Preisverleihung bei der 60. Berlinale:Bären lieben Honig

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Ein türkischer Film gewinnt bei der 60. Berlinale, und Roman Polanski geht auch nicht leer aus. Er meldete sich aus seinem Schweizer Chalet.

Anna Kessler

Es passte alles so schön zusammen bei der 60. Berlinale: der Bär, der Honig, die Türkei, Berlin. Irgendwie nicht ganz überraschend, dass der türkische Film Bal ( Honig) von Semih Kaplanoglu den Hauptpreis des Filmfestivals bekam, den Goldenen Bären.

Ein Küsschen vom Sieger: Regisseur Semih Kaplanoglu freut sich über den Goldenen Bären für den Film "Honig". (Foto: Foto: AP)

"Eine sehr schnelle Entscheidung" sei es gewesen, erklärte Jury-Präsident Werner Herzog, Bal zu küren. Aufgeregt nahm Regisseur Kaplanoglu den Preis entgegen für sein Stück, das mit poetischen Bildern die Welt eines kleinen Jungen in einem abgeschiedenen Bergdorf zeigt. Das mit dem Preis sei ja klar gewesen, sagte Produzent Johannes Rexin: "Bears like Honey!"

Dass der unter spektakulären Umständen zur Abwesenheit gezwungene Roman Polanski geehrt würde, war ebenfalls zu erwarten. Es gab einen Silbernen Bären für die Beste Regie ( The Ghostwriter). "We are not Roman Polanski", erklärte Produzent Robert Benmussa, als er den Bären stellvertretend in Empfang nahm. Der wegen eines laufenden Verfahrens mit Ausreiseverbot in der Schweiz festsitzende Polanski musste sich die Preisverleihung in seinem Chalet anschauen. Er ließ via Benmussa ausrichten: "Auch wenn es möglich gewesen wäre, wäre ich heute nicht gekommen."

Der Grund: Bei seinem letzten Besuch eines Festivals (in der Schweiz) landete er im Gefängnis. Zu sueddeutsche.de sagte der langjährige Polanski-Freund Benmussa nach der Gala: "Für Roman ist es wichtig, dass er und seine Arbeit honoriert werden" - über die Auszeichnung sei er "sehr happy".

Sieger nach Punkten an diesem Abend wurde aber If I want to whistle, I whistle von Florin Serban: Er bekam den Großen Preis der Jury und den Alfred-Bauer-Preis für neue Perspektiven der Filmkunst.

Alles in Allem war die diesjährige Bären-Preisverleihung ein dezentes, aber doch glanzvolles Fest. Stilvoll und kurzweilig führte TV-Star Anke Engelke ( Ladykracher) wie bereits zur Festival-Eröffnung durch die Gala, die nur 50 Minuten dauerte und ohne jeglichen Schnickschnack auskam. Keine langen Laudatien auf Preisträger, die Jury hielt es kurz und knackig. Die Preisträger redeten so lange, wie sie wollten und konnten.

So nutzten die Künstler ihre Redezeit und bedankten sich, was das Zeug hielt. Beim Team, bei der Jury und bei Mama: Bal-Produzentin Bettina Brokemper dankte ihrer Mutter, weil diese während der Dreharbeiten "immer auf die Kinder aufpasst". An den Dank schloss sich ihr Produzentenkollege Rexin gleich an und bedankte sich "bei meiner und Bettinas Mutter". Wofür? Das erfuhr das Publikum nicht. Es war aber auch egal. Beim Oscar in Hollywood ist s auch nicht anders, nur länger.

Der überschwänglichste Dank kam schließlich von Grigory Dobrygin (Bester Darsteller): "Ich danke meinen Eltern, die es mir ermöglicht haben, auf dieser Welt zu sein". Damit hatte er es definitiv auf den Punkt gebracht. Das Publikum johlte.

"I hope it's a dialect"

Anke Engelke machte es gleichermaßen seriös wie lustig: Nachdem sie bei der Begrüßung festgestellt hatte, dass "heute wahnsinnig viele Chinesen und Japaner im Publikum" wären, quasselte sie in chinesischem Kauderwelsch weiter. Erklärend fügte sie hinzu: "I hope it's a dialect".

Und dabei war Günther Oettinger gar nicht mal anwesend. Dafür hatte ein anderer seinen Job als Englisch-Sprecher übernommen und stolperte über die Aussprache von "manipulating", als er den Bären für den besten Erstlingsfilm überreichen wollte. Das Publikum zeigte Verständnis und korrigierte freundlich. In dieser Kategorie gewann Sebbe von Babak Najafi. Der versicherte prompt, dass er das "für den Rest seines Lebens" nicht vergessen werde.

Jury-Präsident Herzog schwärmte schon vor Galabeginn von der "großartigen Jury", die "fast alle Entscheidungen einstimmig" getroffen hätte - "manche sogar in nur zehn Sekunden". Freude habe es gemacht - trotzdem solle man so etwas "lieber nur einmal im Leben" machen. Herzog: "Ich würde lieber auf einer Landwirtschaftsausstellung über die besten Preis-Rinder entscheiden". Erfahrung habe er darin selbstverständlich nicht, meinte der Fitzcarraldo-Regisseur.

Im Video: So schwer wie im Jubiläumsjahr der 60. Internationalen Filmfestspiele Berlin hat es die Jury wohl schon lange nicht mehr gehabt. Am Samstagabend wurden die Gewinner des Goldenen und der Silbernen Berlinale-Bären bekanntgegeben. "dpa video" mit dem Rückblick auf das Film-Ereignis Berlinale.

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Noch sehr unerfahren in seinem Beruf ist der russische Nachwuchs Schauspieler Grigory Dobrygin, und trotzdem konnte er die Jury überzeugen. In seiner ersten Rolle erspielte er sich neben Sergej Puskepalis ( How I Ended This Summer) den Preis des Besten Darstellers. Seine Freude schrie er laut heraus, er zeigte dem Publikum die Boris-Becker-Faust, so groß war die Freude. "Was für ein Anfang!", freute er sich. Und der ganze Saal sich mit ihm.

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Beste Schauspielerin wurde die Japanerin Shinobu Terajima ( Caterpillar). Regisseur Koji Wakamatsu las von seinem rosa Handy eine E-Mail von ihr vor. Denn die Preisträgerin musste zuhause auf der Bühne stehen, während in Berlin der Silberner Bär für sie in Empfang genommen wurde.

Der Silberne Bär für eine herausragende künstlerische Leistung ging an den Kameramann von How I ended this summer, Pavel Kostomarov. Auch er konnte seinen Preis nicht selbst in Empfang nehmen.

Der chinesische Berlinale-Eröffnungsfilm Apart Together spielte auch auf der Schlussveranstaltung eine Rolle. Er bekam den Silbernen Bären für das Beste Drehbuch. Regisseur Wang Quan'an ließ verlauten, dass er "diesen Preis der Stadt Berlin" widme. Grund: Apart Together erzählt die Geschichte eines durch den Bürgerkrieg getrennten Volkes.

Was sonst noch geschah: Die ultradünne René Zellweger schaukelte in einer Carolina-Herrera-Robe und am im Arm zweier Begleiter in den Kinosaal. Cineastin Claudia Roth von den Grünen war auch mal wieder da, genauso wie Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Und Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit bestätigte dem Festivalleiter Dieter Kosslick, dass er "frische und jugendliche Gelassenheit" in die Veranstaltung hereingebracht hätte.

Gastgeber Kosslik selbst fand "alles super". Mit 300.000 Besuchern meldete die 60. Berlinale immerhin Zuschauerrekord. Und dann verriet Dieter Kosslick noch, wer ihn fast zum Weinen brachte: Der achtjährige Hauptdarsteller von Bal, Bora Altas. Bei dessen Auftritt auf dem roten Teppich anlässlich der Filmpremiere hätte er "schon mal eine Träne verdrückt".

Das war schon ziemlich süß vom Festivalleiter - süß wie türkischer Honig.

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