Pressefreiheit:Bissiger Witz gegen Bulgariens Oligarchen

Titelblatt der bulgarischen Satirezeitschrift "Pras-Press" vom März 2017. Die Ausgabe wurde an viele Kioske nicht ausgeliefert.

Titelblatt der bulgarischen Satirezeitschrift "Pras-Press" vom März 2017. Die Ausgabe wurde an viele Kioske nicht ausgeliefert.

(Foto: Pras-Press)

Mit der ersten Satirezeitschrift des Landes wollen ein paar Karikaturisten die bulgarische Elite aufs Korn nehmen. Blöd nur, dass selbst der Pressevertrieb in der Hand eines humorbefreiten Superreichen ist.

Von Florian Hassel

Es ist eine Sache, einen Traum zu verwirklichen, aber eine völlig andere, ihn auch zu verkaufen. Ihren Traum verwirklichten Tschawdar Nikolow und seine Kollegen Anfang März, als sie die erste Ausgabe der Pras-Press in Händen hielten, Bulgariens erster Satirezeitschrift.

Mit Karikaturen, bissigem Witz und leichtfüßigen Texten glaubten sie, eine Mischung gefunden zu haben, die ihnen die Bulgaren aus den Händen reißen würden - umso mehr, als alle bekannte Satiriker waren, die seit Jahrzehnten in bulgarischen Zeitungen oder im Fernsehen ihren Spott trieben.

Doch am Erscheinungstag standen ihre Telefone nicht still: "Freunde und Bekannte aus ganz Bulgarien klagten, an ihren Kiosken gebe es keine Pras-Press", erzählt Nikolow. "Auch wir fanden selbst an Sofias Kiosken keine oder bestenfalls ein, zwei Exemplare. Von 10 000 Exemplaren unserer Auflage war höchstens ein Zehntel ausgeliefert worden."

Eigentlich hätte Bulgarien Humor bitter nötig. Doch die Presse des Landes wird von Oligarchen dominiert, die ihre eigenen Interessen befördern. Einer von ihnen ist Deljan Pejewski, mit besten Kontakten in Wirtschaft und Justiz ausgestattet und zudem einflussreicher Parlamentsabgeordneter.

Bei den Bulgaren ist Pejewski so unbeliebt, dass 2013 Tausende Bulgaren auf die Straße gingen, als Pejewski Geheimdienstaufseher werden sollte. Der Oligarch kontrolliert, oft über Mittelsmänner, ein weitgespanntes Firmenimperium - und, so sehen es nicht nur die Karikaturisten, auch den einzigen landesweiten Pressevertrieb, der ihre Satirezeitschrift an die Kioske bringen sollte.

Die Nachfrage nach "Pras-Press" war gewaltig. Nur durften die Kioske das Blatt nicht verkaufen

Für die Karikaturisten sind Politiker natürliche Ziele. "Ich habe Deljan Pejewski früher schon als Schwein und Ministerpräsident Bojko Borissow als sein Schwänzchen gezeichnet", sagt Nikolow.

Als die Satiriker feststellten, dass ihr Blatt offenbar durch Nichtauslieferung sabotiert wurde, stellten sie sich selbst an die Straße oder brachten Pras-Press eigenhändig an die Kioske. "Einige Kioskbesitzer bekamen schnell Besuch von Vertriebsleuten, die ihnen drohten, sie würden ihnen keine anderen Zeitungen und Zeitschriften mehr liefern, wenn sie unser Blatt weiter verkauften", sagt Nikolow. "Dabei war die Nachfrage gewaltig. Wir hätten bei der Startauflage sofort nachdrucken und 50 000 Exemplare verkaufen können, hätten wir sie überall an die Kioske bringen können."

Konflikte sind für bulgarische Karikaturisten nicht neu. Zwar pflegte zu Zeiten des Kommunismus die Regierung in Sofia ein Image von Offenheit selbst gegenüber Satirikern, zumal auf eine im damaligen Ostblock einzigartige Weise.

Im Städtchen Grabowo trafen sich in den Siebziger- und Achtzigerjahren alle zwei Jahre Satiriker und Cartoonisten aus aller Welt zum Festival im "Haus des Humors und der Satire". Natürlich war das Festival vor allem eine Propagandashow - im eigenen Haus verstand das Regime keinen Spaß.

Auch Bulgariens postsowjetische Herrscher schlucken Satire ungern

Vor allem während des Stalinismus konnten die Folgen fürchterlich sein. Der Karikaturist Raiko Aleksijew etwa, der von Lenin bis Hitler Diktatoren verspottet hatte, hatte am 8. September 1944 auf der Titelseite seiner damals berühmten Satirezeitung Schturetz eine Karikatur des sowjetischen Diktators Stalin veröffentlicht.

Sofort nach dem kommunistischem Umsturz in Bulgarien am Tag darauf wurde Aleksijew festgenommen und ermordet, berichtete seine Witwe später dem Schriftsteller Rossen Tachow. Spätere Satiriker überlebten, landeten aber zuweilen im Gefängnis. Todor Tsonew, der Hunderte Cartoons des kommunistischen Parteichefs Todor Schiwkow gezeichnet hatte, wanderte noch 1979 hinter Gitter.

Auch Bulgariens postsowjetische Herrscher schlucken Satire ungern. Als 1998, zur besten Sendezeit am Sonntagabend, die Sendung "Hushove" des Satirikers Slawi Trifonow die Außenministerin als Stripteasetänzerin zeigte und den damaligen Ministerpräsidenten Iwan Kostow als Dieb, der Bundeskanzler Helmut Kohl die Armbanduhr stiehlt, setzten die Intendanz und der Nationale Medienrat die Sendung ab.

Und in den vergangenen Jahren ist die Lage für Satiriker wie Nikolow nicht viel freundlicher geworden. Als an der bulgarisch-türkischen Grenze selbsternannte Bürgerwehren das Gesetz in die eigene Hand nahmen und Jagd auf Flüchtlinge machten, lobte Ministerpräsident Bojko Borissow im April 2016 die Privatjäger. Jede Hilfe für Bulgariens Grenzer sei "willkommen".

Tage später stellte ein selbsternannter Flüchtlingsjäger ein Video ins Internet, das zeigte, wie er und andere drei festgenommenen jungen Afghanen die Hände mit schwarzem Plastikband hinter dem Rücken zusammenbanden. Ein Fall für Nikolow.

Er war damals beim Privatsender Nova-TV für politische Cartoons im Frühstücksfernsehen zuständig - und zeigte eine Zeichnung, in dem Borissow hinter einer Fahne mit schwarzen Plastikband die Flüchtlingsjäger zur Verteidigung des Vaterlandes hinter sich sammelt.

Endliche eine zensurfreie Plattform für Karikaturen

Nach Protesten hinter den Kulissen setzten die schwedischen Eigentümer des Senders Nikolow vor die Tür und entfernten Dutzende seiner Cartoons von ihrer Website. Der Regierungschef bestritt jede Einflussnahme, der Satiriker aber ist überzeugt, dass der Fernsehsender "von unserem Premierminister zensiert wurde".

Mit ihrer Pras-Press wollten sich Nikolow und seine Kollegen endlich eine zensurfreie Plattform für ihre Karikaturen schaffen. Und trotz der Probleme mit dem Vertrieb gibt das "Organ unbotmäßiger Karikaturisten", wie die Satiriker ihr Blatt getauft haben, nicht klein bei. "Wir vertreiben das Magazin jetzt auf Märkten oder über unabhängige Buchhandlungen - die hängen nicht vom Pressevertrieb ab."

Seit Kurzem ist die Pras-Press auch als Pdf im Internet zu kaufen. "Wir dachten, dass sich dafür nur im Ausland lebende Bulgaren interessieren würden", sagt Nikolow. "Aber die meisten Käufer kommen aus Bulgarien. Wir haben schon Tausende Exemplare verkauft. Die Bulgaren warten nur darauf, über ihre Mächtigen lachen zu können."

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