal ein wenig schade.

Text: Franziska Seng

Bildauswahl: Ruth Schneeberger/sueddeutsche.de/bgr

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Peter Scholl-Latour, AP

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Peter Scholl-Latour:

1973, ganz Südvietnam war ein brodelnder Moloch, über dem sich ein Baldachin aus Aasmief, Tropendunst und taktisch günstigem Blattwerk erhob. Affen pissten lachend auf unsere Köpfe, auch auf die der Vietcong, doch das waren zähe Burschen, ließen sich nicht abbringen von der Mission. Wir hatten zunächst Material für eine investigative ZDF-Reportage gesucht. Aber während die Anzahl an Tagen ohne Perenterol stieg, sank unsere Truppenmoral. Wieder zu Hause, griff ich zu "Wem die Stunde schlägt" von good old Hemingway. Steht eigentlich alles drin über Partisanenkämpfe. Paar verwackelte Kamerabilder dazu, fertig. Danke, Ernie.

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Helmut Kohl, dpa

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Helmut Kohl:

Ich bin Vorwürfe von vaterlandslosen Gesellen gewohnt, deswegen treffen mich die neuesten Plagiatsanschuldigungen überhaupt nicht. Es spielt doch gar keine Rolle, dass das mit der deutschen Einheit nicht meine eigene Idee war! Irgendwelche fahnenflüchtigen Verseschmiede haben das Projekt vielleicht vor Jahrzehnten ausgeheckt, aber Kanzler der Einheit bin immer noch ich! Zur Herkunft dieses Gedankenguts werde ich keine Aussage machen. Was interessiert Sie meine dumme Lektüre von gestern? Ich verrate nur eins: Von Günter Grass hab ich's nicht!

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Johannes B. Kerner, dpa

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Johannes B. Kerner:

In meiner Jugend war ich entzündet von einer blonden Vorahnung, die mir, Johannes Baptist Kerner, eine leuchtende Zukunft verhieß. Aber trotzdem fühlte ich mich oft down, gerädert von der Last dieser Offenbarung. Die Lehren des Hermann Siddhartha Gautama-Hesse erquickten mich, ich las sie immer wieder, habe sie verinnerlicht. Wenn ich heute um die Außenalster jogge, spitze ich die Ohren nach den Blumenworten des Flusses, dem Flüstern der Wellen, dem stoischen Blubbern der Fische, deren Weisheiten ich aufschlabbere wie ein Sorbet von Alfons Schuhbeck. Lauschen Sie dem nächtlichen Rauschen meiner Diskurse, auch Sie werden bald befreit sein von Leidenschaften und Schmerz.

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Miriam Meckel, dpa

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Miriam Meckel:

Ich lese sehr viel, eigentlich stopfe ich die Buchseiten bei jeder Gelegenheit regelrecht in mich hinein, im Fahrstuhl, an der Supermarktkasse oder auch beim Epilieren, mich treibt ein unstillbarer Hunger nach Informationen und authentischen Erfahrungen. Für Letztere fehlt mir leider meistens die Zeit. Ein Moderatorenkollege und Grimmepreisträger, der öffentlich ausschließlich "Bernd das Brot" genannt werden möchte, formuliert, was ich nur dumpf empfinden kann. Wie es ist, ein schlaffes, substanzloses Kommunikationswissenschaftlerinnen-Brötchen zu sein, während die Menschen von dir die Power eines kernigen Vitalvollkornbrots erwarten. Bernd wurde für das Brotprojekt "Bernd an mein Leben" Mentor und Vorbild. Eines Tages sah ich in den Spiegel und entdeckte, dass wir uns nicht nur innerlich sehr ähnlich sind: Auch unser Teint hat sich bis zur Kenntlichkeit angeglichen.

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Harald Schmidt, ddp

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Harald Schmidt:

Jeden Montag um 5:30 Uhr setzen wir unsere Autoren hier in Köln in einen Reisebus, dann werden Blätter, Bleistifte und Radiergummis ausgeteilt. Während der Fahrt in die neuen Bundesländer erhält jeder Autor außerdem zwei Bockwürste, ein Kännchen Kaffee und Wurstwasser bis zum Abwinken, für viele ist es die erste Nahrungsaufnahme seit über 48 Stunden. Beflügelt von dieser Wohltat entstehen übermütig die ersten Witze. Ziel der Reise sind jedoch die Katakomben der GAGSI, wo das DDR-Regime subversive Witze unter Verschluss hielt. Diese Witze sind erstklassige Handarbeit und unter heutigen Bedingungen so nicht mehr herstellbar. Unsere Autoren sind darauf trainiert, tagelang in den Katakomben zu überleben und mit einer optimalen Ausbeute zurück ans Licht zu kommen. Im Bus machen die Autoren die Gags dann ein bisschen auf neu. Das klappt nicht mit allen, aber die B-Ware verscherbeln wir an Oliver Pocher.

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China, Yue Minjuns

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China:

Wir sind Plagiat. Die Volksrepublik China erklärt hiermit, die Ideen zu zahlreichen Innovationen, durch die sich die VR in letzter Zeit ausgezeichnet hat, von Google abgeschrieben zu haben. Ebenfalls gegoogelt sind die Pläne für Chinas momentan wichtigstes Bauprojekt seit dem Drei-Schluchten-Staudamm und der Großen Mauer: eine eigene Suchmaschine. Diese verfügt über die landestypischen Macken, die moderne Produkte "Made in China" so liebenswert machen: Informationen nur auf gut Glück, Datenkonflikte werden von einem lächelnden Avatar wegharmonisiert, bei Suchanfragen wie "Falun Gong" oder "Mieterschutzbund" friert der Browser ein bis zum nächsten Laternenfest.

Foto: Yue Minjuns Bild "On the Lake" zur Auktion in Hongkong am 5. April 2010/afp

Dieter Bohlen, dpa

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Dieter Bohlen:

Journalisten löchern mich andauernd: Hey Dieter, biste wirklich so'n mieser Kerl, wie du immer tust im Fernsehen? Wenn ich Bock hab und mir der Kerl synthetisch ist, verrate ich ihm, was ich von Arthur Schopenhauer gelernt hab, seitdem ich mal ein Buch von ihm gelesen hab, das hieß "Die Kunst zu beleidigen":

1. Man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit.

2. Die Grobheit ist eine Eigenschaft, die im Punkte der Ehre jede andere ersetzt und überwiegt. Zeigt etwa in einer Diskussion oder sonst im Gespräch ein andrer richtigere Sachkenntnis, strengere Wahrheitsliebe, gesünderes Urteil als wir oder sonst eine geistige Überlegenheit, die uns in den Schatten stellt, so können wir diese und jede andre Überlegenheit und unsre eigene dadurch aufgedeckte Dürftigkeit sogleich aufheben und nun umgekehrt selbst überlegen sein, indem wir grob werden.

3. Journalisten gleichen kleinen Hunden, die bei allem, was sich irgend regt, sogleich ein lautes Gebell erheben.

Foto: dpa

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