Pro Video-Überwachung:Wir leben nicht auf der Insel der Glückseligen

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Nein, dies ist kein Plädoyer für den totalen Überwachungsstaat, wie ihn George Orwell in dem Klassiker 1984 heraufbeschwor. Aber: Wir benötigen für unsere Sicherheit inzwischen auch technische Hilfsmittel, die zu Gebote stehen.

Hans-Jörg Heims

Es sind Bilder, die einem Vater unter die Haut gehen. Ein Mann und ein kleiner Junge sitzen nebeneinander. Sie lächeln. Man könnte meine, es handelt sich bei den beiden um Vater und Sohn.

Aber der Schein trügt. Wenig später ist der Junge tot, vermutlich ermordet von jenem Mann, mit dem er zuvor anscheinend so vertraut zusammen saß. Das erschüttert nicht nur Eltern, die sich besorgt fragen, ob auf dem Platz des kleinen Mitja nicht auch der eigene Sohn oder die eigene Tochter hätte sitzen können?

Eine Videokamera in der Linie 11 der Leipziger Straßenbahn hat wahrscheinlich Momente aus den letzten Lebensstunden des Opfers festgehalten und die Polizei sehr schnell auf die Spur des vermutlichen Täters, eines vorbestraften Sexualtäters, gebracht.

Schon im Fall der Männer, die im vergangenen Jahr Kofferbomben in zwei Regionalzügen deponierten, waren es Aufnahmen einer Videokamera auf dem Kölner Hauptbahnhof, die entscheidend zur Ermittlung der Terroristen beitrugen.

Zwei spektakuläre Fälle, die beweisen, dass die Videoüberwachung von zentralen Plätzen wie Bahnhöfen oder öffentlichen Verkehrsmitteln sinnvoll ist.

Die Welt ist unsicherer geworden. Deutschland hat bisher Glück gehabt. Aber wir leben nicht auf einer Insel der Glückseligen. Es muss ja nicht gleich immer ein Terroranschlag oder ein Mord sein. Auch der alltägliche Vandalismus, Drogenhandel und Diebstähle rechtfertigen den Einsatz von Videokameras.

Um keinen falschen Verdacht aufkommen zu lassen: Dies ist kein Plädoyer für den totalen Überwachungsstaat, wie ihn George Orwell in dem Klassiker 1984 heraufbeschwor. Die Privatsphäre der Bürger muss für die staatlichen Teleobjektive tabu bleiben. Auch dürfen aufgezeichnete Daten nur eine bestimmte Zeit gespeichert werden. Die gesetzliche Grundlage dafür gibt es.

Nur: Der Ruf nach mehr Polizei auf den Straßen wird angesichts eines weit verbreiteten Gefühls der Unsicherheit und Angst, selbst Opfer einer Straftat zu werden, schnell erhoben.

Allerdings müssen wir erkennen, dass mehr Polizisten allein nicht reichen, um die Probleme zu lösen. Es bedarf deshalb auch der Nutzung technischer Instrumente, um vorzubeugen und aufzuklären. Die Freiheit des Einzelnen ist ein hohes Gut, das geschützt werden muss.

Die Videokamera in der Straßenbahn hat den kleinen Mitja nicht vor dem Tod retten können. Aber sie hat insofern ihren Zweck erfüllt, als sie dem mutmaßlichen Täter ein Gesicht gibt. Würden wir uns sicherer fühlen, wenn der Mörder weiterhin anonym in der Straßenbahn neben unseren Kindern säße? Nein.

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