Postmoderne ist out:Alles zu bunt hier

Eigentlich war die Postmoderne ein Aufstand der Designer gegen das strenge Schwarzgrau der großen Utopie der Moderne. Doch dann lief der Stil aus dem Ruder. Inzwischen hat die Postmoderne einen so schlechten Ruf, dass ihre Stars nicht damit ins Museum wollen. Für eine aktuelle Ausstellung will keiner mehr dabei gewesen sein.

Catrin Lorch

Von Anfang an war die Bewegung des Postmodernismus gefallsüchtig, auf Massenwirksamkeit angelegt, auf Publizität und Glamour: Das Designstudio Memphis kam auf einer Party in die Welt, einer Vernissage am Rand der Mailänder Möbelmesse, die sich am 18. September zum dreißigsten Mal jährt - und mit dem pastelligen Porzellan, den asymmetrischen Regalen und dem Sessel, der vier verschiedene Beinchen angeschraubt hatte, war auch die Postmoderne mit einem Mal unübersehbar da.

Postmoderne ist out: Damals eine große Nummer, heute vielen viel zu bunt: Jean-Paul Goudes Kostüm für Popstar Grace Jones .

Damals eine große Nummer, heute vielen viel zu bunt: Jean-Paul Goudes Kostüm für Popstar Grace Jones .

(Foto: © Jean-Paul Goude)

Praktischerweise hatte die Vitrinen der ersten Memphis-Ausstellung 1981 schon die Form, die wenige Jahre später die Hochhäuser von Philip Johnson annehmen sollten. Teetasse und Wasserkessel standen für einen Stil, der als vielleicht letzte internationale Bewegung des Designs gelten muss.

Doch jetzt will keiner bei der Postmoderne dabei gewesen sein, jedenfalls muss das den Mitarbeitern des Londoner Victoria & Albert Museums so vorkommen. Mit der umfassenden Schau "Postmodernism: Style and Subversion 1979 - 1990" wollen sie ab 24. September nach Überblicksausstellungen zu Barock oder Art Deco eine Design-Bewegung ehren - und finden kaum einen Designer oder Architekten, der bereit ist, in dem renommierten Haus auszustellen.

"Es beschäftigt uns, dass sich so wenig Menschen positiv mit dem Postmodernismus identifizieren", sagt der Kurator der Ausstellung und Design-Historiker Glenn Adamson. "Es gibt eine lange Liste von Leuten, die damit lieber nicht in Verbindung gebracht werden wollen." Darunter sind prominente Namen wie Frank Gehry, den das Museum nachgerade überreden musste, mitzumachen. Dessen Architekturentwürfe erzählen von einer Zeit, in denen eine aus unterschiedlichen Materialien gedrechselte Säulenfront schockierte, gar als Sensation der Architekturbiennale im Jahr 1980 galt.

Museal aufbereitet werden in der kommenden V & A-Ausstellung nun Werke der Designer Aldo Rossi und Charles Moore sowie der Film "Blade Runner" und Cover des Magazins i-D oder das von Jean-Paul Goude gestaltete Modefoto, das Grace Jones in einem Umstandskleid von Jean-Paul Gaultier zeigt, brustabwärts in gelben und silbernen Winkeln versinkend. "Stop Making Sense", dieser Titel eines Films der Talking Heads ist frühes Credo der Bewegung.

Befreiungsschlag einer Generation

Die Kunstgeschichte notiert trocken, dass die Architektengruppen Archizoom oder Superstudio seit den Sechzigern aus Überdruss an der Vernunft des Nachkriegs-Funktionalismus oder aus Grauen vor dem Brutalismus in der Architektur am Gegenteil arbeiteten: an Kitsch und Nihilismus, Ironie und Nostalgie. Die Postmoderne war damals der Befreiungsschlag einer Generation, die nicht länger rational, international und gediegen sein mochte, sondern sich vor allem nichts verbieten lassen wollte - was die Moderne als überwunden und überlebt aussortiert hatte, sah in Augen des Nachwuchses gut aus.

Mit der Unbekümmertheit, mit der man alten Schränken und historistischen Fassaden erst alle Zierleisten abgeschlagen hatte, klebte man sie einfach wieder dran, am besten schief. In diesem frühen Moment konnte die Bewegung eine fast anarchische Spielfreude für sich reklamieren.

Geltungshuberischer Eklektizismus

Doch warum gilt die Postmoderne, zu deren ersten Vertretern neben Alessandro Mendini und Philippe Starck auch Rem Koolhaas als Theoretiker gehört, heute als Sündenfall? Schon Ettore Sottsass äußerte sich nie wieder öffentlich zu Memphis, nachdem er sich 1985 aus der von ihm begründeten Designer-Gruppe zurückgezogen hatte.

Nun ist es mit dem Design - im Gegensatz zu Literatur, die vergriffen ist, oder Popmusik, die nicht mehr gespielt wird - ja so, dass die Dinge immer noch herumstehen, vom symmetrisch ausgeschnittenen Wolkenkratzergiebel bis zur verkachelten Säule und dem grasgrünen Tympanon an der Museumsfront. Und die Postmoderne hinterließ keine stillen Artefakte, sondern trumpfte auf, stolz, pseudoklassisch, wie die schmalen Krawatten, die romantische New Wave-Musik und die schlagerlaute Neue Deutsche Welle, die gleichzeitig in Mode kamen.

Diese aber sind längst abgehängt, aussortiert, höchstens noch im Nachtprogramm zu hören. Denn dem postmodernem Befreiungsschlag gegen Tabus und Verbindlichkeiten der Aufbaujahre, der wie ein Blitz in das fuhr, was als guter, demokratischer Geschmack galt, haftete immer auch etwas Restauratives an. Es ging plötzlich wieder um architektonische Monumentalität, die als Wert an sich gelten sollte. Der Turm ist hoch, weil er wichtig ist.

Ganz ungeniert wurde wieder Marmor gebrochen und Glas bunt gefärbt - und wem das zu teuer war, der arbeitete mit Laminat und Folie. Dieser geltungshuberische Eklektizismus blieb schon damals stumm, es war den Designern ja schon zu ihrem Vatermord an der großen Utopie der Moderne nicht viel mehr eingefallen, als dem Begriff eine Silbe, das "Post", voranzustellen.

Anfang der Achtziger hatte die Postmoderne sich im Recht gewähnt, weil Funktionalismus und Neue Sachlichkeit in Zweckbauten geendet waren, in rechtwinkligen Variationen von Stahl, Beton, Glas. Schnell aber wurde klar, dass die neuen Werke umso fatalere Folgen hatten: Salonfähig wurde nicht die Ironie, die Albernheit, sondern der Salon selbst. Es waren nicht nur die Mickey-Maus-Ringel am Ohrensessel, die sich verkauften, der Baumarkt griff auch nach marmorierter Folie und falschen Säulen. Weitsichtig soll Dieter Rams schon 1981 in Mailand geknurrt haben, dass er sich "jetzt schon vor den Kopien fürchtet".

Plumper Historismus

Die Postmoderne, das ist rückblickend ein plumper, bunter Historismus, der vor allem alte Hoheitsformeln reaktivierte. Und genau da gründet das Unbehagen von einstigen Vordenkern der Bewegung wie Rem Koolhaas, die sich jetzt nicht mehr zugehörig fühlen mögen. Den Postmodernen geht es wie den Poppern, die auf Fotos zeigen und behaupten, da seien sie jung gewesen. Dabei wirkt das, was man sieht, bei aller Asymmetrie doch nur wertkonservativ.

Die Postmoderne, die als erstes eine Tafel bunt eindeckte, als es schon Dringenderes zu bedenken gab als Porzellan und Tischsitten, war nie jung - nur babyblau und frisch und retro. Bacteria, ihr bekanntestes Dekormuster, das hatten die Memphis-Gestalter ja auch in einem Milchladen aus den fünfziger Jahren entdeckt.

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