Filmfestspiele Cannes:Madame Bercot empfiehlt sich

Filmfestspiele Cannes: Regisseurin Emmanuelle Bercot (l.) hat mit "La tête haute" die Filmfestspiele eröffnet. Dabei arbeitete sie wieder mit Catherine Deneuve (r.) zusammen.

Regisseurin Emmanuelle Bercot (l.) hat mit "La tête haute" die Filmfestspiele eröffnet. Dabei arbeitete sie wieder mit Catherine Deneuve (r.) zusammen.

(Foto: Lionel Cironneau/AP)

Erst zum zweiten Mal wurden die Filmfestspiele in Cannes von einer Frau eröffnet: Emmanuelle Bercot. Schon 1997 räumte sie für ihren ersten Kurzfilm den Jurypreis ab. Inspiration für den Eröffnungsfilm holte sie sich am Arbeitsplatz ihres Onkels.

Von David Steinitz

Sie ist keiner der ganz großen Stars, und doch hat sie soeben eine bisher seltene Ehre erfahren: Die französische Schauspielerin und Regisseurin Emmanuelle Bercot durfte in dieser Woche mit ihrem Jugenddrama "La tête haute" die Filmfestspiele von Cannes eröffnen. Damit ist sie in der 68-jährigen Geschichte des Festivals tatsächlich erst die zweite Frau in dieser Rolle - nach Diane Kurys, die 1987 ihr Liebesmelodram "Leidenschaftliche Begegnung" präsentierte.

Die Auszeichnung kommt nicht unvermittelt, denn Bercot gehört schon seit einiger Zeit zu den festen Größen des französischen Films. Geboren wurde sie 1967 in Paris, als das französische Kino gerade das aufregendste der Welt war, geprägt durch die wilden Autorenfilmer der Nouvelle Vague um François Truffaut und Jean Luc-Godard. Schon als Kind verliebte sie sich ins Kino, wollte unbedingt selbst Filme machen und durfte nach erfolgreicher Aufnahmeprüfung später an der legendären Pariser Filmhochschule La fémis studieren.

Während ihres Regiestudiums begann sie parallel zu schauspielern, eine Doppelkarriere, der sie bis heute treu geblieben ist, wenn auch nie in der vordersten Reihe. Zuletzt war sie im gefeierten Terroristen-Epos "Carlos - der Schakal" und im Krimi "Polizei" zu sehen.

Ihre Regiekarriere wiederum war von Anfang an eng mit Cannes verknüpft, wo sie 1997 ihren ersten Kurzfilm "Les Vacances" vorstellte und mit der Geschichte über eine alleinerziehende Mutter prompt den Jury-Preis abräumte. Nach weiteren kleinen Filmen sowie Serien-Auftragsarbeiten fürs Fernsehen drehte sie 2013 das hübsche Feelgood-Movie "Madame empfiehlt sich". Eine tragikomische Meditation übers Altern und eine Verneigung vor ihrer Hauptdarstellerin Catherine Deneuve, mit der sie in den Wettbewerb der Berlinale eingeladen wurde.

Die Idee für den diesjährigen Cannes-Eröffnungsfilm "La tête haute", in dem Deneuve ebenfalls wieder mitspielt, diesmal als Jugendrichterin, hatte Bercot aber schon lange vor ihrer Zeit als Filmemacherin. Mit acht Jahren besuchte die kleine Emmanuelle ihren Onkel in der Bretagne, der dort in einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche als Betreuer arbeitete. Am Mittwoch erzählte sie nach der Premiere: "Als kleines Mädchen aus einem heilen und beschützenden Elternhaus war das Verhalten dieser Teenager, die nicht so viel Glück hatten wie ich, ein Schock."

Nun hat sie sich also das Schicksal eines unbelehrbaren Jungen ausgedacht, der nach Schlägereien und Autodiebstählen eine elende Heimkarriere bis zum Jugendknast durchmacht, um ihr Erlebnis von damals selbst besser verstehen zu können. Diese Geschichte, und wirklich nur diese Geschichte sei ihr gerade wichtig, sagt Bercot. Und dass sie seit 28 Jahren die erste Frau ist, die Cannes eröffnen darf? "Wissen Sie, das ist mir ehrlich gesagt egal", sagt sie gerade heraus. "Filme haben kein Geschlecht."

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