Premiere "Operation Walküre":Schluss mit Cruise

Geschichten vom roten Teppich in Berlin, über den am Ende tatsächlich Tom Cruise schritt - zur Europa-Premiere seiner "Operation Walküre". Es gab viel Haut zu sehen.

Franziska von Kempis

Der Mann reicht den meisten Leuten kaum bis zur Schulter. Energie hat er aber für zwei. Kein Wunder, dass er sich einen besseren Platz rigoros erdrängeln will. Hertha-Kappe auf dem Kopf, Hertha-Schal um den Hals fährt er seine Ellenbogen aus, um sich bessere Aussicht auf den roten Teppich zu sichern. Schließlich kommt Tom Cruise nicht jeden Tag nach Berlin.

Europa-Premiere des neuen Tom-Cruise Films "Operation Walküre" am Potsdamer Platz. Viel ist über den Film geredet, diskutiert, vorab berichtet worden. Doch das hier ist anders. Das hier ist echt.

Der rote Teppich ist ausgerollt, die Scheinwerfer schicken gleißendes Licht, die Fotografen haben ihre Kameras vor dem Theater am Marlene-Dietrich-Platz in Position gebracht. Noch passiert nichts, vier Großleinwände zeigen Ausschnitte aus dem Stauffenberg-Thriller.

Mögen im fernen Washington amerikanische Hoffnungsträger zu amerikanischen Präsidenten vereidigt werden, hier ist alles bereit für den Auftritt eines anderen Hauptdarstellers.

Hunderte Fans stehen Spalier am roten Teppich - zum Teil in Viererreihen. Gute dreißig Meter markiert er in glühend pulsierendem Rot den Weg der Wichtigen, Bedeutenden, Bekannten und Weniger-Bekannten bis zum Haupteingang des Premieren-Theaters. Vom Teppich führen noch zwei Stege in die Menge hinein: perfekt für Tom Cruise, der sich laut Zeitplan seines Managements dortselbst wenigstens 45 Minuten für seine Fans nehmen will.

Dass es hier weniger um den Film, als um die Stars geht, zeigt sich, als PR-Girls Freikarten für "Operation Walküre" im benachbarten Cinemaxx verteilen. Viele Empfänger lächeln erst dann glücklich, als sie die geschenkten Karten zum Preis von 25 Euro wieder verhökert haben.

Eine Frau mit blondiertem Bubikopf hält ein Filmplakat mit dem streng gescheitelten Stauffenberg-Cruise in die Höhe. Drei bauchfreie Mädchen in schwarzen Daunen-Jacken und Röhrenjeans fotografieren einen Security-Mann, weil im Augenblick sonst niemand zu fotografieren ist. Eine Frau kramt aus ihrem roten Rucksack schon mal ein Autogrammbuch hervor, gewappnet für den Moment, in dem es ernst wird. Auf jeder Seite stehen schon die Unterschrift und das Foto eines anderen Stars. Ein Platz ist noch frei für Tom Cruise und seine Frau, die Schauspielerin Katie Holmes. Und, ja, auch sie wird in allem Liebreiz kommen.

Die Autogrammjäger werden an diesem kalten Berliner Winterabend in ihren Alben wohl mehr als eine Seite erübrigen müssen, um sämtlichen Stars auf dem roten Teppich Möglichkeit zu fortwährender Erinnerungssignatur zu bieten.

Die "Tatort"-Kommissarin Andrea Sawatzki ist da und ihr wunderbarer Gatte Christian Berkel. Beide geben Autogramme, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Bill Nighy, der im Film den General Friedrich Olbricht spielt, ist ebenfalls nah bei der Menge, schüttelt Hände, winkt und unterschreibt. Nur einmal kommt er aus dem Konzept. "Warum sollte ich auf Tom Cruise unterschreiben", fragt er eine Frau mit dunklem Kurzhaarschnitt, die ihm zwei Bilder des Hollywood-Stars hinhält.

Thomas Kretschmann, im Film die Verkörperung des Majors Otto Ernst, nimmt sich weniger Zeit für die Fans. Einige rufen zwar: "Thomas, Thomas!", aber der Thomas will nicht. Er gibt eine Handvoll Autogramme, mehr nicht und widmet sich dann den Fotografen. Die ehemalige Soap-Darstellerin Alexandra Neldel lässt es sich hingegen nicht nehmen, ihren Fans lächelnd Rede und Antwort zu stehen.

Star um Star, Carice van Houten etwa und Tom Wilkinson, eben alles, was im Film Rang und Orden hat, läuft hier auf. Mit dabei auch Nachfahren des legendären Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg, den Tom Cruise in diesem Film mimt.

Nicht fehlen darf natürlich das Münchner Teppich-Luder Davorka Tovilo, das nicht für wesentlich mehr bekannt ist, als dafür, mit möglichst knappen Outfits auf den roten Teppichen deutscher Film-Ereignisse aufzuschlagen. Da macht sie sich allerdings sehr gut, das muss ihr der Neid lassen - und Hochachtung auch dafür, bei dieser Kälte so wenig angezogen zu haben und dennoch nicht frieren zu scheinen.

An diesem Abend gelingt Davorka dies auf strassbesetzten Plateau-Stelzen und mit einem derart knapp geschnittenen Kleidchen, dass man Angst um den Stoff hat, der die Körperpracht kaum halten mag. Auch Schauspieler Sven Martinek und seine Frau, die Schauspielerin Xenia Seeberg, flirten mit den Kameras, dies allerdings besser bedeckt.

Aber dann, endlich, Tom Cruise.

Der Mega-Star steigt aus einer premierenüblichen Limousine, lächelt und wird umgehend von Kameras und Fotografen umringt, wie ein in den See gefallener Stein vom Wasser. Erste "Tom-Tom"-Sprechchöre hallen über den Platz.

Schnell zieht es Cruise zu seinen Fans. Schritt für Schritt, Fan für Fan macht er sich auf den Weg zur Premiere. Prozession des Handshakings und des Lächelns: Cruise schüttelt Hände, lässt sich mit Fans im Arm und am Arm ablichten, lächelt sein markantes Cruise-Lächeln, mit dem er in der Damenwelt so viel Erfolg hat. Auch dafür erhält der bekennende Scientologe bundweise Fan-Rosen. Das geht genau eine Dreiviertelstunde lang so - genauso lange also, wie es das Protokoll vorgesehen hat.

Noch ein paar Fotos und Kurz-Interviews für die versammelte Boulevardpresse, dann ist Schluss mit Kuschel-Cruise. Nachher im Saal ist aller Streit über die Dreharbeiten, um verwehrte Drehgenehmigungen im Bendlerblock und um seine Scientology-Mitgliedschaft vergessen. "Wir haben wirklich von diesem Film geträumt", sagt Cruise auf der Bühne, "es war so eine Ehre, diesen Film zu machen."

Applaus im Saal, fröstelnde Erschöpfung draußen vor dem roten Teppich. Tom Cruise war da.

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