Pritzker-Preis der Architektur:Bauen aus Bytes, Design von der Hard-Disk

Auf dem Olymp der Baukunst: Der kalifornische Architekt Thom Mayne und sein Team Morphosis bekommen den diesjährigen Pritzker-Preis zugesprochen.

GOTTFRIED KNAPP

Dass sich Frank Gehry als Juror des diesjährigen Pritzker-Preises über die Wahl Thom Maynes gefreut hat, ist verständlich, bekam doch die dekonstruktivistische Richtung der Architektur, die er selber mit sichtbar schwindendem Erfolg vertritt, noch einmal den höchsten Preis zugesprochen, der auf dem Olymp der Baukunst vergeben wird.

Pritzker-Preis der Architektur: Das neue "Caltrans District 7" Hauptquartier in Los Angeles, das von Thomas Mayne entworfen wurde.  Mayne, eigentlich ein böser Junge der Architektur ist jetzt Pritzker-Preisträger, weil sein Stil die "einzigartige, irgendwie wurzellose Kultur Süd-Kaliforniens" widerspiegele. So jedenfalls die Jury.

Das neue "Caltrans District 7" Hauptquartier in Los Angeles, das von Thomas Mayne entworfen wurde. Mayne, eigentlich ein böser Junge der Architektur ist jetzt Pritzker-Preisträger, weil sein Stil die "einzigartige, irgendwie wurzellose Kultur Süd-Kaliforniens" widerspiegele. So jedenfalls die Jury.

(Foto: Foto: AP)

Nach Zaha Hadid, die im letzten Jahr die gerne als Nobelpreis der Architektur bezeichnete Auszeichnung erhalten hat, nun also noch einmal einer der Computer-Visionäre, der Knick- und Dreh-Expressionisten, der Stahl- und Sichtbeton-Skulpteure. Und da Mayne, dessen Name in Europa kaum geläufig ist, ohne seine bekannte Architektenfirma Morphosis gekürt wurde, lässt sich leicht ausrechnen, warum das international viel begehrtere Architekturbüro Coop Himmelb(l)au von den Pritzker-Jurys bislang übergangen wurde: Die Arbeit der Himmelsbauer lässt sich nicht auf eine einzelne Persönlichkeit reduzieren oder wie bei Herzog & de Meuron auf zwei Namen beziehen; Teams aber sind unattraktiv.

Nun also Thom Mayne - oder genauer gesagt: sein Büro "Morphosis" im kalifornischen Santa Monica, wo auch Gehry seine ersten Schritte getan hat. Schon der etwas affektierte Name, den sich die um Mayne gescharte Gruppe junger experimentierfreudiger Architekten 1972 gab, deutet auf Bewegung, auf Dynamik, auf Abwandlung und Abwechslung hin. In den ersten Entwürfen, den Wohnhäusern, mit denen das Team in den 70er und frühen 80er Jahren enge Baulücken in stillos verbauten Trabantenstädten füllte, wird die Andersartigkeit gerade zwanghaft zelebriert. Kunststein, Holz, Stahl, Glas, Beton, Wellblech, Glasbausteine, Segelboot und Plastik werden betont auffällig, ja rüde miteinander kombiniert. Im Inneren wird die Enge noch zusätzlich durch schroffe Zwischenwände und Treppenbauten klaustrophobisch dramatisiert. Lampen und Fenster lassen sich über archaisch primitive, wie Skulpturen ausgestellte Trage- und Hebevorrichtungen bewegen. Wer hier einzieht, ist bereit, sich einem Experiment der Anpassung zu unterziehen, sich in ein ausgeklügeltes plastisches und kinetisches Raumkunstwerk einzupassen.

Der Ruhm, den sich diese Bauten im Schatten der etwa gleichzeitig entstehenden, verspielt-experimentellen Wohnbauten Gehrys erworben haben, hat zu einigen spektakulären Aufträgen für die Gastronomie geführt. Im Hotel Venetian in Las Vegas beispielsweise hat Thom Mayne 1999 bei der Einrichtung des Tsunami Asian Grill den trügerischen Effekt der ortsüblichen Kulissenarchitektur mit stürzenden, geknickten Decken, dazwischen gehängten Flugkörpern, aggressiv den Raum durchschneidenden Stahltreppen und grellen Farben fast aggressiv übersteigert. Und bei seiner Ausgestaltung eines bekannten Steakhouse im Zentrum von Beverly Hills glaubt man zu spüren, dass die nervöse Architektur mit ihrem visuellen Überangebot von der totalen Monotonie des angebotenen Fraßes ablenken soll.

Wirklich Geschichte gemacht hat Morphosis mit einigen Schulbauten, in denen die sonst oft nur behauptete Freiheit Amerikas architektonisch eindrucksvolle Triumphe feiert. Im Schulsystem Europas wären so bizarr plastische Gebilde wie die Diamond Ranch High School in Pomona, Kalifornien, mit ihren kippenden, wellblechverkleideten Wänden ihren geknickten Fenstern, ihren weit ausladenden, frei schwebenden Gebäudeteilen und den schluchtartigen Schnitten zwischen den einzelnen Abschnitten, nicht vorstellbar. In diesen computergenerierten Bauskulpturen der 90er Jahre sind nur noch wenige Materialien im Einsatz: Alle massiven Teile sind aus Sichtbeton, doch sie wirken nur an wenigen Stellen nach außen, da auffällig herausdrängende, oft zweckfrei abstrakte Stahlkonstruktionen, geknickte Glaswände und -decken und vorgehängte Lochblechmuster, die sich wie Filter über die Konstruktionen legen, die äußere Erscheinung bestimmen.

In Europa ist Thom Mayne nur als amerikanische Legende und als Theoretiker in Erscheinung getreten, bevor ihm 1996 der Auftrag für die Hypobank Alpe-Adria im konservativ regierten Klagenfurt erteilt wurde. Da hat er ein großes Verwaltungsgebäude fast ganz vom Boden abgehoben, hat es auf Stelzen gestellt und unter einem wild bewegten Glasdach in mehrere Teilbauten aufgespalten. Hoch oben aber an einer der Fassaden fällt eine Stahltreppe durch die Lamellenhaut ins Freie, um schroff in der Luft zu enden.

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