Product Placement im TV:Überraschung!

Erst hat die Politik sie abgelehnt, nun soll Produktplatzierung im deutschen Fernsehen doch erlaubt sein. Über die Skandale ist ein bisschen Gras gewachsen.

Claudia Tieschky

Das Verhältnis zwischen der EU-Kommission und dem deutschen Rundfunk kann gelegentlich exzentrisch wirken: "Brüssel hat uns einen Elefanten geboren", sagte zum Beispiel neulich der aktuell oberste Gremienchef der ARD, Harald Augter, und meinte damit das Prüfverfahren für das öffentlich-rechtliche Internet.

Product Placement im TV: Das Kino macht es vor: Für welche Automarke wird hier geworben? "Men in Black 2".

Das Kino macht es vor: Für welche Automarke wird hier geworben? "Men in Black 2".

(Foto: Foto: dpa)

In einer anderen Rundfunkangelegenheit schien den Deutschen dagegen schnell alles klar. Ende 2007 machte Brüssel in der überarbeiteten Fernsehrichtlinie vieles neu und auch den Weg frei für Product Placement im europäischen TV. Die für Rundfunkpolitik zuständigen Bundesländer entschieden damals rasch parteiübergreifend, dass sie die Produktplatzierung im deutschen Fernsehen nicht erlauben wollen: In die Gefühlslage spielte auch der frische Eindruck einer Schattenwirtschaft von Schleichwerbern hinein.

Verbotene Triebe

Skandale rund um ein graues Finanzierungssystem waren in der ARD (Marienhof) und bei Sat 1 enthüllt worden. Die öffentlich-rechtlichen Sender schlossen Product Placement für sich komplett aus. Es gehe um "die Glaubwürdigkeit des Mediums Fernsehen", erklärten etwa die ARD-Aufsichtsgremien.

Wenn in diesem Sommer die Fernsehrichtlinie aus Brüssel in deutsches Rundfunkrecht umgesetzt wird, sieht vieles etwas anders aus. Über die Skandale ist ein bisschen Gras gewachsen, und es herrscht Werbekrise.

In diesen Zeiten bereiten die Länder den neuen, 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vor. Sie wollen darin, das zeichnet sich überraschend ab, den Privatsendern die neue Einnahmequelle nun doch erlauben und Regeln für legale Produktplatzierung im Gesetz festschreiben. Die Vorgaben aus Brüssel würden dann wahrscheinlich dafür sorgen, dass auch Finanzierungsgewohnheiten der Öffentlich-Rechtlichen als Product Placement kenntlich gemacht werden müssten: beispielsweise durch Hinweise auf die Reederei, die das ZDF-Traumschiff zur Verfügung stellt, die Stifter von Zuschauerpreisen bei "Wetten, dass...?" oder die Automarke, die den Wagen des Tatort-Kommissars stellt.

Schöne Schuhe

Tatsächlich erklärte die EU-Kommission 2007 zur Produktplatzierung nüchtern, sie sei "eine Tatsache in Kinofilmen und audiovisuellen Fernsehproduktionen". Das ist auch auf deutschen Sendern so, wenn etwa in Importfilmen James Bond Auto fährt oder eine New Yorker Serienheldin schöne Schuhe kauft. Auf YouTube kann man besichtigen, wie Will Smith in "I, Robot" seine Turnschuhe preist und überhaupt jede Menge Filmchen finden, die platte Product-Placement-Szenen zusammentragen.

Für solche Markenauftritte außerhalb von Werbeblöcken fließt viel Geld, Schätzungen zufolge lassen sich in den USA bis zu zehn Prozent der Produktionskosten von Kinofilmen und Serien damit decken.

Die christsoziale EU-Medienkommissarin Viviane Reding aus Luxemburg, die das Kinofestival in Cannes gerne besucht, dachte bei der Neuregelung auch an die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Produktionen. Genau genommen konnte Reding aber politisch gegenüber ihren (vor allem auch deutschen) Kritikern nicht alle ihre Ziele durchziehen. Es blieb bei einem prinzipiellen Verbot von Product Placement, das aber gelockert wird: Ausnahme gelten für Kinofilme, Fernsehfilme, Serien, Sportsendungen und leichte Unterhaltungssendungen.

Lesen Sie weiter auf Seite 2 über "bedeutende Werte".

Achtung, Werbung!

Das klingt wie ein schmales Zugeständnis, macht Produktplatzierung aber im weit größten Programmteil privater Anbieter legal. Der Zuschauer muss nur mit deutlichen Hinweisen über die Werbeaktionen informiert werden, zum Beispiel mit einem Logo. Wie die Kennzeichnung genau aussehen soll, ist Teil der aktuellen Diskussion zum Rundfunkgesetz.

Product Placement im TV: Katherine Hepburn als Missionarin Rose in dem Film "Africa Queen", 1951. Welcher Art Gin hier über Bord ging, konnte man damals genau lesen.

Katherine Hepburn als Missionarin Rose in dem Film "Africa Queen", 1951. Welcher Art Gin hier über Bord ging, konnte man damals genau lesen.

(Foto: Foto: Cinetext)

Die Privatsender sind mit dem Umdenken der Politik sehr zufrieden, das liegt auch auf der Hand. Jürgen Doetz, Chef des Privatsenderverbandes VPRT, spricht von einer "aus der wirtschaftlichen Situation heraus notwendigen Ergänzung unseres Einnahmepotenzials". Protest gegen Product Placement kommt dagegen zum Beispiel von den Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern.

Ein Turnschuh kommt selten allein

Dabei dürfte es nicht nur um Konkurrenz an den Werbetöpfen der Wirtschaft gehen. Printmedien haben viel Erfahrung mit Begehrlichkeiten von Anzeigenkunden. Zwar betont Brüssel, die redaktionelle Unabhängigkeit im TV dürfe unter Werbebotschaften nicht leiden, aber ein Turnschuh kommt selten allein: Die "geplante Aufhebung der klaren Trennung von Werbung und Programminhalten" im Fernsehen könnte, das erklärte kürzlich der Zeitungsverlegerverband BDZV, "die werbungtreibende Wirtschaft und Agenturen dazu verleiten, ähnliche Lockerungen auch von den Tageszeitungen zu verlangen".

Product Placement muss man nicht kriminalisieren, aber es durchbricht die Grenze zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung im TV. Es steht daher unter dem Generalverdacht, Zuschauer zu manipulieren, und in einem Massenmedium ist dies eine ethische Frage. Vielleicht wird sie auch die Landtage beschäftigen, die das neue Gesetz billigen müssen.

Das Drehbuch zum Produkt

Bekannt ist, dass Schleichwerber unentdeckt gleich die Drehbücher zum Produkt bauen ließen (was die EU als Themenplatzierung verbietet). Die Allianz deutscher Produzenten Film und Fernsehen hat jetzt einen Verhaltenskodex für die werbetreibende Industrie, Sender, Medienkontrolleure, Produzenten und Werber angeregt. Damit würde zum Beispiel festgelegt, wann ein Produkt zu sehr in den Vordergrund rückt oder die Unabhängigkeit von Drehbuchautoren gefährdet ist. Man ahnt, es geht den Kreativen vielleicht bald auch um: Selbstschutz.

Für ARD und ZDF stellt Product Placement im eigenen Programm ein besonders heikles Glaubwürdigkeitsproblem dar. Immerhin zahlen die Zuschauer derzeit 17,98 Euro Gebühr, um den öffentlich-rechtliche Rundfunk auch wirklich unabhängig zu halten.

Die Komplikation an der reinen Lehre sind Beistellungen. Das sind Dinge, die manchmal bezahlt aussehen, es aber nicht sind: Produkte, die für Dreharbeiten gebraucht werden und mit freundlicher Empfehlung von Markenherstellern, aber ohne Geld ins Gebührenfernsehen kommen.

Die Macht der Akteure

Medienhüter kritisierten erst Anfang März die auffällige Inszenierung einer Automarke im SWR-Tatort. Zwischen unentgeltlichen Produktionshilfen und bezahltem Placement macht die neue EU-Richtlinie allerdings keinen Unterschied mehr: Kostenlose Bereitstellung von Produktionshilfen sowie Preisen wird zur kennzeichnungspflichtigen Produktplatzierung, "wenn die betreffenden Waren oder Dienstleistungen von bedeutendem Wert sind".

Was ein "bedeutender Wert" ist, wird daher ein recht interessanter Punkt in den für Mai geplanten Anhörungen aller Marktbeteiligten zum neuen Gesetz. Vielleicht setzt sich ein bestimmter Anteil am Produktionsbudget als Maßstab durch. Oder, was auch diskutiert wird, ein generelles Limit von 1000 Euro. Und noch etwas kollidiert im System ARD/ZDF: Die Sender sind im Internet auf Werbefreiheit verpflichtet. Eigenproduzierte Sendungen, die gekennzeichnete Produktplatzierung enthalten, könnten sie nicht in ihren Mediatheken nicht zum Abruf anbieten.

Unabhängig von öffentlich-rechtlichen Befindlichkeiten bleibt die Frage der Kontrolle. Kürzlich schilderte der Journalist Volker Lilienthal in einem Interview eindrücklich die Macht der Akteure, denen er bei seinen Schleichwerbe-Recherchen für den Evangelischen Pressedienst (epd) begegnet ist. Die Regeln für legale Produktplatzierer, die nun über Brüssel in die deutschen Gesetze kommen, leuchten immerhin vielleicht den Ansatz einer Grauzone aus, von der man noch nicht weiß, wie dunkel sie wirklich ist.

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